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Energiewende als Beruf

6. November 2016

Der Ausstieg aus der Atomkraft ist beschlossen, die Abkehr von der Kohle eine Frage der Zeit. Viele Jobs werden wegfallen, Berufe aussterben. Gleichzeitig wirkt die Energiewende als Jobmotor für neue Tätigkeitsfelder.

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Nordex Windenergie
Bild: Nordex

"Reisefreudiger Naturwissenschaftler mit Sprachbegabung, teamfähig, verantwortungsbewusst, sucht Herausforderung in der Industrie." - So könnte ein Stellengesuch von Sebastian Held lauten. Momentan forscht der Doktorand für Geowissenschaften auch bei Feldversuchen in der Abgeschiedenheit Chiles. In der zerklüfteten vulkanischen Berglandschaft, wohin es wohl nur Abenteurer zum Individualurlaub verschlägt, untersucht der 30-Jährige die Wechselwirkungen von Gestein und Wasser für Heißwassersysteme: "Wie lassen sich durch heißes Wasser Wärme und Strom erzeugen?", so heißt Helds Fragestellung.Er spricht Spanisch, die Artikel über seine Erkenntnisse verfasst er nach seiner Rückkehr im Karlsruher Institut für Technologie in Englisch. Bei seiner Arbeit berechnet er die Wirtschaftlichkeit der Energieerzeugung durch heißes Wasser. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für den Bau geothermischer Kraftwerke. Die produzieren Wärme und Energie, wenn Photovoltaikanlagen keinen Strom liefern, weil die Sonne nicht scheint. Mit seinen Kollegen arbeitet Sebastian Held an einer sauberen Energieversorgung.

Sebastian Held mit Arbeitsgerät in chilenischer Vulkanlandschaft
Kein Abenteuerurlaub! Sebastian Held forscht in den Bergen Chiles Bild: WILA Bonn/Energiewende-schaffen.de

Steffen Pals wollte einen zukunftssicheren und sinnvollen Job. Der Mechatroniker machte sein Fachabitur in Metalltechnik und Systemautomatisierungstechnik. Für seine Arbeit in großer Höhe muss er schwindelfrei sein, denn er wartet und repariert Photovoltaikanlagen auf Dächern. Nicht nur lokal, sondern deutschlandweit. Dafür ist der 24-Jährige mehrere Wochen im Jahr im ganzen Land unterwegs.

Der Netzplaner Martin Lips schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Energie von der Produktionsstätte in die Stromsteckdose und die Heizkörper des Verbrauchers gelangt. Dafür muss der Strom von Windparks in Norddeutschland über Hochspannungsleitungen oder Erdkabel bis in den Süden des Landes transportiert werden. Bei der Bundesnetzagentur plant der Ingenieur für Elektrotechnik sogenannte Netzautobahnen und Standorte für Energiespeicher sowie Transformatorstationen, die die Spannung des Stroms reduzieren, bevor dieser in Wohnungen geleitet wird. Dabei muss Lips immer die Kosten kalkulieren und deren Einhaltung kontrollieren.

Melanie Konrad arbeitet unter freiem Himmel an einem Laptop
Der richtige Ort für einen Windpark? Melanie Konrad prüft mögliche StandorteBild: WILA Bonn/Energiewende-schaffen.de

Melanie Konrad hat ein Masterstudium in Energietechnik mit der Fachrichtung "Erneuerbare Energien" absolviert und in China bei einem Hersteller für Windenergieanlagen gearbeitet. Eines ihrer Tätigkeitsfelder ist die Feststellung der Rentabilität von Windparks, denn deren Bau ist nicht überall sinnvoll. Es müssen Standorte gesucht werden, an denen die Rotoren Menschen nicht stören, Tiere nicht gefährden und am effektivsten Strom oder Wärme produzieren. Anhand von Programmen berechnet Konrad Windgeschwindigkeiten vor Ort. Sie prüft Gutachten ihrer Kollegen, konzipiert Windparks, besucht Energiemessen. "Mir gefällt das analytische Arbeiten. Man lernt täglich etwas Neues hinzu", sagt Melanie Konrad. 

Gute Planung vermindert den Energieverbrauch

Ähnlich sieht es Bauingenieurin Petra Losemann. Und auch ihr Job als Energieberaterin verlangt das jeweils passende Outfit für Baustelle und Büro. Drinnen fertigt sie Wärmeschutznachweise an. Die verlangen die Behörden für die Genehmigung von Neubauten. Zusammen mit dem Bauantrag sind die Daten vor dem ersten Spatenstich beim Bauamt einzureichen. Später prüft Losemann auf der Baustelle, ob auch die Dämmstoffe verwendet werden, die vorher angegeben wurden. Mit dem Zollstock misst sie die Dicke des Materials und kontrolliert die korrekte Verarbeitung. Fehler könnten später zu Schimmelbildung führen, die Bausubstanz schädigen und das Wohnklima erheblich beeinträchtigen. Ein optimal gedämmtes Haus dagegen hilft, Energie und Schadstoffe zu sparen, die beim Heizen mit Gas, Öl, Kohle oder Holz freigesetzt werden. 

Petra Losemann mit Helm auf einer Baustelle
Energieberaterin Petra Losemann prüft auf der Baustelle die Einhaltung der Dämmvorgaben Bild: WILA Bonn/Energiewende-schaffen.de

In vielen Kommunen arbeiten Klimaschutzmanager. Sie informieren die Bürger über lokale Energiesparmaßnahmen und bieten individuelle Beratung an. Denn ohne die Einsicht und Mitwirkung des Einzelnen lässt sich die Energiewende nicht durchsetzen. Doch auch die Landwirtschaft und die Autoindustrie bieten neue Arbeitsfelder im Zeichen der Energiewende. Methan-Emissionen aus der Tierhaltung, Überdüngung der Böden durch Stickstoff, Gülle und Festmist machen mehr als sieben Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland aus. Schon vor dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima und dem damit verbundenen Atomausstieg hatte Deutschland damit begonnen, die Energieversorgung umzustellen: von den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Erdöl, die bei der Verbrennung immens viel klimaschädliches CO2 freisetzen, hin zu erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind, Wasser und Biogas.

Arbeiter an einer Biogasanlage
Macht aus Exkrementen Energie: Biogasanlage Bild: picture-alliance/ZB

Wie die Agrarwirtschaft befindet sich auch die Autoindustrie im Umbruch, und mit dem Ausbau der Elektromobilität wird der Mechatroniker den Mechaniker ersetzen. Die Fachkräfte der Zukunft reparieren E-Autos und Hybrid-Fahrzeuge. Statt mit Schrauben müssen sie mit Steckern und dem PC umgehen können.

Für die Umgestaltung des Energiesektors werden Techniker, Ingenieure, Naturwissenschaftler und Kaufleute gebraucht. Sie arbeiten in der Forschung, bei Behörden, Ingenieurbüros, Handwerksbetrieben, Stadtwerken und Serviceunternehmen. Die Initiative Energiewende-schaffen gibt einen Überblick über Ausbildung und Studienfächer für Berufe im Zeichen von Klimawandel und Umweltschutz. Das Internet-Portal der Organisation WILA (Wissenschaftsladen) Bonn wird laufend mit Texten, Fotos und Videos aktualisiert.