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Ein chinesisches Märchen

Frank Sieren26. März 2014

Der Aufstieg von Amazon und Ebay zu Weltkonzernen war beeindruckend. Aber jetzt stellen chinesische Mitwettbewerber die amerikanischen Erfolgsstorys in den Schatten, meint DW-Kolumnist Frank-Sieren.

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Taxi in Shanghai
Bild: picture-alliance/Peter Steffen

In Peking zur Hauptverkehrszeit ein Taxi zu bekommen, ist seit einigen Wochen schwierig. Immer mehr Taxen sind online vorgebucht. Die neue Pekinger Taxi-App lohnt sich für alle Beteiligten. Die Kunden bekommen auch zu Stoßzeiten ein Taxi mit Rabatt und die Fahrer können ihre Routen besser kalkulieren und so die Leerzeiten reduzieren. Der chinesische Internetkonzern Alibaba, der hinter der App steckt, bricht bereits alle Rekorde.

Seit Jack Ma und seine Partner vor 15 Jahren das Unternehmen in seinem Wohnzimmer in Hangzhou im Süden Chinas gründete, legte Alibaba ein märchenhaftes Wachstum hin. Im ersten Jahr sicherte sich Ma Investitionen in Höhe von 25 Millionen US-Dollar von renommierten ausländischen Banken, darunter die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs und die japanische Softbank. Anders als die westlichen Vorreiter war sein Unternehmen schon nach drei Jahren profitabel. Ma wird mittlerweile nicht nur als Milliardär, sondern auch als Held gefeiert, der das Internet sowie den Onlinehandel in China grundlegend mitgestaltet und revolutioniert hat. Auch ihm ist es zu verdanken, dass chinesische Internetfirmen zu den größten Unternehmen im Privatsektor herangewachsen sind. Früh hat Ma erkannt, dass Internetnutzer genau wissen, was sie wollen und er konnte dabei von den Erfahrungen der amerikanischen Pioniere profitieren.

Neben Alibaba hat er mit taobao.com, einem der größten Online-Kaufhäuser für Privatanbieter, und mit TMall.com eine populäre Plattform für Kleinunternehmer gegründet, die dort ihre Produkte anbieten können. Als Internetpionier in China hat er damit auch den Grundstein für Onlinebezahlsysteme und die Infrastruktur für Logistik gelegt. Damit lockte er nicht nur Millionen Hobbyverkäufer, sondern auch um die 58 Millionen kleine und mittelständische Einzelhändler auf seine Seiten. Ähnlich wie Ebay und Amazon im Westen, hat Alibaba das Kaufverhalten und die Art Geschäfte zu machen, komplett verändert.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
Frank SierenBild: Frank Sieren

Es ist nur folgerichtig, dass Ma nun den nächsten Schritt wagen und an die Börse gehen will. Obwohl weder das genaue Datum noch der Ausgabekurs bekannt sind, beflügeln täglich neue Spekulationen in chinesischen und westlichen Medien die Fantasien.

Denn klar ist: Während das Wachstum der westlichen Internethändler langsam an Grenzen stößt, nimmt Alibaba gerade erst Fahrt auf. Schon jetzt haben 618 Millionen Chinesen einen Internetzugang und kaufen auch online ein: Im vergangenen Geschäftsjahr wurden Waren im Wert von knapp 171 Milliarden Dollar über Alibabas Plattformen verkauft - mehr als über Amazon und Ebay zusammen. Und wie sehen die Zahlen erst aus, wenn auch die andere Hälfte der Bevölkerung online unterwegs ist?

Bei dem nun geplanten Börsengang soll vor allem frisches Geld gesammelt werden, um die Produktpalette zu erweitern. Neben Alipay, einem mit PayPal vergleichbaren mobilen Zahlungsdienst, sollen noch mehr Anreize zum Einkaufen gesetzt werden.

Doch selbst so einem Vorzeigeunternehmen erlaubt die chinesische Regierung nicht alles. Alibabas neuestes Produkt, eine virtuelle Kreditkarte, bekam keine Lizenz. Zu heikel war den Regulierern, dass weder die Kreditwürdigkeit der Kunden geprüft wurde, noch die Sicherheit des Systems garantiert werden konnte. Die Regierung fürchtet, den Überblick zu verlieren, wenn die Zahlungen unabhängig von den staatlichen Banken abgewickelt werden sollen. Der Regierung ist dabei auch wichtig, dass die Wettbewerber eine Chance haben und keine Quasimonopole entstehen. Das haben sie schnell gelernt von der Entwicklung im Westen.

Auch Weibo, ein kostenloser chinesischer Kurznachrichtendienst und JD.com, die Nummer zwei in Chinas Onlinehandel, haben bei der US-Börsenaufsicht einen Antrag eingereicht, um in New York an die Börse zu gehen. Es wird also eine zweite Welle von chinesischen IPOs im Ausland geben. Diesmal sind die Hauptprofiteure aber nicht mehr nur die ausländischen Investoren, sondern vor allem Chinas Verbraucher sowie auch Asiens Finanzwelt. So bietet Alibaba seinen Nutzern die Möglichkeit, ihr Geld mit hohen Renditen zu investieren. Und längst drängen Anleger in Asien ihre Banker Aktien von Alibaba vorzeitig zu sichern. Damit treiben sie die Preise so hoch, dass ausländische Investoren wohl kaum noch ein Schnäppchen machen werden.

Klar ist aber auch: Obwohl Chinas Internetindustrie auf dem Vormarsch ist, wird zumindest im Fall von Alibaba der Westen nicht ganz leer ausgehen: Allein der US-Internetkonzern Yahoo besitzt 24 Prozent der Anteile an Alibaba und wird kräftig am Börsengang mitverdienen. Dass die chinesischen Unternehmen bald auch im westlichen Markt expandieren, können sie mit dieser Beteiligung allerdings nicht verhindern.

Unser Korrespondent lebt seit 20 Jahren in Peking.