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EKD-Chef Schneider kritisiert Muslimverbände

Stefan Dege6. November 2014

Tun Deutschlands Muslime zu wenig gegen islamistische Gewalt? Äußerungen des scheidenden EKD-Ratsvorsitzenden klingen wie ein Vorwurf an die Adresse der muslimischen Verbände. Die reagieren empört.

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Symbolbild Christentum Judentum Islam
Bild: picture alliance /Godong/Robert Harding

Am kommenden Dienstag wird Nikolaus Schneider sein Amt als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland auf der EKD-Synode in Dresden vorzeitig niederlegen. Er möchte sich seiner krebskranken Frau Anne widmen können. In der vergangenen Woche bereitete ihm eines seiner Abschied-Interviews noch einmal Ärger: Ob es ausreiche, wenn die Muslimverbände sagten, sie hätten mit IS nichts zu tun, und der Islam sei eine friedliche Religion, wollte ein Fragesteller der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochausgabe) wissen. Die Antwort des EKD-Ratsvorsitzenden: "Was von den Verbänden an Auseinandersetzung mit Ansatzpunkten für die Legitimierung von Gewalt im Koran und in der islamischen Tradition bisher kommt, ist mir zu wenig."

Zunächst gehe er davon aus, dass die Muslime sich vorbehaltlos für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen einsetzten und nichts mit dem IS zu tun haben", so Schneider. "Wir müssen aber nüchtern feststellen, dass sich der IS auf den Islam beruft. Darüber haben wir zu debattieren." Im Klartext heißt das+: Schneider fordert eine Debatte über die Rolle der Gewalt im Islam.

Nikolaus Schneider und seine Frau Anne
Möchte sich um seine erkrankte Frau Anne kümmern: Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus SchneiderBild: picture-alliance/dpa

Schneiders Sätze werfen Fragen auf

Gewiss habe auch das Christentum zunächst 300 Jahre der Verfolgung erlebt, ehe Christen und ihre Kirchen selbst zu grausamen Verfolgern wurden. Der Islam verdanke seine rasche Verbreitung jedoch von Anfang an "Feuer und Schwert", also Kriegen. "Das hat offensichtlich Ansatzpunkte im Koran", stellt Schneider fest, "darauf können heute jene zurückgreifen, die den Glauben für ihr Gewaltregime missbrauchen wollen. Dem etwas entgegenzusetzen, ist für Vertreter des friedlichen Islam heute schwieriger als für christliche Theologie."

Solche Sätze werfen Fragen auf: Hält der Ratsvorsitzende der evangelischen Christen den Islam für eine gewalttätige Religion? Meint Schneider, der Islam leistet der Gewalt von Terroristen Vorschub, die sich auf den Islam berufen? Mehr noch: Stellt Schneider die deutschen Muslime unter Generalverdacht?

Ramadan Fasten Imam Erol Pürlü. Foto: Ulrike Hummel
Erol Pürlü vom Koordinationsrat der MuslimeBild: Ulrike Hummel

Die Reaktion der Muslimverbände ließ nicht lange auf sich warten. Hektische Telefonate zwischen den Verbandsvorsitzenden folgten. Journalisten horchten auf. Der EKD-Ratsvorsitzende sah sich zu Erläuterungen genötigt. Persönlich rief er bei muslimischen Vertretern an, um klar zu stellen, was er gemeint habe. Am Ende ließ der Koordinationsrat der Muslime in einer Stellungnahme wissen: "In einer so schwierigen Phase stehen die Religionsgemeinschaften vor der gemeinsamen Verantwortung die Deutungshoheit nicht den Radikalen zu überlassen und ihrer gemeinsamen Verantwortung für das friedliche Miteinander gerecht zu werden."

DITIB verweist auf Appelle gegen Gewalt

Soweit so diplomatisch. Doch hinter vorgehaltener Hand äußerten die Mitgliedsverbände mal blankes Entsetzen, mal Ratlosigkeit. Bis hin zu "persönlicher Enttäuschung " reichten die Reaktionen. Ein Sprecher zeigte sich "sprachlos". Ayse Aidin, die Pressesprecherin Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), verschickte an die Journalisten eine Liste mit Internet-Links. Sie sollen belegen, wie frühzeitig DITIB-Vertreter sich bei vielerlei Anlässen für Frieden und gegen Gewalt einsetzten. Das Thema gegenseitiger Nachsicht, Umsicht und Akzeptanz und gegen Gewalt findet sich immer wieder in unseren Predigten, Meldungen und Botschaften, was nicht nur unsere Leitmotive in der Arbeit wiederspiegelt, sondern gleichzeitig auch einen bildenden Effekt hat", klagt Aidin, "dies haben die Medien leider nicht aufgegriffen."

"Erst wenige Wochen ist es her, dass der EKD-Ratsvorsitzende Schneider sich auf dem Aktionstag "Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht" in Berlin an die Seite bedrohter und angefeindeter Muslime stellte. In seiner Rede auf dem Podium - nachlesbar auf der Internetseite der EKD – sagte er: "Ich bin Ihnen dankbar für die Klarheit, mit der Sie sich vom Terror des sogenannten "Islamischen Staates" in Syrien und im Irak distanzieren. Sie sagen ohne wenn und aber, dass Islam und Terror nicht zusammen passen." Mehr Schulterschluss geht kaum.

Aktionstag der deutschen Muslime 19.9.2014 Muslime gegen Hass. Foto: Sean Gallup/Getty Images
Schneider als Gastredner beim Aktionstag der deutschen Muslime im September in BerlinBild: Getty Images/Sean Gallup