Kriegsverbrecher-Prozess
4. Juni 2007Zum Prozessauftakt am Montag (4.6.) verlas der Anwalt des Ex-Diktators einen längeren Brief, in dem Taylor von einer Scharade sprach, an der er sich nicht beteiligen wolle. Der Ex-Präsident von Liberia hatte den Ermittlungen zufolge einen blutigen Konflikt im benachbarten Sierra Leone angezettelt, bei dem zwischen 1991 und 2001 rund 120.000 Menschen ums Leben kamen. Vor dem Konflikt in Sierra Leone löste Taylor 1989 bereits in seinem eigenen Land einen blutigen Bürgerkrieg aus, der erst 2003 beigelegt wurde. Bei den Kämpfen in Liberia und Sierra Leone kamen insgesamt rund 400.000 Menschen ums Leben. Taylor soll sich unter anderem auch persönlich bereichert und das Geld ins Ausland geschafft haben.
Nach seinem erzwungenen Rücktritt vom Amt des Staatspräsidenten in Liberia im Jahr 2003 hatte sich heute 59-Jährige eigentlich auf ein luxuriöses Exil in Nigeria eingerichtet. Doch wider Erwarten stimmte Nigeria drei Jahre später einem Auslieferungsantrag für Charles Taylor zu. Nach kurzer Flucht landete der ehemalige Staatschef schließlich im Gefängnis des Sondergerichtshofes für Sierra Leone, der die Hintergründe des blutigen Bürgerkrieges in dem afrikanischen Land klären soll. Aus Sicherheitsgründen, Taylor hat in Liberia und Sierra Leone immer noch viele Anhänger aber auch erbitterte Feinde, wurde der Prozess nach Den Haag verlegt.
Juristische Herausforderungen
Elf Punkte umfasst die Anklageschrift: Vorgeworfen werden ihm unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord, Versklavung von Kindersoldaten sowie massenhafte Verstümmelungen. Die mutmaßlichen Verbrechen Charles Taylors als Rebellenführer und Staatspräsident in Liberia, das er von 1997 bis 2003 regierte, werden von diesem Verfahren nicht berührt.
139 Zeugen sollen aussagen. Der Prozess wird mindestens 18 Monate dauern. Charles Taylor, der in den USA ausgebildete Baptistenprediger, hat sich nicht schuldig bekannt. Die spannende Frage wird sein, Taylor juristisch einwandfrei nachzuweisen, dass er Mordbefehle gegeben hat. Auch wenn er, dem es um Rohstoffe, Diamanten und persönliche Bereicherung ging, politisch längst schuldig gesprochen ist, so gilt doch vor Gericht die Unschuldsvermutung. Die Verteidigung wird erst Ende Juni das erste Mal das Wort ergreifen. Den Antrag Taylors, eine stundenlange Erklärung gleich zu Prozessauftakt abzugeben, hat der Sondergerichtshof abgelehnt.
"Der Teufel schämt sich"
Chefankläger Rapp sagte nach dem ersten Prozesstag, Taylor schneide sich mit seinem Boykott ins eigene Fleisch: "Seine Entscheidung, einfach in seiner Zelle zu bleiben, wird ihn nicht vor einem Urteil schützen". Selbstverständlich müsse eine angemessene Verteidigung gewährleistet sein, sagte Rapp weiter.
Der Prozess gegen Taylor sollte ursprünglich in Sierra Leone stattfinden, wurde dann aber aus Sicherheitsgründen nach Den Haag verlegt. In der Hauptstadt Freetown verfolgten hunderte Menschen den auf Großleinwänden übertragenen ersten Prozesstag. Sie reagierten zumeist ärgerlich auf Taylors Boykott. "Der Teufel schämt sich, zu seinen Taten zu stehen", sagte einer von ihnen.
Prozess mit Signalwirkung
Internationale Rechtsexperten sehen in dem ersten Verfahren gegen einen afrikanischen Staatschef ein wichtiges Signal an andere Potentaten und Machthaber in Afrika: Die Taten werden nicht mehr ungesühnt bleiben. Neu ist vor allem, dass sich in der Rechtssprechung die Auffassung durchsetzt, dass Amt und Nationalität keine Immunität mehr garantieren. Asyl bei befreundeten Diktatoren zu suchen, hilft nicht mehr weiter. Ähnliche Verfahren wären gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Hassan al-Bashir wegen des Tötens in Darfur oder gegen den Diktator von Simbabwe, Robert Mugabe, denkbar, der die Bevölkerung terrorisiert, hieß es in Den Haag.
Vorsorglich hat der Sondergerichtshof für die Kriegsverbrechen von Charles Taylor mehr Geld von der Europäischen Union gefordert. Die Finanzierung des Richterkollegiums, der Staatsanwaltschaft und der Zeugenbetreuung sei nur noch bis Ende Oktober gesichert. Bis zum Ende des Verfahrens gegen Charles Taylor seien noch weitere 89 Millionen Euro notwendig. Bislang zahlen hauptsächlich die USA, Großbritannien, Kanada und die Niederlande.
Kriegsverbrecherverfahren gegen ehemalige Staatschefs und ihre Helfer können auch vor dem neuen Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag geführt werden. Dessen Statuten und Zuständigkeiten erkennen aber einige Staaten, darunter die USA, Russland und China noch nicht an.
Nach dem früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic ist Taylor erst der zweite Staatschef, der sich vor einem internationalen Gericht für Kriegsverbrechen verantworten muss. Sein Prozess soll bis Weihnachten 2008 abgeschlossen sein. Im Falle einer Verurteilung wird Taylor seine Haft in Großbritannien absitzen.