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Im Hungerstreik

1. April 2008

Die vor sechs Jahren in Kolumbien entführte Politikerin Ingrid Betancourt soll Nahrung und Medizin von ihren Geiselnehmern verweigern. Die Sorge um ihren Gesundheitszustand nimmt zu, doch die FARC macht wenig Hoffnung.

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Auf einem riesigen Plakat verkündet die französische Stadt Nizza ihre Unterstützung für Betancourt - die kolumbianische Politikerin hat auch einen französischen Pass (Foto: AP)
Auf einem Plakat verkündet die französische Stadt Nizza ihre Unterstützung für Betancourt - die kolumbianische Politikerin hat auch einen französischen PassBild: AP

Vor einer möglichen Freilassung der verschleppten kolumbianischen Politikerin Ingrid Betancourt ist die Sorge um ihren Gesundheitszustand gewachsen. Die 46-Jährige sei am Leben, lehne aber die von ihren Entführern angebotene Nahrung und Medizin ab, berichtete der kolumbianische Radiosender Caracol am Montag (31.3.2008) unter Berufung auf einen Bericht des Militärgeheimdiensts. Demnach bräuchte die frühere Präsidentschaftskandidatin der Grünen dringend eine Bluttransfusion. Betancourts Ehemann Juan Lecompte warf dem kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe das Scheitern der Verhandlungen zur Freilassung seiner Frau vor.

"Sehr traurig und lebensmüde"

Solidarität für Betancourt auch auf den Straßen von Kolumbien: Ein Mann mit einem Plakat der verschleppten Frau (Foto: AP)
Solidarität für Betancourt auch auf den Straßen von KolumbienBild: AP

Ein Bauer aus der Ortschaft El Retorno, einer 450 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Bogotá gelegenen Hochburg der Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC), gab an, Betancourt am 23. März gesehen zu haben. Er habe ihre Hand berührt und versucht sie zu trösten, da sie sehr traurig gewesen sei und lebensmüde gewirkt habe, berichtete ein Einwohner von El Retorno unter Berufung auf den Mann.

Nach Angaben des Pfarrers der nahe von El Retorno gelegenen Gemeinde La Libertad, Manuel Mancera, brachten Guerilleros in Zivil Betancourt im Februar zur medizinischen Behandlung in mindestens drei Gesundheitszentren der Region. Diese Version wurde vom kolumbianische Vermittler Volmar Pérez bestätigt, nach dessen Worten Betancourt mittlerweile aussieht wie ein "afrikanisches Hungerkind". Die bekannteste unter den hunderten Geiseln der FARC-Guerilla soll an Hepatitis B sowie an einer durch Insektenstiche hervorgerufenen Hautinfektion leiden.

Brasilien und Lula sollen helfen

Das bisher letzte veröffentlichte Foto der Geisel stammt von Ende November 2007 (Foto: AP)
Das bisher letzte veröffentlichte Foto der Geisel stammt von Ende November 2007Bild: AP

Betancourts Mann, der Grünen-Politiker und Publizist Lecompte, sagte während eines Aufenthalts in Brasilien, Präsident Uribe habe mit dem Angriff der kolumbianischen Armee auf ecuadorianischem Staatsgebiet im März und der dabei erfolgten Tötung des FARC-Führers Raúl Reyes, die Nummer Zwei der Guerilla, den Bemühungen um die Freilassung seiner Frau einen schweren Rückschlag versetzt.

In einer Talkshow des brasilianischen Fernsehsenders "Globo" forderte Lecompte Brasiliens Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva auf, Uribe dazu zu bewegen, mehr für Betancourts Freilassung zu unternehmen. Allerdings sei Uribe nicht daran interessiert. Denn Betancourt sei in Kolumbien die einzige, die ihn bei Wahlen schlagen könnte, fügte er unter Berufung auf jüngste Meinungsumfragen hinzu.

"Einer Freilassung heute näher als früher"

Zum Schicksal seiner verschleppten Ehefrau äußerte sich Lecompte dennoch optimistisch. "Wir sind heute der Freilassung näher als früher", sagte er. Auch die Tatsache, dass die Guerilla im Januar bereits sechs andere Geiseln freiließ, sei ein Hoffnungsschimmer.

FARC-Rebellen machen Hoffnungen zunichte

Nach Angaben der FARC sollen die Bemühungen um eine Freilassung Betancourts durch den kolumbianischen Angriff auf ein Rebellenlager in Ecuador einen schweren Rückschlag erlitten haben. Nach dem Angriff sei klar, dass es zu keinen Gesprächen darüber mit einer französischen Delegation kommen werde, erklärte Ivan Marquez, einer von sieben FARC-Führern. Ein entsprechendes Schreiben Marquez' wurde am Montag von der venezolanischen Nachrichtenagentur Bolivarian veröffentlicht.

Ingrid Betancourt im März 2001 (Foto: AP)
Ingrid Betancourt im März 2001Bild: AP

Die französische Regierung hatte am Freitag ein mit medizinischer Ausrüstung ausgestattetes Militärflugzeug nach Französisch-Guayana geschickt, um Betancourt bei einer Freilassung schnell Hilfe zukommen lassen zu können. Laut dem Präsidialamt in Paris könnte jederzeit erneut ein Lazarettflugzeug starten, wenn es Anzeichen für eine Freilassung gebe. Betancourt, die neben der kolumbianischen auch die französische Staatsangehörigkeit besitzt, war Ende Februar 2002 während ihres Wahlkampfs verschleppt worden.

Frankreich soll sich nicht nur um Betancourt bemühen

Die Kolumbianische Bischofskonferenz hat Frankreich ermahnt, seine Vermittlungsbemühungen im Geiselkonflikt nicht nur auf Ingrid Betancourt zu beschränken. Generalsekretär Fabian Marulanda erklärte dem Radiosender Caracol in Bogota, die Kirche begrüße zwar ausdrücklich das französische Engagement; es sei aber "in gewisser Weiser unmenschlich, all diese Anstrengungen nur für eine Person zu unternehmen, während es gleichzeitig viele andere gibt, die die gleiche unmenschliche und schmerzvolle Situation erleiden müssen". Nach Angaben von Menschrechtsorganisationen hat die FARC etwa 800 Menschen in ihrer Gewalt, um mit ihnen Lösegeld zu erpressen oder politischen Druck auszuüben. Betancourt gilt als "wertvollstes Faustpfand" der Rebellen. (kap)