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"Ein Verlust für die Politik insgesamt"

6. März 2011

Die Ereignisse rund um den Rücktritt von Verteidigungsminister zu Guttenberg haben die Unionsparteien erschüttert. Noch im März stehen drei Landtagswahlen an. Wo steht die CDU? Fragen an Generalsekretär Hermann Gröhe.

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Hermann Gröhe (Foto: DW-TV)
Hermann GröheBild: DW-TV

DEUTSCHE WELLE: Herr Gröhe, in Deutschland wurden die zum großen Teil abgeschriebene und deswegen auch umstrittene Doktorarbeit des Verteidigungsministers und sein Rücktritt kritisch kontrovers diskutiert. Im Ausland gab es erstaunlicherweise überwiegend Kommentare, die Respekt gegenüber dem demokratischen Anstand und der demokratischen Kultur in Deutschland zeigten. War für Sie der Rücktritt Guttenbergs in dieser Woche unausweichlich und damit vielleicht sogar auch selbstverständlich?

Hermann Gröhe: Jedenfalls habe ich hohen Respekt vor der Entscheidung von Karl-Theodor zu Guttenberg, mit der er ja auch bewusst der Bundeswehr und den Unionsparteien eine längere quälende Diskussion erspart hat. Ja, es gab schwere Fehler, die er eingestanden hat, für die er sich entschuldigt hat. Ich finde aber, jeder Mensch hat das Anrecht darauf, nicht auf einen Fehler - und sei er noch so schwer - reduziert zu werden. Insofern, finde ich, gehörte es sich auch, zu der Person solidarisch zu stehen und auch seine Leistungen als Politiker zu würdigen.

Die Union und das Kabinett haben eine außergewöhnlich charismatische Persönlichkeit verloren. Wie schwer wiegt der Verlust für die CDU/CSU?

Es ist ein Verlust für die Politik insgesamt, aber besonders natürlich für die Unionsfamilie. Das besondere Talent, das Charisma von Karl-Theodor zu Guttenberg besteht ja nicht nur in der Leidenschaft für die Sache und dem Einsatz für die Soldatinnen und Soldaten - nicht zuletzt im Auslandseinsatz. Es besteht darin, dass er es geschafft hat, jüngere Leute, aber auch andere, die der Politik eher fern sind, wieder für Politik zu interessieren. Und das ist schon eine sehr stark mit seiner Persönlichkeit verbundene Leistung. Da ist er nicht schnell zu ersetzen. Gar keine Frage: In der Sache sind mit Thomas de Maizière (neuer Verteidigungsminister, bisher Innenminister) und Hans-Peter Friedrich (neuer Innenminister) tolle Personalentscheidungen getroffen worden, die zeigen, es geht etwa bei der wichtigen Bundeswehrreform gut weiter.

Glauben Sie, dass sich die Affäre um den Rücktritt auf die bevorstehenden Landtagswahlkämpfe auswirken wird?

Die Menschen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wissen sehr genau, um was es geht: um die Zukunft ihres Bundeslandes. Darum, dass Sachsen-Anhalt nicht wieder zurückfällt, das hat sich unter CDU-Führung toll entwickelt. Dass Baden-Württemberg auf der Erfolgsspur bleibt - von Bildung, Forschung, Arbeitsplätzen. Aber auch, dass der Filz in Rheinland-Pfalz endlich ein Ende hat und mit Julia Klöckner der Neuanfang gelingt. Uns fehlt jetzt ein begnadeter Wahlkämpfer, aber wir vertrauen auf das Votum der Menschen.

Man soll Umfragen ja nicht überbewerten, aber es ist doch erstaunlich, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung ein unglaubliches Wirtschaftswachstum zu verantworten hat - und das in den Ausläufern der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 1929. Die Arbeitslosenzahl ist so niedrig wie seit Dekaden, aber in Umfragen wirkt sich das nicht sonderlich beflügelnd aus. Haben Sie eine Erklärung für diese Diskrepanz?

Das beschäftigt uns. Aber zuerst freuen wir uns, wie gut es diesem Land wieder geht. Vor anderthalb Jahren bekamen wir fünf Millionen Arbeitslose prophezeit. Doch es gibt Rekord-Beschäftigung, Rekord-Wachstum. Das ist eine grandiose Entwicklung. Da hat die Politik wichtiges dazu beigetragen. Aber es waren auch die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich sehr sozialpartnerschaftlich zusammengefunden haben, um die Krise zu bewältigen. Dafür sind wir dankbar. Im übrigen: Die Zustimmungsrate zur Bundeskanzlerin ist stark, ganz stark. Und daraus wollen wir natürlich als Union insgesamt noch mehr Zustimmung zu CDU und CSU machen.

Die Umbrüche im Nahen Osten haben dazu geführt, dass ein ganz anderes Thema ein bisschen verdrängt wurde, nämlich die Krise des Euro. Spüren Sie eigentlich in der Partei, ob es ein großes Vertrauen in den Euro gibt? Oder spüren Sie eher, dass die Menschen sich fragen: Ist der Euro eine Währung, die vielleicht auf Dauer nicht zu halten ist?

Der Euro ist für Deutschland ein Gewinn. Das ist die Überzeugung, die man bei ganz vielen Menschen spürt; vor allem bei den jungen, die sich kaum noch an die D-Mark erinnern können. Und jeder weiß, dass wir durch die schwere internationale Krise schlechter gekommen wären mit nationalen Währungen. Dennoch ist es wichtig, dass die Bundesregierung keinen Zweifel daran lässt, dass die Stabilität der Währung für uns ein zentrales Thema ist. Und dass wir in Europa zusammenhalten müssen, um die Verschuldungskrise in einzelnen Ländern bewältigen zu können.

Der Markenkern der CDU ist es, eine konservative Volkspartei zu sein. Was ist konservativ denn heute?

Für uns heißt konservativ heute, dass uns die Liebe zum eigenen Land und das Bekenntnis zu seiner Tradition leitet, bürgerliche Wertvorstellungen von Eigenverantwortung, aber auch Mitverantwortung für andere, Freiheit immer zu begreifen im Zusammenhang mit Verantwortung. Also das Konservative ist in der Union gut aufgehoben.

Das Interview führte Alexander Kudascheff
Redaktion: Christian Walz