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Ehrung durch Oratorium für elfjährige katholische Märtyrerin

Cathrine Hickley ad
14. August 2017

Die erst elfjährige Brigitte Irrgang wurde 1954 brutal ermordet. Später wurde sie zur katholischen Märtyrerin erklärt. Mehr als 60 Jahre nach ihrem Tod soll ein neues, mehrsprachiges Oratorium an sie erinnern.

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Portrait Brigitte Irrgang
Bild: Brigitte-Irrgang-Freundeskreis e.V.

Die kleine Brigitte Irrgang war erst elf Jahre alt, als sie vor über 60 Jahren von einem Sexualtäter brutal ermordet wurde. Nach ihrem Tod wurde eine Kapelle und ein Denkmal zu ihren Ehren errichtet - und Papst Johannes Paul II. erklärte sie zur katholischen Märtyrerin. Nun kommt ihr erneut eine besondere Ehrung zu - in Form eines neuen Oratoriums, das die Erinnerung an ihr kurzes Leben und sein tragisches Ende aufrecht erhalten soll. Am vergangenen Wochenende wurde "Brigitte. Musikalisches Leuchten" in Loitz, Brigittes hauptsächlichem Wohnort in Mecklenburg-Vorpommern, uraufgeführt. Weitere Vorführungen haben in Greifswald und Berlin stattgefunden.

Die ursprüngliche Idee dazu entstand vor fünf Jahren, erklärte Brigittes jüngerer Bruder Peter Irrgang, ein katholischer Priester. Das Leben seiner Schwester sei ein sehr komplexes Thema, das durch Kunst besser kommuniziert werden könne als durch einen Text. In der Dunkelheit sei auch viel Licht. Seine Schwester sei sehr lebensfroh gewesen, sagte er gegenüber einer kleinen Kirchengemeinde, die sich zur dritten Aufführung in der Berliner Matthiaskirche versammelt hatte.

Das von Nikolaus Schapfl komponierte Oratorium wurde vom Brigitte-Irrgang-Freundeskreis in Auftrag gegeben. Das Stück besteht aus sieben Szenen, die die sieben Lampen der Apokalypse symbolisieren sollen. Der moderne klassische Stil enthält Elemente von Volksmusik und Kirchenmusik. Der preisgekrönte tschechische Chor Permonik sang auf Latein, Deutsch, Tschechisch und Slowakisch.

Brigittes Familie wurde nach Kriegsende vertrieben

Oratorium zur Ehrung von Brigitte Irrgang
Das Oratorium wird in vier Sprachen gesungenBild: Foto Daus

Brigitte Irrgang wurde 1943 als fünftes von insgesamt sechs Kindern - und als einziges Mädchen - in Krickerhau in einer ehemals deutschsprachigen Region in der Slowakei geboren. Ihre Eltern waren beide Lehrer und strenggläubige Katholiken. Nach Kriegsende wurden ethnische Deutsche in einigen Regionen Osteuropas Opfer von Gewalt. Obwohl Brigittes Familie seit Jahrhunderten in der Region ansässig war, wurden ihre Eltern 1946 nach Loitz in der Nähe von Greifswald im heutigen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern vertrieben. Da Brigittes Vater Schuldirektor wurde, lebte die Familie auf dem Schulgelände. Der anti-religiösen Politik in der damaligen DDR zum Trotz praktizierte die Familie weiterhin ihren katholischen Glauben. Aufgrund ihres fröhlichen und freundlichen Wesens wurde Brigitte "der Sonnenschein von Loitz" genannt. Ihre Lehrer berichteten, sie habe alles Gute und Schöne geliebt und sei stets bereit gewesen, anderen zu helfen. Ihr Bruder Peter ergänzt allerdings, Brigitte sei nicht immer nur brav, sondern durchaus auch mal angriffslustig gewesen. Sie habe auch mit den Jungs Fußball gespielt.

