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Debatte über Veteranenpolitik

Nina Werkhäuser8. Mai 2012

Veteranen gibt es da, wo Kriege geführt werden. Zum Beispiel in Afghanistan. Deutsche Soldaten, die dort gekämpft haben, sehen sich als Veteranen. Allerdings steht eine Politik für Veteranen noch komplett am Anfang.

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Soldaten treten zum Appell an, Foto: dpa
Bild: picture alliance/dpa

Auf einer Straße in der Ukraine verteilt ein junger Mann Bändchen an die Passanten, zum Anstecken für die Militärparade am 9. Mai. An diesem Tag wird in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion des Kriegsendes und des Sieges über Deutschland gedacht. Im Mittelpunkt der Paraden stehen die ehemaligen Soldaten, heute nur noch wenige alte Männer, die mit Orden an der Brust und feuchten Augen den vorbeirollenden Panzern zuschauen. Anerkennung und besondere Privilegien sind den Veteranen dort und in vielen anderen Ländern gewiss. "Wie begehen deutsche Veteranen eigentlich das Kriegsende?" will der junge Ukrainer von der Reporterin aus Deutschland wissen.

Traditionsbruch in Deutschland

In Deutschland riss 1945 jedwede Tradition des Veteranengedenkens jäh ab. Der offizielle "Heldengedenktag" zu Ehren der Wehrmacht ging zusammen mit den Nationalsozialisten unter. Das Gedenken in der Bundesrepublik konzentrierte sich auf die Toten der beiden Weltkriege; außerdem kümmerte man sich um die Kriegsversehrten und um würdige Grabstätten für die gefallenen Soldaten.

Veteranenparade in Moskau. Foto: dpa
Ehrung von Veteranen in MoskauBild: picture-alliance/dpa

Nach der Auflösung der Wehrmacht gab es ein Jahrzehnt lang überhaupt keine deutsche Armee mehr, Veteranenverbände waren zunächst verboten. Auch in der 1955 gegründeten Bundeswehr entstand während des Kalten Kriegs keine neue Veteranen-Tradition. Das ändert sich nun seit einigen Jahren mit der wachsenden Zahl deutscher Soldaten, die im Auslandseinsatz waren, sei es in Afghanistan, auf dem Balkan oder in Afrika. 300.000 sollen es insgesamt schon gewesen sein.

Die Wiederbelebung des Veteranenbegriffs

Zur Armee im Einsatz gehöre es, "dass es in Deutschland seit einigen Jahren wieder Veteranen gibt, Veteranen der Bundeswehr. Ich bekenne mich heute zu diesem Begriff", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière im September 2011 im Bundestag. Damit wurde der jahrzehntelang kaum benutzte Begriff "Veteran" offiziell wieder in den Wortschatz deutscher Politiker aufgenommen: "Wie andere Nationen sollten auch wir deshalb von unseren Veteranen sprechen."

Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Foto: dpa
Thomas de MaizièreBild: dapd

Der Impuls dafür kam von den Soldaten selbst, die - manche verwundet oder traumatisiert - aus dem Auslandseinsatz zurückkehren und sich selber Veteranen nennen. Im Jahr 2010 gründeten sie in Berlin eine Interessenvertretung, den "Bund Deutscher Veteranen". Kritiker meinen hingegen, der Begriff sei historisch belastet und werde im heutigen Deutschland nicht benötigt.

Wer ist in Deutschland ein Veteran?

Die Diskussion darüber, wer zur Gruppe der Veteranen gehört, ist zurzeit in vollem Gang: Sind es alle erfahrenen und ehemaligen Soldaten der Bundeswehr? Nur Soldaten, die im Auslandseinsatz waren? Oder ausschließlich jene, die im Gefecht gestanden haben? Der "Bund Deutscher Veteranen" hat sich bereits festgelegt: Für ihn sind alle Bundeswehr-Soldaten, die im Auslandseinsatz waren, Veteranen.

Der Verteidigungsminister lauscht noch in die Truppe und ins Parlament hinein. Ihm ist es wichtig, eine Spaltung der Streitkräfte in Soldaten "mit und ohne Veteranenstatus" zu vermeiden. Viele Soldaten sind der Ansicht, dass der Dienst "an der Heimatfront" im Kalten Krieg und heute ebenso zu würdigen sei wie ein Kampfeinsatz in Afghanistan. Sie sehen das kameradschaftliche Gefüge der Bundeswehr in Gefahr, wenn die Definition zu eng ausfällt. Eine Begriffsdefinition erfordert also Fingerspitzengefühl.

Bundeswehr-Soldat in Afghanistan. Foto: dapd
Veteranen-Status nach Auslandseinsatz? Bundeswehr-Soldat in AfghanistanBild: dapd

In Planung: Eine Veteranenpolitik der Bundesregierung

Für die Bundeswehr-Soldaten im Einsatz wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Auszeichnungen geschaffen, etwa das "Ehrenkreuz für Tapferkeit" oder die "Einsatzmedaille Gefecht". Viele Soldaten im Einsatz empfinden es aber als Defizit, dass es außerhalb der Armee kaum offiziellen Gesten der Anerkennung für sie gibt, zumal die gewählten Volksvertreter im Bundestag die Truppe in den Einsatz schicken. Diesen Mangel an Wertschätzung hat auch Verteidigungsminister de Maizière wahrgenommen. "Es ist an der Zeit, sachlich und offen über eine Veteranenpolitik zu diskutieren. Dies ist neu, aber nur für Deutschland", bemerkt der Minister in einem ersten Diskussionspapier.

Im Gespräch ist nun ein landesweiter Gedenktag für die Veteranen. Dieser Vorschlag stößt auf viel Zustimmung, etwa beim einflussreichen Bundeswehrverband mit seinen 200.000 Mitgliedern. "Alle Frauen und Männer im Einsatz bringen ein Opfer für die Bundesrepublik Deutschland. Es ist längst an der Zeit, dies in der gesamten Gesellschaft zu würdigen", sagt Hauptmann Uwe Köpsel vom Bundeswehrverband. Ein Alternativvorschlag besteht darin, auch zivile Helfer in die Würdigung einzubeziehen, etwa Rettungskräfte, Polizisten oder Entwicklungshelfer. Neben den Grünen favorisiert auch der Reservistenverband diesen breiteren Ansatz.

Der Verteidigungsminister kann sich außerdem einen Sonderbeauftragten für Veteranen vorstellen oder auch Veteranenheime. Nicht in Frage kommen für ihn zusätzliche Versorgungsleistungen, wie sie im angloamerikanischen Raum üblich sind. In Deutschland, so de Maizière, seien die Sozialleistungen für aktive und ehemalige Soldaten bereits auf einem hohen Niveau.