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Hessens Richterbund gegen "Radikalen-Erlass"

5. Juni 2018

Der Hessische Richterbund hält nichts von dem Vorschlag, Richter vor ihrer Einstellung auf einen extremistischen Hintergrund überprüfen zu lassen. Ein DW-Interview mit dem Landesvorsitzenden Daniel Saam.

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Symbolbild Justiz Richter Gericht Richterhammer
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Deutsche Welle: Herr Saam, das hessische Justizministerium will die Verfassungstreue von Richtern zukünftig vor ihrer Einstellung durch eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz überprüfen lassen. Ist das eine gute Idee, um Verfassungsfeinden im Richteramt vorzubeugen?

Daniel Saam: Grundsätzlich ist es so, dass wir zwei Dinge trennen: Der Hessische Richterbund stellt natürlich nicht den mit der Vorlage verfolgten Zweck infrage. Auch der Richterbund will keine extremistischen, verfassungsfeindlichen Personen im Richterdienst. Richterinnen und Richter müssen ihr Amt getreu dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und nach Recht und Gesetz ausüben und sie müssen sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und für diese eintreten. Der Richterbund sieht aber auch die mit dem Vorschlag verbundenen rechtsstaatlichen Gefahren. Wenn man es runterbricht, geht es darum, mittels geheimdienstlicher Methoden angehende Richterinnen und Richter zu überprüfen. Welche Gefahren sich aus einer Ausweitung der Einflussnahme der Exekutive bei der Auswahl von Richtern ergeben können, zeigt ein Blick nach Polen. Dort wird die Einflussnahme der Exekutive gerade ausgenutzt, um die richterlicher Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.

Daniel Saam
Daniel Saam, Vorsitzender des Hessischen RichterbundesBild: privat

Also sollte es eine Regelung geben, um Extremisten im Richteramt zu verhindern - nur nicht diese?

Es gibt ja schon diverse Möglichkeiten und Regelungen, wie sichergestellt werden kann, dass keine extremistischen und verfassungsfeindlichen Personen in den Richterdienst drängen. Wobei man ja zunächst mal feststellen muss, dass uns kein einziger Fall bekannt ist, wonach eine verfassungsfeindliche Person versucht hätte, in den hessischen Richterdienst zu gelangen. Soweit immer wieder der Fall aus Bayern aus dem Jahr 2014 herangezogen wird, hätte der wohl schon durch eine bloße Internetrecherche der Personalabteilung des dortigen Justizministeriums verhindert werden können.

Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) sprach von sich häufenden Fällen von verfassungsfeindlichen Personen, die in die Beamtenschaft drängten.

Ich kann nur sagen, wie es bei der Richterschaft ist. Hier ist uns tatsächlich kein Fall bekannt und wir gehen davon aus, dass es einen solchen in Hessen auch nicht gibt. Sonst wäre das schon bekannt geworden.

In Bayern gibt es ja schon eine entsprechende Regelung. Dort heißt es, Bewerber mit möglicherweise extremistischem Hintergrund würden damit abgeschreckt, sich überhaupt auf das Richteramt zu bewerben - das ist dann doch ein Erfolgsmodell?

Sollte es wie von uns angenommen keinen einzigen Fall eines extremistischen Richter oder einer Richterin beziehungsweise eines Verfassungsfeindes im Justizdienst geben - wen will man dann abschrecken? Offensichtlich funktionieren ja die Institutionen. Sie müssen sich das so vorstellen: Sie haben eine Juristenausbildung, die im Regelfall insgesamt sieben bis acht Jahre dauert. Davon sind zwei Jahre praktische Ausbildungszeit, das Referendariat. Im Referendariat ist man meistens in mehreren Stationen bei Richterinnen und Richtern beschäftigt und auch bei der Staatsanwaltschaft. Das heißt, da arbeiten sie ganz eng mit Richtern und Staatsanwälten zusammen. Wenn Sie dann in den Richterdienst gelangen, werden Sie erst für drei bis vier Jahre auf Probe eingestellt. Sie werden regelmäßig überprüft von Ihren Dienstvorgesetzten. Sie kriegen vier, fünf Beurteilungen, bevor es überhaupt so weit ist, zu überlegen, ob die betreffende Person in den Richterdienst auf Lebenszeit übernommen wird. Und unsere Frage ist dann: Diese sechs, sieben Jahre, in denen man sehr eng mit Richterinnen und Staatsanwälten zusammenarbeitet – die sollen das nicht leisten können, das zu erkennen, was eine Überprüfung des Landesamtes für Verfassungsschutz beim Zeitpunkt der Einstellung erreichen soll? Da haben wir erhebliche Zweifel.

Die Institutionen sind doch erst mal gegeben. Darüber hinaus gibt es ja auch disziplinarrechtliche Maßnahmen für den Fall, dass man jemanden erkennt, der vielleicht verfassungsfeindliche Positionen vertritt und verfassungsfeindlich auftritt. Eine solche Person kann disziplinarrechtlich belangt und natürlich auch aus dem Richterdienst entlassen werden. Dass diese Verfahren vielleicht eine gewisse Hürde darstellen, resultiert natürlich auch daraus, dass die Unabhängigkeit der Rechtsprechung geschützt werden und garantiert werden muss. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung hat ja gerade den Sinn, die Exekutive zu kontrollieren. Wenn ich mich als Bürger gegen einen Bescheid des Staates wende, möchte ich ja auch eine unabhängige Rechtsprechung haben, die die Exekutive dann auch kritisch hinterfragt und überprüft.

Das heißt, Sie halten die geltende Gesetzeslage und die Ausbildung der Juristen für ausreichend, um dem Problem zu begegnen?

Wir reden meines Erachtens über ein Problem, dessen Existenz noch nicht belegt ist. Es soll einem Problem vorgebeugt werden, das aufgrund der vorhandenen institutionellen Rahmenbedingungen gar nicht entstehen dürfte. Momentan gehe ich davon aus, dass diese ausreichend sind. Ich finde auch, in so ein Gefüge einzugreifen, da braucht es einen Anlass: Wie ist das mit der Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung? Und wenn man da eingreift und so ein Einfallstor dafür öffnet, dass jemand, der noch nicht mal dem Justizministerium unterstellt ist, sondern dem Innenministerium, nun Einfluss darauf haben soll, wer Richterin und Richter wird, das halten wir für bedenklich.

Welche Risiken sehen Sie also konkret durch eine solche Regelung?

Das Risiko, das wir sehen, ist ein Einfallstor für eine Einflussnahme auf die Auswahl von Richterinnen und Richtern und damit indirekt auf die richterliche Unabhängigkeit. Und wir sehen keine Notwendigkeit, so ein Einfallstor zu öffnen.

Der Vorschlag von Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) soll auf der am 6. Juni auf der Wartburg beginnenden Konferenz der Justizminister von Bund und Ländern diskutiert werden.

Daniel Saam ist Richter am Oberlandesgericht Frankfurt und Landesvorsitzender des Hessischen Richterbundes.

Das Gespräch führte Charlotte Voß.