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Radsport-Krimi

24. Juli 2011

Nach Jahren des Verdrusses über Dopingfälle hat die Tour de France endlich wieder Werbung für den Radsport gemacht, findet DW-Sportredakteur Stefan Nestler. Auch wenn Zweifel bleiben.

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Themenbild Kommentar. Grafik: DWD
Bild: DW

Man traut sich ja kaum noch, es öffentlich zu sagen: Aber diese Tour de France 2011 hat wirklich Spaß gemacht. Der Dopingfall des Russen Alexander Kolobnew blieb ein Einzelfall, bisher jedenfalls. Stattdessen gab es Spannung pur. Die erste Phase der Rundfahrt war noch von einem nervösen Renngeschehen geprägt. Es gab viele Stürze. Unrühmlicher Höhepunkt war die neunte Etappe, die mehrere Fahrer mit Knochenbrüchen bezahlten. Die Organisatoren müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, bei ihrer Streckenwahl teilweise die Sicherheit der Fahrer zugunsten des Spektakels geopfert zu haben.

Wie Menschen, nicht wie Maschinen

Porträt Stefan Nestler. Foto: DW/Per Henriksen
Stefan Nestler, Deutsche Welle-SportredaktionBild: DW

Als es in die Pyrenäen ging, entwickelte sich die Tour langsam, aber sicher zu einem echten Krimi. Die Sieger der Bergetappen wechselten täglich. Der Franzose Thomas Voeckler verteidigte tapfer das Gelbe Trikot des Spitzenreiters der Gesamtwertung. In seinem Schatten taktierten die Tour-Favoriten, ohne dass sich einer von ihnen einen entscheidenden Vorteil verschaffen konnte. Ob Andy oder Frank Schleck, Vorjahressieger Alberto Contador oder Cadel Evans, alle hatten gute und weniger gute Tage. Keine "Überflieger" wie in früheren Jahren, niemand, der, scheinbar ohne sich verausgaben zu müssen, die Berge hinaufraste. Stattdessen quälten sich die Radprofis, und wir konnten es in ihren Gesichtern lesen. Die Sportler wirkten endlich wieder wie Menschen, nicht wie Maschinen.

Kein Bedauern über Contadors Niederlage

Daran änderte sich auch beim dramatischen Finale in den Alpen nichts. Kaum jemand dürfte bedauert haben, dass Alberto Contador dort seine Chancen auf den Gesamtsieg verspielte. Ein neuerlicher Triumph des dreimaligen Gewinners hätte dem Radsport und der Tour de France geschadet. Allgemein wird erwartet, dass der Spanier nach der Tour vom Internationalen Sportgerichtshofs wegen Dopings bei der Frankreich-Rundfahrt 2010 verurteilt wird. In diesem Fall würden ihm alle seitdem gewonnenen Titel aberkannt.

Schwärmen unter Vorbehalt

Vor dem Start der vorletzten Etappe lagen die ersten drei der Gesamtwertung innerhalb einer Minute zusammen: Andy vor Frank Schleck, Evans auf Rang drei. Das Einzelzeitfahren in Grenoble geriet zum Showdown. Mit Cadel Evans setzte sich ein Sympathieträger durch - einer, dem man den Gesamtsieg im Herbst seiner Karriere von ganzem Herzen gönnt. Der 34 Jahre alte, zurückhaltende Australier galt schließlich lange als Pechvogel und "ewiger Zweiter".

Die Vergangenheit hat uns jedoch gelehrt, dass die Euphorie voreilig sein könnte. Erst wenn die letzten Dopingproben ausgewertet sind, können wir von der spannendsten Tour de France seit Jahren schwärmen.

Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Calle Kops