Brutale Ermordung

Zwei Wochen vor ihrer anstehenden Firmung - Brigitte hatte sich Maria Goretti als ihre Patronin auserkoren, die 1950 als jugendliche Märtyrerin kanonisiert wurde - verließ sie eines Abends das Haus, um Mehl, Butter und Zucker für ihre Mutter einzukaufen. Auf dem Rückweg wurde sie von einem Sexualtäter überfallen. Obwohl sie sich nach Kräften wehrte, wurde sie wenige Meter von ihrem Zuhause entfernt erwürgt - ihr Mörder wurde umgehend festgenommen. Die Einwohner von Loitz waren sehr betroffen. Wegen ihrer Reife, Klugheit, Wärme und Religiösität war Brigitte äußerst beliebt und wurde bewundert.

Der Priester von Loitz schrieb 1955 einen detaillierten Bericht über Brigittes tragisches Schicksal. Darin beschrieb er Brigitte als eine jugendliche Märtyrerin und verglich sie mit ihrer selbstgewählten Patronin, der Heiligen Maria Goretti, die ja ein ähnliches Schicksal erlitten hatte. Obwohl das DDR-Regime die Errichtung neuer Kirchen strikt untersagte, wurde die Erbauung der Maria-Goretti-Kapelle im Gedenken an Brigitte Irrgang in Loitz gestattet.

Brigittes Familie flüchtete zum zweiten Mal

Auch nachdem ihre Familie 1958 in den Westen geflüchtet war, verehrten die Einwohner von Loitz das Grab von Brigitte Irrgang. Die Erinnerung an sie wurde aufrecht erhalten. Papst Johannes Paul II. fügte 1999 ihren Namen dem Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts hinzu - mit dem Eintrag "Martyrium Puritatis" ("Reinheitsmartyrium"). 

Oratorium zur Ehrung von Brigitte Irrgang
Der preisgekrönte tschechische Permonik Chor am WerkBild: Foto Daus

An ihrem 50. Todestag wurde in Loitz ein eindrucksvolles Denkmal für Brigitte errichtet: Eine zur Sonne hin abgeschnittene Granitkugel mit einer daraus erwachsenden Glaskugel auf dem Grund eines rot gepflasterten Kreuzes soll den Glanz dieses jungen Mädchens widerspiegeln, deren Leben aus katholischer Sicht als vollendet gilt. Das Denkmal soll den Blick des Betrachters vom Unvollendeten zum Vollendeten lenken. Dafür steht der in die Glaskugel eingravierte Diamant.

Schließlich wurde 2011 der Brigitte-Irrgang-Freundeskreis gegründet, der es sich zum Ziel setzt, das Gedenken an das Mädchen am Leben zu erhalten. Der Verein finanzierte jetzt auch das Oratorium von Nikolaus Schapfl, der durch seine Oper "Der Kleine Prinz" berühmt wurde. Obwohl das Thema eine gewisse Schwermütigkeit der Musik erwarten lassen könnte, drückt das Stück Freude und Humor aus. In einer Szene singt die kleine Brigitte ein recht boshaftes Hexenlied, und in einer anderen kichert sie mit ihren Schulfreunden herum.

Wohin geht die Reise?

Das Oratorium ist sehr vielseitig, und setzt abwechselnd Solisten und den Chor in verschiedenen Konstellationen ein. Der nur von einem elektronischen Keyboard begleitete Permonik-Chor belebt die Aufführung mit schauspielerischen Elementen und einer gelungenen Choreographie.

Laut Peter Irrgang wurden die ersten drei Aufführungen des Oratoriums vom Brigitte-Irrgang-Freundeskreis gesponsert. Für weitere Aufführungen sind nun aber andere Finanzierungsquellen gefragt. Aus München ist wohl schon Interesse angemeldet worden. So besteht die Hoffnung, dass die ersten drei Aufführungen des Oratoriums nicht die einzigen bleiben werden.