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Eine Diktatur lässt wählen

3. November 2010

In Birma wird am 7. November zum ersten Mal seit zwanzig Jahren ein neues Parlament gewählt. Ein Viertel der Sitze sind vorab schon für Militärs reserviert, die Opposition fühlt sich geknebelt.

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Than Shwe, Führer der burmanischen MilitärjuntaBild: AP

In Birma, das seit 1989 offiziell Myanmar heißt, finden zum ersten Mal seit 20 Jahren Wahlen statt. Die letzten Wahlen im Jahr 1990 verloren die Militärs haushoch. Sie erkannten das Wahlergebnis nicht an, verurteilten die Gewinnerin, Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, zu Hausarrest und regierten seither mit harter Hand.

Birma Mönchsaufstand in Birma Myanmar
2007 demonstrierten Mönche gegen das RegimeBild: AP

Die Wirtschaft Birmas liegt am Boden, der Großteil der Bevölkerung lebt in großer Armut, es gibt kein Gesundheits- und kein funktionierendes Bildungssystem. Gravierende Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung. Als im Jahr 2007 buddhistische Mönche friedlich gegen die Missstände im Land protestierten, wurde ihr Aufstand blutig niedergeschlagen.

"Da das Militär jetzt seit 20 Jahren per Dekret regiert, bieten die Wahlen auch die Möglichkeit, der Militärherrschaft einen demokratischen Anstrich zu verleihen und damit auch der internationalen Kritik entgegenzutreten", sagt Henning Effner, Birma-Projektleiter bei der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung

"Disziplinierte Demokratie"

Die Wahlen sollen ein Schritt von der Militärherrschaft hin zu einer sogenannten "disziplinierten Demokratie" sein, so die offizielle Verlautbarung der Militärregierung. Doch die Wirklichkeit habe mit Demokratie wenig zu tun, glaubt Henning Effner: "Der gesamte Wahlprozess, von der Registrierung politischer Parteien über die Nominierung der Kandidaten bis hin zum Wahlkampf wurde von der Militärregierung sehr streng kontrolliert und war alles andere als frei und fair."

Myanmar Burma Aung San Suu Kyi
Zum Boykott getrieben: Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu KyiBild: picture alliance/dpa

Strenge Wahlgesetze machen einen Erfolg der Opposition fast unmöglich. Sie schreiben zum Beispiel vor, dass niemand, der zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, an den Wahlen teilnehmen darf. Das bedeutet, dass die Vorsitzende der größten Oppositionspartei "Nationale Liga für Demokratie" (NLD), Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi von den Wahlen ausgeschlossen ist - und mit ihr weit mehr als 2000 politische Gefangene des Landes. Suu Kyi gilt als Verurteilte und steht seit fast 20 Jahren immer wieder unter Hausarrest. Suu Kyis Partei entschied sich deswegen zu einem Boykott der Wahlen - weil sie die Friedensnobelpreisträgerin nicht ausschließen wollte. Daraufhin wurde die Partei von der Regierung zwangsaufgelöst.

Wenig Spielraum für die Opposition

Andere, kleinere Oppositionsparteien, wollen an der Wahl teilnehmen, in der Hoffnung, damit auf einen demokratischen Wandel hinzuwirken. Doch sie haben es schwer. Jeder Kandidat muss zum Beispiel eine Registrierungsgebühr von 500 US-Dollar bezahlen. "Das ist mehr als das durchschnittliche Jahreseinkommen in Birma", erklärt Henning Effner. "Wenn man das mal hochrecht, muss eine Partei, um für alle Parlamentssitze zu kandidieren, insgesamt fast 600.000 US-Dollar an Gebühren entrichten. Das ist eine finanzielle Hürde, die keine Oppositionspartei überwinden konnte."

Deshalb kandidieren die Oppositionsparteien nur für eine begrenzte Zahl von Sitzen und treten in vielen Wahlkreisen gar nicht an. Hinzu kommt, dass ihre öffentliche Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt wurde.

Freiheiten für regimetreue Parteien

Einer schwachen und teilweise zersplitterten Opposition stehen die regimetreuen Parteien gegenüber. Die wichtigsten sind die Union Solidarity and Development Party (USDP) und die National Unity Party (NUP). Viele ihrer Kandidaten sind Mitglieder der derzeitigen Militärführung, die ihre Uniformen abgelegt haben. Diesen Parteien geht es besser. Im Gegensatz zu den Oppositionsparteien unterliegen sie überhaupt keinen Beschränkungen ihrer Rede und Versammlungsfreiheit, erklärt Jasmin Lorch, Gastwissenschaftlerin bei der unabhängigen Stiftung Wissenschaft und Politik: "Sie können sehr große Massenveranstaltungen abhalten und für ihren Wahlkampf auf den Propaganda-Apparat des Regimes sowie die finanziellen Ressourcen des Staatsapparates zurückgreifen."

Verfassung garantiert Militär-Dominanz

Bürgerkrieg in Birma
Eine Frau der Karen. Die Karen sind eine ethnische Minderheit in Birma.Bild: AP

Grundlage der Wahlen ist eine von den Militärs im Jahre 2008 verabschiedete Verfassung. Sie sieht die Schaffung neuer Institutionen vor. Doch auch das neue Parlament mit Ober- und Unterhaus werde vom Militär dominiert, betont Jasmin Lorch: "Die Verfassung garantiert ein Viertel der Parlamentsitze dem Militär. Es verfügt damit im Parlament über eine sogenannte Sperrminderheit. Damit kann das Militär im Parlament eine Änderung der Verfassung blockieren."

Birma ist ein Vielvölkerstaat mit über 130 ethnischen Minderheiten, von denen viele seit Jahrzehnten für mehr Selbstbestimmung kämpfen. Die ethnischen Minderheiten stehen den Wahlen und auch der neuen Verfassung ambivalent gegenüber, sagen Experten. Einerseits werden ihre Forderungen nach mehr Selbstbestimmung, mehr Unabhängigkeit, durch die neue Verfassung bei weitem nicht erfüllt. Gleichzeitig aber wird die Wahl wegen der Konflikte mit den ethnischen Minderheiten in einigen Regionen überhaupt nicht zugelassen.

Autorin: Ana Lehman

Redaktion: Silke Ballweg