Ein Haarschnitt für Obdachlose
In der Berliner Bahnhofsmission können Obdachlose kostenlos zum Friseur gehen. Die Berlinerin Franziska Dinter schneidet ihnen ehrenamtlich die Haare. Viele der Bedürftigen kommen vor allem, um mit ihr zu sprechen.
SPRECHERIN:
Ein gewöhnlicher gewöhnlich hier: normal Mittag am Bahnhof Zoo Bahnhof Zoo (m., nur Singular) der Bahnhof Berlin Zoologischer Garten . Obdachlose Obdachlose, -n (m./f.) jemand, der kein Zuhause hat und auf der Straße lebt (Adjektiv: obdachlos) warten vor der Bahnhofsmission Bahnhofsmission, -en (f.) eine Organisation, die an Bahnhöfen Menschen, die Hilfe brauchen, unterstützt und ihnen z. B. Essen, Getränke und Schlafmöglichkeiten anbietet auf kostenloses Essen, eine Dusche oder einen neuen Haarschnitt. Einmal pro Woche schneidet die gelernte Friseurin Franziska Dinter ehrenamtlich ehrenamtlich freiwillig und ohne bezahlt zu werden die Haare. Aber nur um die Frisur Frisur, -en (f.) die Art und Weise, wie die Haare von jemandem geschnitten sind geht es hier nicht.
FRANZISKA DINTER (Friseurin):
Eigentlich brauchen viele von denen bloß jemand[en], der sie in den Arm nimmt oder der sie … und der Zeit hat und zuhört und einfach mal führt jemanden führen hier: sagen, was man tun kann oder machen soll , ja?! Und sie sind … manche Leute, die sagen dann Mama zu mir, oder: Ach, wenn ich jetzt … wenn du doch meine Mutter wärst, dann würde ich ganz anders leben.
SPRECHERIN:
Draußen riecht es nach Urin Urin (m., nur Singular) die Flüssigkeit, die man auf der Toilette aus dem Körper lässt , Schnaps Schnaps, Schnäpse (m.) ein Getränk mit viel Alkohol, das meistens aus kleinen Gläsern getrunken wird und Schweiß Schweiß (m., nur Singular) eine Flüssigkeit, die auf der Haut entsteht, wenn es heiß ist oder man Fieber hat , drinnen in der Friseurecke von Franziska Dinter nach Haarschaum Haarschaum (m., nur Singular) eine leichte, weiße Masse, die man in die Haare reibt, um ihnen eine bestimmte Form zu geben und Pflegecreme. Manche Kunden haben sich lange nicht gewaschen, stinken, andere haben sogar Läuse Laus, Läuse (f.) hier: ein sehr kleines Tier (ein Insekt), das in Haaren oder Fell sitzt und von Menschen- oder Tierblut lebt .
FRANZISKA DINTER:
Also, geekelt sich vor etwas ekeln etwas so unangenehm finden, dass man eine starke körperliche Reaktion fühlt (z. B. dass einem schlecht wird) habe ich mich sich vor etwas ekeln etwas so unangenehm finden, dass man eine starke körperliche Reaktion fühlt (z. B. dass einem schlecht wird) vor gar keinem. Ich hab' literweise literweise in größeren Mengen von mehreren Litern schon Desinfektionszeug Desinfektionszeug (n., nur Singular) meist: das Desinfektionsmittel; eine Flüssigkeit, um etwas sehr gründlich zu reinigen und Bakterien zu vernichten quasi verbraucht. Ich hab' da keinen Ekel davor.
ANSELM (Obdachloser):
Ich muss bald wieder ins Krankenhaus.
FRANZISKA DINTER:
Ach du je! ach du je ein Ausruf, mit dem man Erschrecken und Sorge ausdrückt Ernsthaft ernsthaft hier: wirklich; tatsächlich , oder… ?
ANSELM:
Ja, ernsthaft. Ich lag ja schon einmal im Koma Koma, -s/-ta, (n.) der schlafähnliche Zustand, bei dem man eine längere Zeit ohne Bewusstsein ist .
FRANZISKA DINTER:
Was?
ANSELM:
Ja!
SPRECHERIN:
Früher arbeitete Anselm als Journalist, doch dann wurde er krank, verlor seinen Job, vor drei Jahren die Wohnung. Zum Abschluss schenkt Franziska Dinter ihm Sorgenpüppchen Sorgenpüppchen, - (n.) ganz kleine, meist selbstgemachte Puppen, denen man seine Sorgen und Ängste erzählen soll, um sich davon frei zu machen , ihnen soll er seine Nöte Not, Nöte (f.) hier: das Problem; das Leiden; die Sorge erzählen, wenn sie nicht da ist.
ANSELM:
Und du hast ja immer ein liebes Wort für die Leute, die auch dich teilweise gar nicht verstehen. Darf ich dich umarmen?
FRANZISKA DINTER:
Ach, na gerne. Na, da wünsch ich dir alles Gute.
