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Ein langer Weg

28. Juni 2011

2010 war ein erholsames Jahr für den Finanzstandort Deutschland. Aber die Finanzbranche sieht sich auf einem langen Weg zu einer neuen Ordnung und drängt auf eine tragfähige, langfristige Lösung für den Euro.

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Symbolbild Banken in Frankfurt (Foto: dpa)
Finanzmetropole FrankfurtBild: Fotolia/Michael Kügler

Der Rückblick macht Freude: Das vergangene Jahr war gut für den Finanzstandort Deutschland. Die meisten Märkte konnten sich erholen, besonders stark die Aktienmärkte: Die Kurse kletterten, doppelt so viele Unternehmen wie im Krisenjahr 2009 wagten sich an die Börse. Die Bürger investierten wieder – wenn auch vor allem sicherheitsorientiert in Bankeinlagen und Versicherungen.

Bank und Eurozeichen (Foto: AP)
Die Banken vergaben weniger KrediteBild: AP

Nicht ganz so stark verlief das Jahr für die Finanzierungsmärkte, meint das Dialogforum Finanzstandort Deutschland, das in der Nachfolge der IFD, der Initiative Finanzstandort Deutschland, nun einen Bericht vorstellte: Bankkredite wurden noch nicht so häufig vergeben wie vor der Krise, Verbriefungen und Investitionen von Beteiligungsgesellschaften haben ebenfalls das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Und auch das Geschäft mit Übernahmen und Verschmelzungen, im Fachjargon M&A (Mergers & Acquisitions) genannt, lief noch nicht so, wie die Branche sich das vorstellt. Selbst an den Rentenmärkten wurden netto so wenig neue Mittel aufgenommen wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Und das, obwohl der Staat mehr Schulden aufnahm.

Staatsschulden beschäftigen den Standort

Staatsschulden sind aber das wesentliche Thema, das den Finanzstandort beschäftigt: Wenn auch weniger die Schulden Deutschlands als die der Peripherieländer - vor allem Griechenlands. Die Banken und Versicherungen sind bei der Lösung dieser Krise als private Gläubiger auch griechischer Staatsanleihen direkt betroffen. Kurzfristig und wohl auch noch in dieser Woche werde es eine Lösung geben, glaubt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, die aber kaufe nur Zeit. Ein zweites Hilfspaket für Griechenland im September dürfe nur unter strikten Bedingungen vergeben werden, unter Beteiligung privater Gläubiger.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank (Foto: DekaBank)
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBankBild: Ulrich Kater

Dabei hält auch die deutsche Finanzwirtschaft den französischen Kompromiss für sinnvoll, nach dem die Banken dort nur einen Teil der griechischen Staatsanleihen neu zeichnen, die in den nächsten Jahren fällig werden. Diese Anleihen sollen dann aber eine erheblich längere Laufzeit haben. Das aber kann nur eine Zwischenlösung sein. Die Banken und Versicherungen drängen deshalb auf tragfähige Modelle: Strukturhilfen und Reformen müssten zu mehr Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands führen. "Das geht nicht in zwei Jahren", sagt Kater. Darüber vergehe mindestens eine Dekade: "Griechenland muss möglichst schnell wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren können", sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.

Mehr Unabhängigkeit von Ratingagenturen

Michael Heise, Allianz-Chefvolkswirt (Foto: DW-TV)
Michael Heise, Allianz-ChefvolkswirtBild: DW-TV

Die wesentliche Problematik bestehe darin, sagt Heise, Wege zu finden, wie die Schulden Griechenlands reduziert werden könnten, ohne dass dies die Ratingagenturen als Zahlungsausfall werteten. Denn das hätte erhebliche Folgen auch für die Europäische Zentralbank (EZB), die dann griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit von den griechischen Banken annehmen könnten. Damit könnte sie die Banken Griechenlands nicht mehr mit Liquidität versorgen, deren Zusammenbruch wäre die Folge. "Ich würde mir sowieso wünschen, dass die EZB sich etwas unabhängiger macht von diesen offiziellen Ratings und ihre eigene Einschätzung über die Ausfallwahrscheinlichkeit bestimmter Anleihen vornimmt und diese auch kommuniziert", sagte Heise.

Derzeit machen sich Politik und Wirtschaft abhängig von einer Handvoll amerikanischer Ratingagenturen, die eine Lösung der europäischen Schuldenkrise mit ihrem Urteil zunichte machen könnten. Man sei im Gespräch, versichern die Vertreter des Finanzstandorts. Griechenland müsse gerettet werden, darin sind sie sich einig. Aus der Währungs- sei aber keine Transferunion geworden: "Die Transferelemente sind Einzelmaßnahmen", betont der Chefvolkswirt der DekaBank, Ulrich Kater. Sie stellten kein Transfersystem dar.

Der Blick richtet sich nach vorn

Die Experten schauen auch weiterhin nach vorn: Denn langfristig könne der Euro nur Erfolg haben, wenn Europa nach der Bewältigung der Krise enger zusammenrücke. Und das bedeute eine stärkere politische Integration. Dazu schlagen sie vor, die Defizitkompetenz aus den nationalen Haushalten auf die Europäische Kommission zu übertragen. Aufstellung und Verwendung des Staatshaushalts bleibe aber selbstverständlich weiter in nationaler Hand.

Autorin: Brigitte Scholtes
Redaktion: Monika Lohmüller