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Ein rollendes Museum auf Westafrika-Tour

Adrian Kriesch
11. April 2018

10.000 Kilometer, sieben Länder: Sechs Künstler haben sich am Dienstag auf eine Reise durch Westafrika gemacht - in einem alten Bus, der nun ein rollendes Museum ist. Adrian Kriesch hat sie vor der Abreise getroffen.

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Ein Mann steht vor einem gelben bus mit der Aufschrift "Mdu Mobile Museum of Contemporary Art"
Mit einem alten Schulbus wollen die Künster Westafrika durchquerenBild: DW/A. Kriesch

Emeka Udemba ist genervt. Eigentlich sollte der alte gelbe Mercedes-Bus längst auf der Straße sein. Doch beim rechten Rücklicht fehlt die Abdeckung. "Sowas muss repariert werden, sonst machen wir uns selbst Probleme", sagt er zum Fahrer. Udemba meint die Polizei. Die hat hier weniger den Ruf Probleme zu lösen, sondern ist eher auf der Suche nach Fehlern, um Schmiergeld zu kassieren. "Dann muss man kreativ sein, um das Problem zu lösen", sagt Udemba und lacht wieder.

Ein klappriger Schulbus als rollendes Museum - das war Udembas Idee. Der nigerianische Künstler lebt eigentlich in Deutschland, ist mit seinem Heimatland aber weiter eng verbunden. Udemba glaubt, dass Museen und öffentliche Räume in vielen afrikanischen Ländern nicht so funktionieren, wie sie sollten. "Jeder braucht Kultur und Anregungen – nicht nur die Reichen in den schönen Stadtteilen", sagt Udemba. "Die Idee eines heutigen Museums ist nicht mehr nur einfach, Dinge aufzubewahren. Es ist ein Ort für Diskussionen, ein Ort, an dem Künstler mit neuen Ideen experimentieren können. Es ist ein Treffpunkt für Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft. So eine Plattform zu haben, die überall hinfahren kann, ist fantastisch."

Kultur nicht nur für Reiche

Gemeinsam mit dem Goethe-Institut setzt Udemba das Projekt jetzt zum zweiten Mal um. Die sechs Künstler aus Nigeria, Ghana, der Elfenbeinküste, Senegal und Deutschland werden drei Wochen lang unterwegs sein. Endpunkt ihrer Fahrt ist die internationale Kunstmesse DaK'Art im Senegal. "Mobile Museum of Contemporary Art" steht auf dem alten Schulbus. Die Künstler werden auf unterschiedliche Kulturen, Sprachen und politische Gegebenheiten treffen. Das soll sich auf ihre Arbeit auswirken, die wiederum möglichst interaktiv sein soll. Menschen, die sie entlang der Tour treffen, sollen einbezogen werden. "Stretched Terrains" ist deshalb Titel der Reise.

Foto von Emeka Udemba
Emeka Udemba hatte die Idee, das rollende Museum auf die Reise zu schickenBild: DW/A. Kriesch

"Es wird ein wahnsinniger Austausch stattfinden", sagt Gabriel Goller, während er seine Sachen in den Bus packt. Der Fotograf und Student ist als einziger Künstler aus Deutschland mit an Bord. "Wir haben verschiedene Künstler, die alle unterschiedliche Sachen machen: Leute, die Skulpturen machen, Maler und Künstler, die eher digital arbeiten. Das ist ein schöner Mix. Da wird was sehr Kreatives dabei rauskommen."

Kunstaktionen entlang der Reiseroute

Unterwegs soll es immer wieder spontane Kunstaktionen geben. Die in Dakar und während der Reise entstehenden Werke werden auf der Rückreise nach Nigeria in den Goethe-Instituten und Kulturzentren in der Region vorgestellt.

Eine Erwartungshaltung gebe es aber nicht, sagt Friederike Möschel. Die Leiterin des Goethe-Instituts in Lagos sieht die Tour als Experiment – aber durchaus auch mit einer Mission: "Es geht eigentlich darum, die westafrikanischen Künstler untereinander zu verbinden. Denn dort findet leider viel zu wenig Austausch untereinander statt", so Möschel. Das liege zum einen an sprachlichen Hürden zwischen dem englisch- und dem französischsprachigen Teil Westafrikas. Aber auch logistisch gebe es Probleme: schlechte Flugverbindungen, teure Visa, komplizierte Reisen auf dem Landweg.

Ein gelber Bus mit einem roten Banner an der Seite
Der Bus wird sieben Länder durchquerenBild: DW/A. Kriesch

Zehn Stunden für 100 Kilometer

Der nigerianische Experimentalkünstler und Fotograf Monsuru Alashe weiß genau, was Möschel damit meint. Alashe nahm bereits letztes Jahr an der Tour teil. "Vor allem die nigerianische Polizei ist nicht so nett", sagt der Nigerianer.  Er erinnert sich noch gut an die Fahrt von Lagos bis zur Grenze mit dem Nachbarland Benin. Eigentlich nur 100 Kilometer. "Wir haben fast zehn Stunden gebraucht. Kaum hat man einen Kontrollpunkt passiert, kommt schon wieder der nächste. Alle stellen die gleichen Fragen. Du verschwendest so viel Zeit. Das war sehr frustrierend."

Schockiert war Alashe auch, als er in Mali plötzlich zahlungsunfähig war. Nicht weil er kein Geld mehr hatte, sondern weil niemand mehr die nigerianische Währung Naira als Zahlungsmittel akzeptieren oder umtauschen wollte. Dabei sind Mali und Nigeria wie die meisten westafrikanischen Staaten in der Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. "Man fragt sich: ist das ein kaputtes System? Kann es verbessert werden?", so Kurator Emeka Udemba. "Güter und Menschen sollten sich wie in der Europäischen Union frei bewegen können. Aber hier sieht die Realität anders aus."

Nach zweieinhalb Stunden Verspätung ist die Abdeckung vom Rücklicht repariert. Die Künstler können endlich einsteigen. Auch ein Mechaniker ist mit an Bord - der Bus hat immerhin schon einige Jahre auf dem Buckel. Emeka Udemba setzt sich in die erste Reihe, lächelt voller Vorfreude. Erstes Ziel: die berühmt-berüchtigte Grenze zum Nachbarland Benin.