ANSELM:
Und dir auch alles Gute! Das war für mich immer schon 'ne Freundin. Also, ich gehe da nicht hin, weil ich kostenlos den Haarschnitt bekommen kann, sondern die guten Gespräche mit ihr. Und das ist so ‘n Geben und Nehmen.
SPRECHERIN:
Dieser Rucksack und sein Stoffschaf Stoffschaf, -e (n.) ein Spielzeugtier als Schaf aus einem weichen Stoff wie ein Teddybär; ein Kuscheltier sind sein einziger Besitz. Auch Franziska Dinters Leben stand auf Messers Schneide stehen redensartlich: in großer Gefahr sein; in einer Situation sein, in der etwas entweder (wieder) gut oder ganz schlecht wird schon auf Messers Schneide auf Messers Schneide stehen redensartlich: in großer Gefahr sein; in einer Situation sein, in der etwas entweder (wieder) gut oder ganz schlecht wird . Früher hatte sie ein eigenes Häuschen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Ein schwerer Autounfall änderte alles. Aus dem Schicksalsschlag Schicksalsschlag, -schläge (m.) ein schlimmes Ereignis, das große Auswirkungen auf das Leben von jemandem hat hat sie gelernt.
FRANZISKA DINTER:
Also, ich sage: Das Fallen ist schlimm, das Liegenbleiben ist noch schlimmer, aber das Nicht-Wiederaufstehen ist am allerschlimmsten, nicht?
SPRECHERIN:
Ohne den Unfall, sagt sie, wäre sie nie auf die Idee gekommen, Obdachlosen ehrenamtlich die Haare zu schneiden.
FRANZISKA DINTER:
Ich bin dankbar, dass meine Hände heil heil hier: gesund geblieben sind, und das ist meine Aufgabe, und wenn der liebe Gott mir noch ein paar Jahre gibt, dann mache ich das noch so lange wie …
SPRECHERIN:
Franziska Dinter hat nachgerechnet: Mehr als 11.000 Bedürftigen Bedürftige, -n (m./f.) eine Person, die sehr arm ist und die Hilfe von anderen braucht hat sie schon die Haare geschnitten. Und es können noch viele mehr werden.
Ein Haarschnitt für Obdachlose
gewöhnlich — hier: normal
Bahnhof Zoo (m., nur Singular) — der Bahnhof Berlin Zoologischer Garten
Obdachlose, -n (m./f.) — jemand, der kein Zuhause hat und auf der Straße lebt (Adjektiv: obdachlos)
Bahnhofsmission, -en (f.) — eine Organisation, die an Bahnhöfen Menschen, die Hilfe brauchen, unterstützt und ihnen z. B. Essen, Getränke und Schlafmöglichkeiten anbietet
ehrenamtlich — freiwillig und ohne bezahlt zu werden
Frisur, -en (f.) — die Art und Weise, wie die Haare von jemandem geschnitten sind
jemanden führen — hier: sagen, was man tun kann oder machen soll
Urin (m., nur Singular) — die Flüssigkeit, die man auf der Toilette aus dem Körper lässt
Schnaps, Schnäpse (m.) — ein Getränk mit viel Alkohol, das meistens aus kleinen Gläsern getrunken wird
Schweiß (m., nur Singular) — eine Flüssigkeit, die auf der Haut entsteht, wenn es heiß ist oder man Fieber hat
Haarschaum (m., nur Singular) — eine leichte, weiße Masse, die man in die Haare reibt, um ihnen eine bestimmte Form zu geben
Laus, Läuse (f.) — hier: ein sehr kleines Tier (ein Insekt), das in Haaren oder Fell sitzt und von Menschen- oder Tierblut lebt
sich vor etwas ekeln — etwas so unangenehm finden, dass man eine starke körperliche Reaktion fühlt (z. B. dass einem schlecht wird)
literweise — in größeren Mengen von mehreren Litern
Desinfektionszeug (n., nur Singular) — meist: das Desinfektionsmittel; eine Flüssigkeit, um etwas sehr gründlich zu reinigen und Bakterien zu vernichten
ach du je — ein Ausruf, mit dem man Erschrecken und Sorge ausdrückt
ernsthaft — hier: wirklich; tatsächlich
Koma, -s/-ta, (n.) — der schlafähnliche Zustand, bei dem man eine längere Zeit ohne Bewusstsein ist
Sorgenpüppchen, - (n.) — ganz kleine, meist selbstgemachte Puppen, denen man seine Sorgen und Ängste erzählen soll, um sich davon frei zu machen
Not, Nöte (f.) — hier: das Problem; das Leiden; die Sorge
Stoffschaf, -e (n.) — ein Spielzeugtier als Schaf aus einem weichen Stoff wie ein Teddybär; ein Kuscheltier
auf Messers Schneide stehen — redensartlich: in großer Gefahr sein; in einer Situation sein, in der etwas entweder (wieder) gut oder ganz schlecht wird
Schicksalsschlag, -schläge (m.) — ein schlimmes Ereignis, das große Auswirkungen auf das Leben von jemandem hat
heil — hier: gesund
Bedürftige, -n (m./f.) — eine Person, die sehr arm ist und die Hilfe von anderen braucht