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Syrische Flüchtlinge kehren zurück

Sophie Cousins, z.Zt. in Qamishli19. November 2014

Viele Flüchtlinge kehren nach Syrien zurück. Christen, Kurden und Armenier ziehen ihre Heimat den schwierigen Lebensbedingungen im Ausland vor. Sophie Cousins berichtet von der syrisch-türkischen Grenze.

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Syrien Flüchtlinge bei der Rückkehr nach Damaskus
Bild: picture-alliance/Photoshot

Wie Menschen in Syrien nach Angriffen ihre Häuser wieder aufsuchen, solche Szenen kennt man etwa aus Damaskus (Artikelbild) und anderen größeren Städten. Doch auch das ist die Geschichte eines Rückkehrers: Harrod Joseph kommt gerade zurück von einer Patrouille durch die christliche Nachbarschaft von Qamishli. Die Stadt mit ihren rund 200.000 Einwohnern liegt im Nordosten Syriens an der Grenze zur Türkei. Der 25-Jährige hat sich in Qamishli den syrisch-christlichen Sicherheitskräften (Sutoro) angeschlossen, die das Zentrum der drei kurdisch-dominierten Kantone im Norden sichern wollen.

Joseph ist vor einem halben Jahr von einem mehrmonatigen Aufenthalt in Armenien und dem Libanon zurückgekehrt. Damals war er mit großen Erwartungen aus Syrien geflohen: "Ich habe mir Sorgen um die Lage gemacht, und ich wollte meine Ausbildung fortsetzen. Aus diesem Grund bin ich nach Armenien gegangen."

Aber das Leben in Armenien hat Harrod enttäuscht. Eigentlich wollte er aus der Ferne seine Familie in Syrien finanziell unterstützen, aber stattdessen musste sich der Arbeitslose Geld von ihr leihen. Schließlich fand er doch noch einen Job als Tellerwäscher in einem Café, aber der Lohn war so gering, dass er sich lediglich ein überfülltes Zweizimmer-Apartment leisten konnte - mit sieben weiteren Flüchtlingen aus Syrien. "Wir Syrer bekommen wirklich niedrige Löhne und nur Jobs, die keine besonderen Fähigkeiten oder hohe Ausbildung erfordern. Es gab kein herzliches Willkommen. Ich fühlte mich wie ein Fremder. Natürlich waren sie Armenier, aber ich bin syrischer Armenier und das macht einen großen Unterschied", sagt er.

Fremdes Heimatland

Weil es keine Perspektive für eine Ausbildung oder Beschäftigung für ihn gab, wollte Joseph über den Libanon zurück in seine Heimat Syrien. Im Libanon blieb der junge Mann noch acht Monate, weil Grenze und Reiseroute nicht mehr sicher waren. Als er nach 16 Monaten im Ausland in seine Heimatstadt zurückkehrte, erkannte Joseph Qamishli nicht mehr wieder. "In den ersten Tagen der Revolution gab es noch keine Checkpoints und keine politischen Parteien auf den Straßen", berichtet er. "Als ich zurückkam, war die Stadt völlig verändert und neu - sogar die Menschen haben sich verändert. So viele Leute haben die Stadt verlassen und so viele Flüchtlinge sind hier angekommen."

Harrod Joseph ist glücklich, endlich seine Familie unterstützen zu können, hofft aber, dass er seine Ausbildung eines Tages in Europa beenden kann. "Wenn ich die Stadt noch einmal verlasse, dann würde ich nicht alleine gehen, sondern meine Familie mitnehmen. Ich möchte nicht, dass sich die gleiche Geschichte noch einmal wiederholt."

"Zusammen kämpfen"

Viele Menschen in Nordsyrien kritisieren diejenigen, die sich entscheiden, nach Europa auszuwandern. Vor allem Kurden betonen, dass es ihre Pflicht sei, das Land und die Menschen vor den Angriffen des "Islamischen Staates" (IS) zu verteidigen. So sieht es auch Aboud von den syrisch-christlichen Sicherheitskräften, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. "Wir wollen die Migration der Assyrer (christliche Syrer) nach Europa stoppen", sagt er im DW-Gespräch: "Wir wollen jeden ermutigen, nach Hause zu kommen und zu kämpfen. Ethnische oder religiöse Abstammung sollte dabei keine Rolle spielen. Wir kämpfen diesen Krieg zusammen."

Drei kurdische YPG-Kämpfer lehnen zusammen an einer Hauswand und erholen sich von den Straßenkämpfen. Sie halten ihre Maschinengewehre in den Händen. (Foto: Reuters)
Viele Kurden im Nordosten Syriens kämpfen gegen den ISBild: Reuters/R. Said

George, ein Mann mit dickem grauen Schnurrbart und einem runden Bauch, gehört zu denen, die geflohen sind. Mit seiner Frau Jaqueline und vier Kindern verließ er Derike, eine kleine Stadt in der Provinz Hasaka. Zwar blieb die Stadt von den grausamsten Kriegsverbrechen verschont, doch die Familie hatte zu kämpfen: gegen Arbeitslosigkeit, steigende Nahrungsmittelpreise, Strom- und Wassermangel und ein allgemeines Gefühl der Instabilität.

Mit der Hoffnung auf bessere Perspektiven flüchtete die Familie in die Niederlande. George arbeitete als Landwirt. Er erntete Gurken und tat sein Bestes, um die neue Sprache zu lernen. Die Familie versuchte, von dem geringen Gehalt vernünftig zu leben. Zu sechst teilten sie sich ein Ein-Zimmer-Apartment, ein starker Kontrast zu ihrem bescheidenen Familienheim in Syrien. Sie sahen sich Diskriminierungen ausgesetzt. "Ich habe festgestellt, dass ich nur dort, wo ich herkomme, als Mensch behandelt und geschätzt werde", berichtet der Familienvater. Er sei dafür beschimpft worden, dass er Syrer ist. "Ich bin ein Christ. Heißt das nicht, dass ich auch in Holland Rechte habe?", fragt er. Nach zwei Jahren kehrte die Familie zurück nach Syrien.

"Der Tod lauert überall"

Zu den Rückkehrern in Derike gehört auch der 86-jährige armenische Priester Dajad Hagopian. Er trägt sein Priester-Gewand jeden Tag, auch wenn er nur einmal in der Woche einen Gottesdienst vor einer Handvoll Menschen in der Armenischen Orthodoxen Kirche leitet. 450 Armenier lebten hier einmal, aber davon sind nur noch 200 geblieben.

Dajad Hagopiansteht mit seinem geistlichen Gewand in einer orthodoxen Kirche in Syrien. (Foto:DW/Sophie Cousins)
Auch ein Rückkehrer: der Priester Dajad HagopianBild: DW/Sophie Cousins

Dajad selbst verließ Syrien, noch bevor der Krieg ausbrach, weil er bedrückt über die Notlage der Armenier war. Er lebte vier Jahre in Deutschland, dann kam er zurück: Er vermisste sein Heimatland. "Die Menschen fragen mich, wie Deutschland war und ich antworte ihnen: Mein Haus hatte vier Wände wie ihres", sagt er. Er fügt hinzu, er könne den Menschen nicht raten dazubleiben, wenn drei seiner Kinder sich gerade auf den Weg nach Europa gemacht haben. "Gott sagte, er gibt uns unser täglich Brot und wir bekommen es. Wir bekommen vielleicht nicht so viel, aber wir haben Früchte, Fleisch und Brot und das ist alles, was wir brauchen", sagt der Priester. "Die Leute glauben, dass der Tod nur in Syrien sei, aber er ist überall."