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"El-Kaida hasst alle"

Constantin Schreiber und Hebatallah Hafez Ismail19. Juli 2006

Viele Menschen in der arabischen Welt lehnen den Terror El-Kaidas ab. Aber mit Sorge verfolgen sie, wie die ungelösten Probleme im Nahen Osten den Extremisten die Menschen in die Arme treiben.

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Muslimin in der Metro in KairoBild: Rama el Nemr

Viele Menschen in der arabischen Welt lehnen den Terror El-Kaidas ab. Aber mit Sorge verfolgen sie, wie die ungelösten Probleme im Nahen Osten den Extremisten die Menschen in die Arme treiben.

Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gingen Bilder um die Welt aus Palästina. Eine Frau war zu sehen, mit dicken Brillengläsern und einem grau-blauen Kopftuch, wie sie tanzend und jubelnd auf der Straße stand. Um sie herum fuhren hupende Wagenkolonnen. Sie freuten sich, der Eindruck wurde erweckt, über die Selbstmordattentate. Der Eindruck, so viel wurde später klar, war falsch, die Bilder aus einem anderen Kontext gerissen. Die Affäre um die getürkten Szenen macht aber klar, welches Bild viele Menschen im Westen haben: dass El-Kaida auf einen breiten Zuspruch in der arabischen Welt bauen kann.

Attentate gegen alles und jeden

Doch dagegen wehrt sich die ganz überwiegende Zahl der Menschen in diesen Ländern. Ahmed Abdel Hamid zum Beispiel. Der 27-Jährige ist Ingenieur und lebt in Ägypten. Er verfolgt die Diskussion des Westens um El-Kaida sehr aufmerksam. "Natürlich lehnen die Menschen in der arabischen Welt die Anschläge von El-Kaida ab", sagt Ahmed. "El-Kaida hasst alle, die Attenate richten sich gegen alles und jeden, zivile und militärische Ziele, Menschen jeder Rasse und Religion. Es gibt doch Anschläge, da werden mehr Muslime getötet als andere."

Die Quelle El-Kaidas

Der ebenfalls 27-jährige Fahdi M. pflichtet dem bei, sieht die vermeintliche Ignoranz des Westens gegenüber den Problemen der arabischen Welt aber als Ursprung des Terrornetzwerks. "Wenn du mit den Leuten sprichst, sagt jeder, er lehne El-Kaida grundsätzlich ab. Aber die meisten sehen auch, dass El-Kaida die Reaktion darauf ist, was jeden Tag in Palästina passiert, was jeden Tag im Irak passiert. Und es gibt einfach keine Autorität im Nahen Osten, die sich klar für diese Probleme einsetzt. Das ist die Quelle, der Ursprung El-Kaidas."

Wahrnehmung der Welt

Problematisch aus Sicht vieler Araber seien vor allem die Aufmerksamkeit und die Wertigkeit, die den Themen im Nahen Osten beigemessen werden. Es sei das Gefühl, dass die eigenen Schwierigkeiten nicht angemessen wahrgenommen würden, in den Berichten von CNN und Fox, in den Diskussionen der Politiker.

"Warum wird, sobald das Wort El-Kaida genannt wird, allem eine solche Aufmerksamkeit gegeben?", fragt Ahmed. "Was die Menschen hier zum Nachdenken bringt ist: Natürlich verbreitet El-Kaida Terror, aber es gibt so viele andere Gruppen und sogar Regierungen, die Terror verbreiten. Zum Beispiel die Lage im Irak und in Israel. Unter der Besatzung im Irak und in Palästina starben mehr Araber, als Menschen von El-Kaida umgebracht wurden. Die Reaktionen der Welt jedoch sind ganz anders."

Bin Laden im Paradies?

Die Verurteilung des El-Kaida-Terrors in der arabischen Welt speise sich vor allem aus dem Glauben, dem Islam. Denn die meisten, rechtschaffenen Muslime sähen ihre Religion als einen Gewalt ablehnenden Glauben. "Ich frage mich", so Ahmed, "wenn bin Laden glaubt, dass er eine Mission hat, um ins Paradies zu kommen, warum bringt er sich dann nicht selber um? Warum rekrutiert er junge, naive Menschen, um seine Terrorpläne auszuführen? Das hat nichts mit Islam zu tun. Das ist feige."

Suche nach dem wahren Islam

Fahdi befürchtet, dass aber genau diese Anschläge das Bild des Westens vom Islam zu prägen drohen. "Natürlich verschlechtert das den Ruf des Islam in der Welt. Dagegen müssen vor allem die Muslime in Europa und Amerika etwas unternehmen." Ahmed jedoch sagt:" Kurzfristig ist es bestimmt nicht gut für den Ruf unseres Glaubens. Aber mittelfristig sehe ich das positiver: die Menschen in Europa fangen ja schon an, den wahren Islam zu suchen und stellen fest, dass er eine Religion des Friedens ist."