1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Alterungsforschung

Frank Hajasch10. Dezember 2012

Sie sind nur etwa einen Zentimeter klein, aber echte Wundertiere: Hydren gelten als unsterblich. Biologen fanden heraus, dass ein bestimmtes Gen dafür zuständig ist - und dieses Langlebigkeitsgen hat auch der Mensch.

https://p.dw.com/p/16vL4
Seniorin mit vielen Falten. (© HumerMedia- Fotolia.com, #16888281)
Alte Frau Symbolbild AlternBild: Fotolia/HumerMedia

Warum altern wir? Wann sterben wir und wieso? Seit Jahrhunderten schon beschäftigen sich Wissenschaftler mit diesen Fragen. Dabei untersuchen sie die Bedingungen menschlichen Lebens und interessieren sich in den vergangenen Jahren auch verstärkt für die Gene des Menschen. Bereits 2009 hatte es an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ein Forschungsprojekt dazu gegeben. Mediziner fanden ein "Methusalem-Gen", nachdem sie das Erbgut von 388 Hundertjährigen untersucht hatten. Dieses sogenannte FoxO-Gen war bei den Probanden auffällig aktiv. So vermuteten die Wissenschaftler bereits damals einen Zusammenhang zwischen dem hohen Alter und diesem bestimmten Gen.

Das Langlebigkeitsgen in der Hydra

Sein ganzes Forscherleben schon hält die Hydra den Kieler Biologen Thomas Bosch in ihrem Bann. Auch wenn sein Doktorvater schon damals riet, sich nicht länger mit dem winzigen Süßwasserpolypen zu beschäftigen - die Tiere hatten es dem Wissenschaftler einfach angetan. "Immerhin sind sie etwa 550 Millionen Jahre alt. Und sie sind unsterblich, das weiß man schon lange“, so der Forscher.

In der Hydra wurde das Langlebigkeitsgen untersucht. Das Tier ist ca. 1 cm groß. (Foto: CAU/Fraune, Universität Kiel, geliefert von F. Hajasch)
Die circa 1 cm große Hydra gilt als unsterblichBild: CAU/Fraune

Mit diesem "wichtigen Baustein des Altwerdens", so Bosch, beschäftigt sich in seiner Arbeitsgruppe die Mikrobiologin Anna-Marei Böhm. Sie arbeitet seit Jahren mit den kleinen Nesseltierchen, auch Polyp genannt und erforscht da FoxO-Gen. "Wir haben uns durch Sequenzieren und mit technischen Tricks die Gene der Zellen angeschaut und festgestellt, dass in allen Zellen ein Gen ganz besonders oft auftritt: Jenes, das auch beim Menschen zum Altern führt.“

Weil das FoxO-Gen der Hydra in einer besonders aktiven Form vorliege, sei die Erforschung zum Verständnis menschlicher Alterungsprozesse einfach wichtig, sagt Thomas Bosch. "Dieses Gen ist scheinbar uralt. Unsere Tiere sind ja auch sehr alt. Aber wenn Sie dieses Gen stören, werden selbst die unsterblichen Hydren altern."

Arbeit mit Hydra am Mikromanipulator

Die Erforschung der Hydra geschieht auch in Kiel im Labor. Die Doktorandin Anna-Marei Böhm arbeitet dort schon seit langem mit den schlauchartigen Nesseltieren und sie weiß, warum diese Tiere nicht sterben: "Die Hydra hat spezielle Stammzellen, die sich dauerhaft teilen und damit auch nicht aufhören. Das ist bei uns Menschen und den meisten anderen Organismen anders. Denn mit der Zeit wird diese Teilungsaktivität der Stammzellen verringert - das führt zum Altern.“

Professor Thomas Bosch, Leiter der Hydra-Studie mit Anna Marei Böhm, Jörg Wittlieb und Dr. Konstantin Khalturin (Foto: CAU/Winters, Universität Kiel, geliefert von Frank Hajasch)
Zellbiologen aus Kiel haben das Langlebigkeitsgen in der Hydra gefundenBild: CAU/Winters

Bei ihren Versuchen arbeitet die Mikrobiologin mit genetisch veränderten Polypen, bei denen das FoxO-Gen entfernt wurde. Diese genetischen Bausteine bringt Anna-Marei Böhm mit noch embryonalen Hydren zusammen. "Dadurch werden auch diese Embryonen experimentell genetisch verändert. Wir können so bestimmte Gene verstärken oder eben auch ausschalten.“

Manipulierte Hydra-Zellen unter dem Mikroskop

Wie erfolgreich die genetische Veränderung war, lässt sich unter dem Mikroskop beobachten. Dort sieht man, dass die Hydra-Embryonen ein Molekül produzieren, das grün leuchtet - ein Zeichen dafür, dass das manipulierte Genmaterial aufgenommen wurde. 

Das Procedere wird so lange wiederholt, bis die Tiere möglichst komplett genetisch verändert sind und kein FoxO-Gen mehr zu finden ist. "Wir konnten dann auf einmal feststellen, dass die Tiere immer langsamer wuchsen. Zudem gab es auch Reaktionen bei anderen Genen. So veränderte sich durch das Ausschalten des FoxO-Gens gleichzeitig das Immunsystem. Es wurde schwächer.“ Genau das sei das Altern, erklärt Prof. Thomas Bosch. "Im Alter werden wir kränklicher. Auch die Haut eines alten Menschen sieht ganz anders aus als die eines jungen. Die Haare des alten Mannes werden grau und weniger. Das sind alles Stammzellprobleme. Das Altern ist ein Stammzellproblem. Wir verlieren die Stammzellen und sie verlieren ihre Fähigkeit, sich selbst zu erneuern.“

Eine Gensequenz wird in einen Hydra-Embrio injiziert (Foto: CAU/Wittlieb, Universität Kiel, geliefert von F. Hajasch)
Eine Gensequenz wird in einen Hydra-Embrio injiziertBild: CAU/Wittlieb

Welche Bedeutung haben Gene beim Alterungsprozess?

Trotz aller Fortschritte beim FoxO-Gen, die Genetik bestimme nur zu etwa 20 Prozent, wie alt der Mensch werde, betont Thomas Bosch. Den überwiegenden Teil mache nach wie vor die Umwelt aus. "Uns kann es erst mal nur darum gehen, die Beschwerlichkeiten des Alterns besser in den Griff zu bekommen. Aufhalten können wir das Altwerden nicht.“