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"Die Altlasten sind verheerend"

Matthias von Hein6. September 2016

Laos war Nebenschauplatz des Vietnamkrieges - und wurde das meist bombardierte Land der Erde. US-Blindgänger fordern immer neue Opfer. Jetzt besucht US-Präsident Obama das Land. Ein Interview mit Channapha Khamvongsa

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Nicht explodierte Streubomben werden geräumt (Foto: Sebastian Bozada dpa )
Bild: picture-alliance/dpa/S. Bozada

Deutsche Welle: Neun Jahre lang haben die USA in den 1960er und 1970er Jahren Laos bombardiert. Fünf Jahre davon in einem "geheimen Krieg", von dem noch nicht einmal der US-Kongress wusste. Können Sie uns eine Vorstellung vom Ausmaß der Bombardierungen geben?

Channapha Khamsongva: Die Bombardierungen begannen 1964 und endeten 1973. In diesem Zeitraum wurden rund zwei Millionen Tonnen Bomben abgeworfen. Das entspricht dem Abwurf einer Flugzeugladung von Bomben alle acht Minuten, 24 Stunden am Tag, neun Jahre lang.

Channapha Khamvongsa Direktorin von Legacies of War (Foto: J. Premako)
Kämpft gegen tödliche Blindgänger: Channapha Khamvongsa von "Legacies of War"Bild: J. Premako

Spielt dieser Bombenkrieg noch heute, nach mehr als 40 Jahren, eine Rolle in Laos?

Der Abwurf dieser Bomben selbst war schon schlimm genug. Aber was für das Leben der Laoten noch über 40 Jahre danach verheerend ist, sind die Altlasten. Damals wurden unter anderem Streubomben eingesetzt; insgesamt rund 270 Millionen Bomblets wurden abgeworfen. Etwa 30 Prozent davon sind nicht explodiert. Deshalb liegen heute von diesen Mini-Bomben, in der Größe eines Tennisballs, noch etwa 80 Millionen auf- und in der Erde. Neun Provinzen sind schwer kontaminiert, etwa ein Drittel des Landes. Seit dem Ende der Luftangriffe haben explodierende Blindgänger ungefähr 20.000 Menschen getötet oder zu Krüppeln gemacht. Der letzte Unfall ist gerade erst passiert: Ende August wurden fünf Kinder durch die Explosion einer Streubombe zum Teil schwer verletzt.

Wie wirken sich die Blindgänger auf die Entwicklung von Laos aus?

Die am schwersten kontaminierten Gebiete von Laos sind zugleich die ärmsten. Das sagt das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen! Die Blindgänger behindern die Landwirtschaft; aber 80 Prozent der Laoten sind Bauern und leben vom Land. Das aber können sie nicht nutzen - oder wenn sie es doch nutzen, riskieren sie täglich ihr Leben.

Streubombe Blindgänger Laos
Klein wie ein Tennisball und auch nach Jahrzehnten noch tödlich: StreubombeBild: picture-alliance/dpa

Was wird denn unternommen, um das Land von Blindgängern zu säubern?

Richtige Minenräumungsprogramme gibt es erst seit 1996. Das heißt: Bis dahin mussten Bauern oder Dörfler Blindgänger selbst entfernen, wenn sie auf welche gestoßen sind. Das war natürlich extrem gefährlich. Seit 1996 gibt es Bombenräumungsteams mit Experten. Die sind in der Lage Bomben aufzuspüren, zu entfernen und sicher zur Explosion zu bringen.

Wann man das jetzige Tempo der Bombenräumung zu Grunde legt: Wie lange würde es denn dauern, bis ganz Laos von Blindgängern befreit ist?

Es wird geschätzt, das von den 80 Millionen nicht explodierten Streubomben bis jetzt ungefähr ein Prozent beseitigt ist. Wir haben also noch einen sehr langen Weg vor uns! Wir wollen zunächst das wertvollste Land von den Streubomben befreien: dort, wo Menschen leben und Landwirtschaft betreiben. Aber die Wahrheit ist: Angesichts der Abermillionen von Streubomben, die nicht explodiert im ganzen Land herumliegen, wird es Landstriche geben, die man niemals von Blindgängern wird räumen können.

Was erwarten Sie: Wie wird US-Präsident Obama bei seinem Besuch in Laos mit diesem Thema umgehen?

Wir sind guter Hoffnung, dass der Präsident dieses Thema ansprechen wird und auch die Geschichte der US-Einmischung hier. Wir hoffen zugleich, dass er nicht stehen bleibt bei der Anerkennung dessen, was die USA hier angerichtet haben. Wir hoffen, dass er die Unterstützung der USA für die Räumung der Blindgänger und das Beenden der tödlichen Hinterlassenschaft erhöht.

Channapha Khamvongsa ist Gründerin und Direktorin von Legacies of War. Die Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Washington setzt sich für die Räumung der Blindgänger in Laos ein.

Die Fragen stellte Matthias von Hein