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Flüchtlinge kommen oft ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland – und müssen hier unzählige Formulare ausfüllen. Nun haben sechs Flüchtlinge eine Lösung: eine App, die den Weg durch die Bürokratie erleichtern soll.
Registrierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Gang zur Ausländerbehörde, Jobcenter und Bürgeramt, Kranken -und Rentenversicherung – es gibt scheinbar unendlich viele Formalitäten zu beachten, wenn man als Flüchtling nach Deutschland kommt. Und wenn man dann kein Deutsch kann, ist man im Bürokratie-Dschungel verloren. Vielleicht kann eine neue App künftig Abhilfe schaffen. „Bureaucrazy“, heißt sie. Entwickelt wird sie von sechs syrischen Flüchtlingen in Berlin.
Als Munzer Khattab, Ghaith Zamrik, Omar Alshafai, Yazan Salmo, Mohamad Khattab und Ahmad Alarashi nach Deutschland kamen, mussten auch sie Unmengen an Dokumenten ausfüllen und unterschreiben. Nur wenige gibt es auf Arabisch. Vielen Behörden fehlen Übersetzer für Arabisch, Farsi oder Paschtu. Außerdem sprechen die Mitarbeiter selten fließend Englisch. Am Ende unterschreiben viele Flüchtlinge Papiere, deren Inhalt sie nicht kennen.
Deshalb haben die sechs jungen Männer im letzten Jahr nicht nur Deutsch gelernt, sondern auch an der Entwicklung einer neuen Smartphone-App, die den Weg durch die deutsche Bürokratie erleichtern soll, gearbeitet.
„Bureaucrazy“ – ein passendes Wortspiel
Die App „Bureaucrazy“ soll im Januar 2017 eingeführt werden. Mit ihr können Formulare und Vordrucke aus dem Deutschen ins Arabische und Englische übersetzt werden. Das Besondere an der App: Die Dokumente können dann in der Fremdsprache ausgefüllt und anschließend zurück ins Deutsche übersetzt werden. Die App soll Flüchtlingen außerdem helfen, sich bei den Behörden zu registrieren oder ein Bankkonto zu eröffnen. Hinzu kommen Karten, auf denen Behörden und Ämter verzeichnet sind.
„Wenn du Papierkram zu erledigen hast und nicht weißt, wie es geht, kannst du diese App benutzen, und wir werden dir dann sagen, welche Unterlagen du eventuell brauchst und wo du sie abgeben musst oder auch welche Behörden du besuchen musst“, erklärte Ghaith Zamrik (19) in einem Interview mit Deutsche Welle-Reporter Jaafar Abdul Karim für die arabische Sendung „Shabab Talk“.
„Bureaucrazy“ ist nicht nur ein kreativer, sondern auch ein sehr passender Begriff - denn deutsche Bürokratie ist tatsächlich eine verrückte Angelegenheit. Munzer Khattab, dessen Muttersprache Arabisch ist, erfand den Namen der App, als er das englische Wort 'bureaucracy' falsch aussprach.
Programmierkurs half den Flüchtlingen bei der Entwicklung
Keiner der sechs App-Erfinder hatte Fachkenntnisse in IT und Programmieren, als sie die Idee zur „Bureaucrazy“ hatten. Die meisten ihrer Fähigkeiten erwarben sie während eines Kurses an der ReDi School of Digital Integration in Berlin. Die Firmenneugründung ReDi bietet Kurse rund ums Programmieren für Flüchtlinge an. Dort können sie ihre eigenen Programme entwerfen und Ideen realisieren.
Ghaith und seine fünf Freunde nahmen an solch einem Kurs teil, den Prototypen für die App entwickelten sie bereits als Teil des Kursprogrammes an der ReDi.Beim „Start-Up Europe Summit“, eines von der Europäischen Kommission und Facebook gesponserten Events, konnten sie die Jury von ihrem Projekt überzeugen und erhielten den ersten Preis.
Wenn die App vollendet ist, soll sie später einmal nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland und in anderen Städten Europas angewendet werden können. Das Konzept bleibt dabei dasselbe: Regierungsunterlagen und Formulare werden gesammelt und in der App gespeichert, so dass sie später übersetzt werden können. Die App kann also leicht an andere Länder angepasst werden, wenn die Unterlagen der Behörden vorliegen. Nun hofft man auf eine Zusammenarbeit mit den Berliner Behörden, um die App zunächst in Berlin zu testen.
„Bureaucrazy“ braucht Unterstützung
Noch suchen die frischgebackenen App-Entwickler nach Unterstützung - durch Beamte, IT-Fachleuten und Sponsoren. Eine Crowdfunding-Kampagne unterstützt durch Anne Kjaer, Leiterin der ReDi School of Digital Integration, soll nun die Entwicklung der App finanzieren.