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Ein Studiengang der großen Visionen

20. September 2010

Sie kommen aus Malawi, Swasiland, Lesotho oder Mauritius: 23 Zollbeamte, die zurzeit in Münster einen einzigartigen Studiengang absolvieren, das Masterstudium "Customs Administration".

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Stopkelle mit Aufschrift 'Halt Zoll' (Foto: Bilderbox)
Bild: bilderbox

Jayshree Bye Rama friert. Der deutsche Sommer macht ihr und den anderen Studenten zu schaffen. Daheim auf Mauritius heißt Sommer mindestens 30 Grad. Im Studentenwohnheim in Münster würde sie am liebsten die Heizung anmachen. Die 29-Jährige ist das erste Mal allein im Ausland. Auf Mauritius ist sie zur Schule gegangen und hat an der dortigen Uni Betriebswirtschaft studiert und ihren Master in Finanzwirtschaft gemacht. Sie hat sich bewusst für eine berufliche Karriere in einem traditionellen Männerjob entschieden und will jede Chance nutzen, sich weiterzubilden. Deshalb hat sie sich auch für den Aufbaustudiengang "Customs Administration" in Münster beworben. "Es war eine große Chance für mich. Auf Mauritius gibt es keine Universität, die einen solchen Kurs anbietet."

Einfache Handelswege in einer globalisierten Welt

Prof. Michael Wolffgang mit dem Generalsekretär der World Customs Organization (WCO) anlässlich der Anerkennung des Studiengangs durch die WCO (Foto: Uni Münster)
Prof. Michael Wolffgang (links) bei einem Treffen der World Customs OrganizationBild: Universität Münster

Der einjährige Aufbaustudiengang vermittelt den Teilnehmern aus meist afrikanischen Ländern internationale Standards im Zollwesen. Während in vielen europäischen Staaten die Grenzen und damit auch die Zölle fallen, ist das Zollwesen für afrikanische Staaten eine wichtige Einnahmequelle. Die Waren brauchen aber oft sehr lange, bis sie endlich vom Zoll freigegeben werden. Weltweit einheitliche Zollbestimmungen könnten die Handelswege vereinfachen, meint Professor Michael Wolffgang vom Institut für Steuerrecht in Münster. "Gerade in den afrikanischen Staaten kann man beobachten, dass es noch starke Grenzkontrollen mit langen Zeitverzögerungen gibt, was für den Fluss des Handels nicht gerade förderlich ist." Deshalb hat er bereits vor einigen Jahren diesen außergewöhnlichen Studiengang ins Leben gerufen. Das Studium ist eingebunden in ein Programm des Entwicklungshilfeministeriums, das sich "International Leadership Training" nennt und von der Entwicklungsorganisation InWent betreut wird. Es beinhaltet neben dem eigentlichen Studium auch Sprachkurse oder Management-Seminare.

Zollwesen, eine Männerdomäne

Das Zollwesen auf Mauritius wird – wie in vielen anderen Staaten auch – von Männern dominiert. Jayshree Bye Rama wollte eine der wenigen Frauen in diesem Berufszweig sein, nicht zuletzt um sich Respekt in der Männerwelt zu verschaffen. "Wenn dich die Leute in deiner Uniform sehen, dann respektieren sie dich einfach." Jayshree liegt aber auch viel an der Zukunft ihres Landes. Sie hat sich auf den Bereich Risiko-Management, also auf die Betrugsbekämpfung spezialisiert. Es geht zum Beispiel darum, Strategien und Konzepte zu entwickeln, wie man die Einfuhr illegaler Waren verhindert. Oder wie man den Wert von Importgütern korrekt bemisst, um entsprechende Zölle erheben zu können. Zölle sind auch auf Mauritius eine der Haupteinnahmequellen.

Containersicherheit im globalen Zeitalter

Teilnehmer des Masterstudiengangs Custom Administration in Münster (Foto: Uni Münster)
Das Studium eröffnet beste Chancen auf einen guten Job.Bild: Universität Münster

Gerade die Sicherheit der Waren und der Handelswege habe in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert erlangt, bestätigt Professor Michael Wolffgang. "Millionen von Containern werden jedes Jahr um die Welt bewegt. Man kann sich vorstellen, dass es gar nicht möglich ist, diese Container alle physisch zu überprüfen." Es gibt deshalb zunehmend sogenannte autorisierte Wirtschaftsbeteiligte, die in ihren Firmen selbst schon für die Sicherheit sorgen und für den Inhalt der Container bürgen. Wo so viele Leute in der Handelskette beteiligt werden, braucht es die besagten internationalen Standards und Mechanismen im Zollwesen, wie etwa eine einheitliche Art der Nummerierung von Containern.

Der Weg zu internationalen Organisationen

Deshalb bekommen die Studenten in Münster Unterricht in Zollpolitik und Gesetzgebung, sie lernen das internationale Handelsrecht kennen, und sie beschäftigen sich mit modernen Managementtechniken. Die Dozenten kommen aus aller Welt, einer von ihnen ist der Wirtschaftsjurist Professor Achim Rogmann. Immer wieder bestätigen ihm ehemalige Studierende, dass sie durch den Aufbaustudiengang in ihrer Heimat Karriere gemacht haben. "Eine Absolventin dieses Kurses darf jetzt zur Welt-Zollorganisation nach Brüssel gehen." Das zeige, so Rogmann, dass Absolventen von "Customs Administration" beste Chancen für sehr verantwortungsvolle Positionen in internationalen Organisationen hätten.

Auch Jayshree verspricht sich viel von dem Studium in Deutschland und möchte beruflich weiterkommen. "Ich möchte in so vielen Ländern arbeiten wie ich nur kann, das ist mein Traum, nicht um das Leben dort zu genießen, sondern um viel zu lernen."

Graduierung der Absolventen des Masterstudiengangs Custom Administration in Münster (Foto: Uni Münster)
Viel gelernt: Die Absolventen des Jahrgangs 2007 bei ihrer GraduierungBild: Universität Münster

Kampf gegen die Korruption

Für Professor Wolffgang ist aber auch wichtig, dass die Studierenden nicht nur der Karrieregedanke treibt. Er hofft, dass sich die Master-Zöllner mit ihren neuen Erfahrungen gegen Korruption und für einen sicheren Handel einsetzen, und ist zuversichtlich, das Bewusstsein der Studierenden positiv zu beeinflussen. "Das hat mir vor zwei Jahren am Schluss eines Kurses eine Studentin aus Sambia bestätigt. Sie sagte, sie sei als Einsammler von Geldern für das Haushaltsbudget ihres Landes gekommen und gehe jetzt als jemand, der für Handelsvereinfachung stehe."

Customs Administration international

Ab dem Wintersemester 2010/2011 wird der Aufbau-Studiengang "Customs Administration" nicht mehr nur für Teilnehmer aus afrikanischen Ländern angeboten, sondern steht Zöllnern weltweit offen. Von dem Angebot können dann auch Mitarbeiter von Firmen profitieren, die verantwortlich sind für die reibungslosen Transporte ihrer Waren in die ganze Welt.


Autorinen: Stefanie Krings / Gaby Reucher
Redaktion: Claudia Unseld