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Eine Liebe in Zeiten des Krieges

28. August 2011

Eine Liebesaffäre zwischen der französischen Schauspielerin Arletty und einem deutschen Wehrmachtsoffizier schildert der Schriftsteller und Dokumentarfilmer Klaus Harpprecht in seinem neuen Buch.

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Das s/w-Archivbild vom 27.02.1965 zeigt die französische Schauspielerin Arletty (Foto: dpa)
Die französische Schauspielerin Arletty ist eine zentrale Figur im neuen Buch von Klaus HarpprechtBild: picture-alliance/dpa
Coverbild Klaus Harpprecht: Arletty und ihr deutscher Offizier. Eine Liebe in Zeiten des Krieges (Foto: Verlag S. Fischer)

Leonie Bathiat und Hans Jürgen Soehring lernen sich 1940 kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick – ein "coup de foudre", ein erotischer Blitzschlag. Die attraktive französische Schauspielerin ist da schon ein berühmter Filmstar und trägt den Künstlernamen Arletty. Es ist eine verbotene, eine unmögliche Liebe. Nicht, weil sie ein Star ist. Nicht, weil der Deutsche 32 und damit zehn Jahre jünger ist. Der "amou fou" sind zwei Menschen verfallen, die politisch und gesellschaftlich auf völlig gegensätzlichen Seiten stehen. Soehring ist Jurist und deutscher Wehrmachtsoffizier, Mitglied der NSDAP, Angehöriger der nationalsozialistischen Besatzungsmacht, die einen Teil Frankreichs erobert hat. Arletty – künstlerisch auf dem Gipfel des Erfolgs - lebt im besetzten Paris, als eine von vielen tausend Unterworfenen. Die beiden treffen sich bei einem Konzert im Konservatorium.

Boulevard und Boheme

Die Schauspielerin stammt aus der grauen Pariser Vorstadt, schlägt sich irgendwie durchs Leben, oft mit Hilfe mehr oder minder gut situierter Liebhaber. Nach kleinen Rollen in Revuen geht es nur noch aufwärts.

Leonie Bathiat, die sich jetzt Arletty nennt, hat nie eine Schauspielschule besucht. Sie lebt ein Leben zwischen Boulevard und Boheme. Als in Deutschland die Nazis die Macht übernehmen, wird der junge Jurist Hans Jürgen Soehring Richter im Dienste der Wehrmacht.

Frankreich in Agonie

Nach der Besetzung Nordfrankreichs wird Paris 1940 zur offenen Stadt erklärt. Während Europa unter den Kriegsereignissen leidet, entspinnt sich in der französischen Hauptstadt die Liebesgeschichte zwischen dem Armeerichter Soehring und der Arletty. Der Deutsche hat im Stab der Luftwaffe repräsentative Aufgaben.

Drei Jahre dauert ihre Beziehung. Sie schotten sich ab, so gut das geht, wollen von Politik, Hunger und Kämpfen nicht reden, nichts wissen, verspeisen Hummer, trinken Champagner, besuchen Konzerte und Festlichkeiten. In diesen Jahren der deutschen Okkupation entsteht der Film "Les enfants du Paradis" – deutsch: "Die Kinder des Olymp" – mit Arletty in der Hauptrolle. Er kommt erst nach der Befreiung 1945 in die Kinos und war jahrelang ausverkauft. Auch in Deutschland wird er zu einem großen Erfolg.

Ende einer Leidenschaft

Jenseits der Drehorte und Studios nimmt Arlettys Leben nach dem Krieg eine dramatische Wendung: Sie wird als Kollaborateurin im Lager Drancy interniert, später in eine überwachte Residenz gebracht – die Affäre mit dem deutschen Besatzungsoffizier wird ihr nun zur Last gelegt. Die Premiere von "Kinder des Olymp" muss ohne sie stattfinden.

Hans Jürgen Soehring ist zu dieser Zeit bereits zurück in Deutschland, will sich ein ziviles Leben aufbauen, versucht sich als Schriftsteller. 1946 und 1949 kommt es noch einmal zu Begegnungen der beiden Liebenden – aber die Entfremdung ist unübersehbar, die Leidenschaft erloschen.

Streifzug durch die Geschichte

Der Buchautor Klaus Harpprecht (Archivfoto: dpa)
Der Buchautor Klaus HarpprechtBild: picture-alliance/dpa

Autor Klaus Harpprecht, früher Redenschreiber von Kanzler Willy Brandt, hat für sein glänzend geschriebenes und sehr lesenswertes Buch viele Quellen genutzt – für die unmittelbare Liebesgeschichte freilich stand ihm nur begrenzt Material zur Verfügung. Dies macht letzten Endes auch die Schwäche des Werks aus.

Die Geschichte des ungleichen Liebespaares mag auf den ersten Blick spektakulär sein, gibt aber alleine schon aufgrund fehlender persönlicher Zeugnisse nicht allzu viel her. Harpprecht hat sie ergänzt um viele interessante Aspekte, die freilich gelegentlich auf Nebengleise führen. Kriegsereignisse, die Besatzungsjahre in Frankreich, die Pariser Intellektuellenszene, die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen, die Auseinandersetzung mit Autoren und Filmemachern, dazu Autobiographisches: Die beiden Hauptfiguren verlieren sich darin. Es bleibt der Leserschaft überlassen, aus dieser Unübersichtlichkeit immer wieder herauszufinden.

Klaus Harpprecht: Arletty und ihr deutscher Offizier. Eine Liebe in Zeiten des Krieges. (S. Fischer Verlag).

Autorin: Cornelia Rabitz
Redaktion: Gabriela Schaaf, Martin Schrader