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Politik

Ein neuer Euro-Maidan in Moldau?

Vitalie Călugăreanu | Robert Schwartz
1. Juli 2018

Seit Tagen gehen die Menschen in der moldauischen Hauptstadt Chișinău auf die Straße. Sie fordern die Anerkennung der Lokalwahlen und eine unabhängige Justiz. Jetzt wurde ein Bündnis des Nationalen Widerstands gegründet.

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Republik Moldau - Proteste in Chisinau gegen die Annulierung der Lokalwahlen
Proteste in Chisinau gegen die Annulierung der LokalwahlenBild: DW/E.Covalenco

Proteste in der Republik Moldau

Das erklärte Ziel des neuen Bündnisses ist nicht der Kampf um die Macht in der Republik Moldau. Vielmehr richtet sich der Protest gegen das eng verwobene System aus Oligarchen, korrupten Politikern und gegängelter Justiz. Ins Leben gerufen wurde diese Allianz von den beiden pro-europäischen Oppositionspolitikern Andrei Năstase, dem Chef der Plattform "Würde und Wahrheit" (DA), und Maia Sandu, der Vorsitzenden der "Partei Aktion und Solidarität" (PAS). Das Bündnis wird von führenden Vertretern der Zivilgesellschaft unterstützt.

Auslöser der neuen Massenproteste war die Annullierung der vorgezogenen Lokalwahlen vom 3. Juni in Chișinău. Năstase hatte die Stichwahl zum Oberbürgermeister der Hauptstadt gegen den sozialistischen Kandidaten Ion Ceban klar gewonnen, doch wurde der Urnengang überraschend von einem Gericht wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten annulliert. Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil. Überraschend deshalb, weil internationale Beobachter und der unterlegene Kandidat selbst die Wahlen als korrekt bezeichnet hatten.

Republik Moldau Oppositionspolitiker vor Oberstem Gericht
Oppositionspolitiker Andrei Năstase und Maia Sandu vor dem Obersten Gericht in ChișinăuBild: DW/ Elena Covalenco

Die fadenscheinige Begründung der Gerichte lautete, der Sieger habe noch am Wahltag "unerlaubte Agitation" betrieben. Dabei hatte Năstase die Moldauer nur aufgerufen, wählen zu gehen, ohne eine Empfehlung auszusprechen. Das sei verboten. Eine klare Bestimmung im Wahlgesetz dafür gibt es nicht.

Ein gespaltenes Land

Viele Moldauer sehen das Urteil als einen verzweifelten Versuch der regierenden Demokratischen Partei (PDM) und ihres Vorsitzenden Vlad Plahotniuc, des mächtigen Oligarchen und Strippenziehers, die politische Kontrolle über das Land nicht zu verlieren. Im Herbst finden Parlamentswahlen statt und die PD schafft laut Umfragen nur knapp den Sprung ins Parlament. Stärkste Kräfte sind die Sozialisten (PSRM) des pro-russischen Staatspräsidenten Igor Dodon und Maia Sandus PAS.

Nicht nur die Opposition spricht von einem geheimen Bündnis zwischen den sogenannten Demokraten Plahotniucs und Dodons Sozialisten mit dem Ziel, die pro-europäischen Politiker mit allen Mitteln zu diskreditieren. Die Bevölkerung des Landes ist gespalten. Viele, vor allem junge Menschen haben ihrer Heimat den Rücken gekehrt, um im Ausland Arbeit zu finden und ein normales Leben zu führen.

Angst vor ukrainischen Verhältnissen

Andrei Năstase warnt vor einem "Janukowitsch-Szenario" wie in der Ukraine vor gut fünf Jahren. Ein Szenario, sagte Năstase im DW-Interview, das von Plahotniuc auch in der Republik Moldau umgesetzt werden könnte. Das sei für die Demokratie und die Bürger inakzeptabel. "Unser Ziel ist es, das Land aus diesem Würgegriff zu befreien und Demokratie, Normalität in unserem Land wiederherzustellen", erklärte der Chef der Plattform DA.

Seine Mitstreiterin Maia Sandu sieht in der Annulierung der freien und korrekten Lokalwahlen einen letzten Beweis dafür, dass es dem Vorsitzenden der regierenden Demokraten, Plahotniuc, gelungen sei, alle Institutionen des Staates - auch die Justiz - unter seine Kontrolle zu bringen. Im Interview mit der DW sagte die ehemalige Beraterin der Weltbank und frühere Bildungsministerin, die Lage in ihrem Land sei kritisch. "Wir wollen mit allen Beteiligten gemeinsam dafür eintreten, dass die Demokratie in der Republik Moldau gerettet wird", so Maia Sandu.

Angespannte Lage

Auch die Europäische Union hat auf die aktuelle Krise in Chișinău reagiert. In einem von der EU-Aussenbeauftragten Federica Mogherini und dem Erweiterungskommissar Johannes Hahn unterzeichneten Schreiben heißt es, die EU erwarte von allen Verantwortlichen die Respektierung des Wahlergebnisses, das "von den nationalen und internationalen Beobachtern anerkannt wurde und das den Willen der Wähler widerspiegelt".

Republik Moldau - Gründung der Bewegung des Nationalen Widerstands
Gründung der "Bewegung des Nationalen Widerstands" im Juni 2018Bild: DW/E. Covalenco

Die Reaktion der regierenden PDM auf die jüngsten Entwicklungen ist eher zurückhaltend. Parlamentschef Andrian Candu erklärte, man könne nicht in einen Justizakt eingreifen. Er wolle sich aber für Reformen im Justizwesen einsetzen. Sein Chef Plahotniuc warnte vor einer Eskalation der Lage. Man würde sonst "andere, viel größere Überraschungen" erleben. Was er damit konkret gemeint hat, bleibt sein Geheimnis.

Für Sonntag, den 1. Juli, hat das Bündnis des Nationalen Widerstands eine neue Massendemonstration im Zentrum der Hauptstadt angekündigt. Es wird erwartet, dass sich auch viele Moldauer aus anderen Städten daran beteiligen.