Endlich wieder Wasser
20. November 2013Benzin ist nachgefüllt. Der Ölstand ist gecheckt. Und die Batterie ist nagelneu. Trotzdem will der Generator nicht anspringen. Sven Guericke schraubt noch einmal an der Sicherung. Beim nächsten Anlauf beginnt das Gerät schließlich gleichmäßig zu tuckern. Erleichtert schaut Sven Guericke hoch zum Wasserturm der Station "Dawasco I" in Daanbantayan auf den Philippinen. Mithilfe des Generators kann die Pumpe nun den Turm füllen und die Menschen in der Region haben wieder Trinkwasser. "Der Generator war das einzige Problem", erklärt Guericke. Die Zerstörung in diesem Teil der Insel Cebu sei zwar sehr stark, aber das Trinkwassersystem sei nicht zusammengebrochen.
Guericke ist Helfer beim THW, dem Technischen Hilfswerk aus Deutschland, und auf Erkundungstour im Katastrophengebiet. Er und seine zehn Kollegen haben sogenannte Wasseraufbereitungsanlagen im Gepäck: 20 Tonnen an Becken, Rohren, Pumpen und Filtern. Mit ihnen können sie pro Stunde 12.000 Liter verunreinigtes Wasser in Trinkwasser verwandeln. "So eine Anlage baut man natürlich nicht in jedem Dorf auf", erklärt Guericke. Man wolle möglichst viele Menschen erreichen. "Und da ist es uns wichtig, zunächst eine vernünftige Erkundung durchzuführen, um den richtigen Platz zu finden."
Erst mal Erkunden
Deshalb sind neben Guericke drei weitere Teams im Katastrophengebiet zur Erkundung unterwegs. Von der Insel Bantayan meldet sich sein Kollege Michael Deininger per Handy. Sein Erkundungstrupp dort hat festgestellt, dass die Menschen im Ort Santa Fe dringend Trinkwasser benötigen. Durch den Sturm Haiyan ist das Wassernetz zusammengebrochen und im unterirdischen Wasserbrunnen der Stadt haben sich schon Keime entwickelt.
Am selben Nachmittag setzen die technischen Helfer deshalb mit drei Lastwagen auf einer Fähre nach Bantayan über. Nicht nur dort, in vielen Gebieten, über denen der Sturm getobt hat, brauchen die Menschen dringend sauberes Trinkwasser. Umgestürzte Bäume haben in vielen Orten die Wasserleitungen zerstört.
Zu wenig, zu schmutzig
Leonora Ardapat ist 64 Jahre alt und Haiyan ist der schlimmste Taifun, den sie je erlebt hat, sagt sie. Sie ist Lehrerin der örtlichen Schule und steht gemeinsam mit drei ihrer Schulkinder an einer Handpumpe. Sie holen Wasser aus einem alten Brunnen, den die Leute schon fast vergessen hatten.
"Aus allen Orten hier in der Gegend müssen wir jetzt kommen und Wasser aus diesem Brunnen pumpen", sagt sie und zeigt nach Norden, Süden, Westen, Osten. "Wir kriegen Durchfall davon und ich weiß nicht, ob das Wasser für die kleinen Kinder gefährlich ist."
Aus diesem Grund ist fast der gesamte Eingangsbereich im Rathaus der Stadt Santa Fe mit Wasserflaschen vollgestellt. Die Beamten der Stadt laufen im Slalom über die Flure. Hilfsorganisationen haben das Wasser auf die Insel gebracht, doch es reicht bei weitem nicht, um alle Einwohner zu versorgen. Bürgermeister Jose Esgana setzt deshalb auf die Unterstützung des technischen Hilfswerks. "Wir brauchen wirklich dringend Trinkwasser", erklärt Bürgermeister Jose Esgana. "Deshalb danke ich Gott, dass die technischen Helfer hierher gekommen sind. Das bedeutet uns wirklich viel."
Verbindung herstellen
Doch die müssen erst einmal ihre Anlage aufbauen. Nachdem der Platz hinter dem Rathaus von umgestürzten Bäumen befreit ist, stellen Sven Guericke und sein Team unter sengender Sonne vier sogenannte Rohwasserbehälter auf. In sie soll das verunreinigte Wasser aus dem örtlichen Brunnen geleitet werden. Zunächst passen die Wasserrohre der Helfer nicht auf die Schläuche, die vom Brunnen kommen. Doch ein Verbindungsstück wird per Fähre besorgt und so fließt am nächsten Tag endlich Wasser in die Behälter.
Michael Deininger, der eigentlich ein Wasserwerk am Ammersee in Bayern leitet und wie alle THW-Helfer ehrenamtlich mitarbeitet, schöpft mit einer Plastikkanne eine erste Probe, um den Salzgehalt festzustellen. Alles im grünen Bereich. Mit einem eigenen Labor kann das THW das Wasser noch genauer untersuchen. Dann kann die Reinigung beginnen. Zunächst setzt sich grober Schmutz unten in den Wasserbehältern ab, das Wasser wird von oben abgepumpt, mit Kieselsteinen und Aktivkohle weiter gereinigt und schließlich noch mit Chlor desinfiziert.
Lebensmittel aus blauen Blasen
Das nun trinkbare Wasser fließt in Wasserblasen, große blaue Ballons, in denen jeweils 10.000 Liter gelagert werden können. Umsonst wird dieses Wasser an die Menschen der Region ausgegeben, so haben es die THW-Helfer mit dem Bürgermeister vereinbart.
Michael Deininger wischt sich zufrieden den Schweiß von der Stirn. "Das ist schon ein sehr gutes Gefühl, seine Berufserfahrung hier einzubringen und einfach zu sehen, man macht hier etwas sehr sehr Sinnvolles", sagt er der DW. In Deutschland sei der Umgang mit Kunden, die an hohe Standards gewöhnt seien, manchmal schwierig. Ganz anders hier, wo die Dankbarkeit der Menschen direkt zu spüren sei. "Und da ist es eine tolle Sache, hier zu sein und die Leute mit dem wichtigsten Lebensmittel überhaupt, mit Trinkwasser, zu versorgen."
Schon wenige Stunden später können die Einwohner Santa Fes am Rathaus ihre Wasserkanister füllen. Und weitere Helfer des THW sind zur gleichen Zeit bereits auf Erkundungstour auf der Insel, um einen Standort für eine zweite Anlage zur Trinkwasseraufbereitung zu finden.