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Das Gespräch führte Andreas Becker, z.Zt. Doha2. Dezember 2008

Auch in Zeiten einer weltweiten Krise muss der Kampf gegen Hunger und Armut fortgeführt werden, fordert die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im Gespräch mit DW-WORLD.DE.

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Heidemarie Wieczorek-Zeul
Heidemarie Wieczorek-ZeulBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Frau Ministerin, während einer UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha ist viel über die Bedeutung gesprochen worden, die die Internationale Gemeinschaft diesem Treffen beigemessen hat. Können Sie mir das Ziel der Konferenz in einem Satz beschreiben?

Wieczorek-Zeul: Sie sollte dazu beitragen, dass in der schweren ökonomischen und möglicherweise humanitären Krise die Welt entschlossen bleibt, Armut und Hunger entgegenzuwirken. Und einen, wie ich es nenne, "Global New Deal" für das 21. Jahrhundert zu schließen.

Was meinen Sie mit einem "Global New Deal"?

Heute wissen wir genau: Gegensteuern gegen Krisen können wir nur noch global. Meine persönliche Auffassung ist, dass ein so genannter Global Council, wie ihn auch einmal der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors vorgeschlagen hat, der sich zusammensetzt aus hochrangigen Vertretern aller Regionen und der internationalen Finanzorganisationen, dass ein solcher Global Council eine solche Form der Abstimmung in ökonomischen und sozialen Fragen leisten sollte.

Das Treffen von Doha ist auch eine Folgekonferenz der UN-Beratungen in Monterey 2002. Wenn es diese Konferenz damals nicht gegeben hätte, was wäre heute anders?

Ich denke, die Finanzierung der Millenniumsentwicklungsziele wäre nicht so gut vorangekommen. Man muss sagen, nach Monterey gab es als erstes ein Ansteigen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und es gab das Versprechen des Schuldenerlasses, und das hat die Internationale Gemeinschaft in zwei Stufen eingelöst und zuletzt auch noch mal verbunden mit einem multilateralen Schuldenerlass der in Gleneagles beschlossen worden ist.

Trotzdem sagt unter anderem der Generalsekretär der OECD, dass er nicht davon ausgeht, dass viele Länder die Millenniumsentwicklungsziele erreichen werden...

Er weist auf einen Sachverhalt hin: In allen Krisen zuvor ist immer die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt worden. Und er sagt: In dieser Phase, in der wir sind, wäre eine Kürzung das Falscheste was man machen kann, zumal sich das alles zulasten von Frauen und Kindern und Schwächsten in der Gesellschaft auswirkt. Und er betont noch mal ausdrücklich, dass es in einer so globalen Situation auch im Interesse der Industrieländer ist, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht in eine Rezession verfallen. Denn sie waren bisher ja die Wachstumstreiber, die Wachstumsmotoren. Also in einer globalen Welt wäre das das Falscheste, was man machen kann, und ich persönlich füge hinzu: wenn die Welt imstande ist, dreistellige Milliardenbeträge zur Rettung der Finanzmärkte zu mobilisieren, das muss es doch wohl auch möglich sein, die weit geringeren Milliardenbeträge zu mobilisieren, die notwendig sind, um die Welt von Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit und Klimawandel zu retten.

Zu dem Versprechen gehörte auch, dass die reichen Länder den Anteil der Entwicklungshilfe am Volkseinkommen auf 0,7 Prozent steigern. Bleibt Deutschland dabei, dieses Ziel bis 2015 umzusetzen?

Ja, das hat ja für die Europäische Union der französische Präsident Sarkozy insgesamt gesagt. Das haben wir auch in unserer Koalitionsvereinbarung verankert zwischen CDU/CSU und SPD. Und das entspricht dem, was wir eben gesagt haben: Es ist auch in unserem ureigensten Interesse, dass die Welt nicht in einen massiven wirtschaftlichen Abschwung gerät.

Nun haben wir noch nicht 2015, aber der Sekretär der Generalversammlung der Vereinten Nationen wies darauf hin, dass das Versprechen eigentlich aus den 1970er Jahren stammt...

Ja, aber es hat sich, glaube ich, auch mittlerweile herumgesprochen, dass der Fehler unserer Altvorderen in den 70er Jahren war, dass sie damit kein Zeitziel verbunden haben. Und der große Fortschritt, den die Europäische Union gemacht hat war, dass sie im Jahr 2005 das Zeitziel gesetzt hat, über das wir jetzt sprechen, also bis 2010 0,51 und bis 2015 0,7 Prozent. Und insofern ist das beispielhaft für andere zur Nachahmung.