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Eintrittskarten für den Friedhof

Clemens Hoffmann2. Februar 2009

In unserer Rubrik "Mail aus..." berichten unsere Korrespondenten über besondere und skurrile Geschichten aus ihrem Alltag im Gastland. Diese Woche schreibt uns Clemens Hoffmann aus Kiew.

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Clemens Hoffmann, Korrespondent in der UkraineBild: Clemens Hoffmann

Not macht bekanntlich erfinderisch - und weil in Zeiten der Finanzkrise auch in der Kiewer Stadtkasse Ebbe herrscht, sinnt Bürgermeister Leonid Tschernowetzki auf neue Einnahmequellen. Der Privatbankier und Multimillionär Tschernowetzki ist seit langem für seine exzentrischen Ideen bekannt.

Ein Euro für die Trauer am Grab

Doch was ihm nun eingefallen ist, klingt wirklich einmalig: Seit ein paar Tagen kosten die Friedhöfe der Stadt Eintritt. Zehn Griwna, umgerechnet einen Euro, müssen nicht nur Touristen zahlen, sondern alle, die ihre Verstorbenen besuchen wollen. Die Gebühr trifft vor allem die Rentner hart, für die ein Euro eine Menge Geld ist und denen der Friedhof viel mehr bedeutet, als die Erinnerung an den Ehepartner. Viele sind fast täglich dort, auf der Flucht vor der Einsamkeit zu Hause.

Nun sind die Alten schockiert über ihren Bürgermeister, der sie bisher immer so zuvorkommend behandelt hat. Regelmäßig lässt Tschernowetzki nämlich kostenlose Lebensmittelpakete an die Rentner verteilen, um sich deren Wählerstimmen zu sichern.

Noch gibt es keine Demonstrationen oder Streiks, aber die Eintrittskarten für den Friedhof sorgen für Diskussionsstoff. In den Zeitungen wird bereits spekuliert, ob die Stadt demnächst Monatsabos für Dauerbesucher verkaufen oder ob ein Besuch zur Geisterstunde ein bisschen billiger sein wird.

Gräber auf dem Friedhof Skogskyrkogarden bei Stockholm.
Eintritt zahlen um die Toten zu besuchen?Bild: picture-alliance/ dpa

Neue Methoden zum Geldverdienen

Aber im Ernst: Die Ukrainer pflegen eine innige Beziehung zu ihren Toten. Besonders in der Zeit nach Ostern treffen sich ganze Familienclans auf dem Friedhof: An den Gräbern wird gefeiert und gegessen und das ein oder andere Gläschen Wodka auf den lieben Verstorbenen geleert. Schwer vorstellbar, dass diese Tradition nun gebührenpflichtig werden soll.

Doch die Eintrittskarten für den Friedhof sind wohl erst der Anfang. Der Bürgermeister hat noch mehr Ideen, wie frisches Geld in den Stadthaushalt kommen könnte. Flächendeckend sollen kostenpflichtige Parkplätze entstehen, auch in öffentlichen Parks und Grünanlagen. Schließlich gehe das schneller und sei obendrein billiger als der Bau von Parkhäusern, argumentiert das Stadtoberhaupt.

Und das ist noch nicht alles: Tschernowetzki denkt auch darüber nach, den kompletten Fuhrpark des Bürgermeisteramtes zu verkaufen. Er selbst muss sich über seine Mobilität keine Gedanken machen. Gerade erst fuhr er bei einem Termin in einem Altenheim in seinem nagelneuen Rolls Royce für eine Million Dollar vor. Außerdem habe er sich einen Traum erfüllt und sich einen Hubschrauber und einen kleinen Privatjet zugelegt, schwärmte er dieser Tage erstaunten Journalisten vor. Auch eine Art von Konjunkturpaket.