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Ende des Börsenmagiers?

Johannes Beck17. August 2002

Würde die US-Notenbank die Leitzinsen senken oder nicht? Diese Frage hielt die Börsianer Anfang der Woche gebannt in Atem. Außerdem überraschend: die Art und Weise der Neuordnung im deutschen Aktienindex.

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Alan Greenspan kann es derzeit keinem recht machenBild: AP

Würde es die Fed auf der Sitzung des Offenmarktausschusses wagen, den Zinssatz fürs Tagesgeld erneut zu drücken, obwohl dieser mit 1,75 Prozent bereits auf dem niedrigsten Niveau seit 40 Jahren lag?

Für eine Zinssenkung am Dienstag (13. August 2002) sprach die schwächelnde US-Konjunktur. Das Risiko einer so genannten "double-dip"-Rezession ist gestiegen, sprich zweier Rezessionen, die nur von einer kurzen Aufschwungphase getrennt werden. Schwaches Verbrauchervertrauen und eine sich von Argentinien auf die Nachbarländer ausbreitende Finanzkrise lassen wenig Gutes erwarten. Befürworter einer Zinssenkung verwiesen auch auf die sinkenden Aktienkurse. Diese ließen immer mehr Amerikaner beim Konsum zurückhaltender werden.

Dagegen sprach, dass die Federal Reserve jahrelang weitgehend untätig dem Auf und Ab an den Börsen zugesehen hat. Zu spät hatte die Fed beispielsweise die sich aufblasende Spekulationsblase mit höheren Zinsen bekämpft. Und dies obwohl Alan Greenspan bereits 1996 vor Übertreibungen am Aktienmarkt gewarnt hatte. Warum sollte sie dann ausgerechnet jetzt energisch gegen fallende Kurse vorgehen?

Außerdem ist überhaupt nicht klar, bei welchem Kursniveau Aktien fair bewertet sind. Bei einem derzeitigen Kurs-Gewinn-Verhältnis im breiten, 500 Aktien umfassenden Standard and Poor's-Index (kurz S&P500) von knapp 18 könnte man auch den Eindruck haben, dass die Aktien noch zu wenig gefallen sind. Historisch gesehen sind Werte um 15 normal. Ähnliches gilt für den DAX, der auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis für das laufende Jahr von immerhin noch 20 kommt.

Gegen eine Zinssenkung sprach ebenfalls, dass die US-Notenbank befürchten musste, in eine so genannte Liquiditätsfalle zu geraten. Diese droht bei sehr niedrigen Zinsen. Wenn die Zentralbank dann die Zinsen immer weiter senkt, riskiert sie, dass die Anleger darauf nicht mit einer erhöhten Geldnachfrage reagieren. Soll heißen, die Zentralbank hat die Zinsen schon so weit gesenkt, dass sie sprichwörtlich "ihre Munition verschossen" hat.

Davon kann die japanische Zentralbank ein Lied singen. Sie verfolgt seit Jahren eine extreme Niedrigzinspolitik, ohne dadurch das Wachstum in Schwung gebracht zu haben. Dagegen, dass die Fed nach den elf Zinssenkungen seit dem 3. Januar 2001 um insgesamt 4,75 Prozentpunkte nachlegt, sprach auch, dass man dies als Panikreaktion verstehen hätte können. "Da muss es der Konjunktur ja wirklich dreckig gehen, wenn so etwas nötig ist", wäre der Gedankengang gewesen. Da konnte die Entscheidung nicht überraschen, dass es erst einmal beim Alten, sprich bei 1,75 Zins für das Tagesgeld, bleibt.

Dennoch, der Börse kann es Alan Greenspan derzeit nicht recht machen. Die Kurse sanken, obwohl kaum ein Volkswirt mit einer Senkung gerechnet hatte. Ursache war, dass die Fed ihren Ausblick auf "easing", also auf eine Lockerung der geldpolitischen Zügel und eine bald mögliche Zinssenkung, geändert hat. Begründung von Greenspan und Co.: Konjunkturrisiken.

Bleibende Schäden hinterließ dies aber nicht: Alles in allem landeten die Kurse von DAX und NEMAX am Wochenende aber fast punktgenau wieder da, wo sie sieben Tage zuvor gestanden hatten. Überrascht hat dagegen die Neuordnung im DAX ab dem 23. September, die in dieser Woche bekannt gegeben wurde: Dabei muss der Spezialchemiehersteller Degussa seinen Platz im deutschen Börsenolymp räumen. Mit dem Chemie- und Pharmakonzern Altana rückt ein Unternehmen aus der gleichen Branche nach. Das war keine Überraschung, denn Altana erreicht seit längerem die erforderlichen Werte bei Marktkapitalisierung und Börsenumsatz - die beiden Kriterien für die DAX-Mitgliedschaft.

Analysten hatten eher Epcos oder MLP als Top-Kandidaten für einen Abstieg aus der ersten Börsenliga gesehen. Die Entscheidung gegen Degussa begründete die Deutsche Börse damit, dass das Unternehmen mit der geplanten Übernahme durch den Kohlekonzern RAG einen zu geringen Streubesitz habe. Derzeit beträgt er nur noch 24 Prozent. Ansonsten hätte Degussa die Bedingungen für einen Verbleib im DAX erfüllt.

Sollte der Energiekonzern E.on, der bisherige Besitzer von Degussa, seine Ankündigung wahr machen und einen Teil seiner Aktien an die Börse bringen, könnte Degussa in ein oder zwei Jahren in den DAX zurückkehren. Für MLP und Epcos bedeutet die Entscheidung nur ein kurzes Aufatmen, denn in Zukunft will die Deutsche Börse die DAX-Zusammensetzung häufiger auch außerhalb des jährlichen Routinetermins im Sommer überprüfen.

Demnach kann ein Unternehmen aus dem DAX genommen werden, wenn es bei Marktkapitalisierung oder Börsenumsatz nicht mehr zu den 45 größten Unternehmen zählt. Mit Rang 39 bei der Marktkapitalisierung, also dem gesamten Wert des Unternehmens an der Börse, lag Epcos Ende Juli gefährlich nahe an der Grenze. Wenn sich der Kurssturz der vergangenen Woche bei MLP wiederholen würde, müsste wohl auch dieser Finanzdienstleister aus der ersten Börsenliga absteigen.

Potentielle Nachrücker wären der Kosmetik- und Gesundheitskonzern Beiersdorf und die Deutsche Börse selbst. Beim Umsatz lagen die Unternehmen Ende Juli auf Platz 33 bzw. 34, bei der Marktkapitalisierung auf Rang 28 bzw. 24. Also haben beide Werte eigentlich bereits die Kriterien für den DAX erfüllt, bei denen es gilt in beiden Bereichen unter den ersten 35 zu liegen. Die Börse bleibt spannend.