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"Ein Brandmal für Rostock"

26. August 2012

20 Jahre nach den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen hat der Bundespräsident zum Engagement gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Tausende demonstrierten gegen Fremdenfeindlichkeit.

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Ein brennende Pkw auf einer Straße am Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen während der Krawalle im August 1992 (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Ereignisse von 1992 erzürnten und schmerzten ihn und seien bis heute "ein
Brandmal für Rostock", sagte Joachim Gauck auf der zentralen Gedenkkundgebung in der Hansestadt. Die Krawalle seien ein Ausdruck staatlichen Versagens. "Demokratie muss wehrhaft sein und darf sich das Gewaltmonopol nicht aus der Hand nehmen lassen", mahnte Gauck bei der zentralen Gedenkkundgebung.

Es gelte, die damaligen Ereignisse "immer wieder zu betrachten, zu analysieren, um aus den Fehlern und Versäumnissen von damals zu lernen", sagte Gauck. Inzwischen sei Deutschland zu einem Einwanderland geworden. Wenn man sich über die Bedingungen der Zuwanderung einige, "werden wir Zuwanderer nicht vor allem als Problem empfinden, sondern als Menschen, deren Anwesenheit zu unserem gemeinsamen Wohl beiträgt".

Gauck spricht bei Gedenkfeier in Lichtenhagen

Rechtsextremisten stehe heute eine breite Front gegenüber, ist sich der in Rostock geborene Staatspräsident sicher: "Wir versprechen Euch, wir fürchten Euch nicht. Wo ihr auftretet, werden wir Euch im Wege stehen", sagte Gauck an Adresse der Rechtsextremisten. Der von idiesen verbreitete Hass dürfe als Mittel der Konfliktlösung niemals geduldet werden, warnte Gauck.

Mehrere tausend Menschen waren zu der Gedenkstunde vor den wegen seiner Bemalung "Sonnenblumenhaus" genannten Plattenbau gekommen. Unter ihnen waren auch über 1000 Fahrradfahrer, die im Rahmen einer Sternfahrt angereist waren. Unmittelbar vor Beginn der zentralen Gedenkkundgebung wurde zur Erinnerung an die erschreckenden Ereignisse ein Baum als Symbol des Friedens gepflanzt.

Demonstranten auf Fahrrädern (Foto: dpa)
Für mehr Toleranz in die Pedale getretenBild: picture-alliance/dpa

Austellungen zur Erinnerung

Schon seit Tagen erinnert Rostock mit Demonstrationen, Ausstellungen und Podiumsdiskussionen an die beklemmenden Geschehnisse von 1992. Nachdem Asylsuchende wochenlang vor der Zentralen Aufnahmestelle campiert hatten, entluden sich Ausländerfeindlichkeit und soziale Spannungen in Gewalt.

Rechtsextreme und ein entfesselter Mob warfen Steine und Brandsätze auf ein benachbartes Haus, in dem zu diesem Zeitpunkt 150 Menschen waren, davon rund 100 Vietnamesen.

20 Jahre Rostock - Leben nach den Anschlägen

Nur durch Flucht auf das Dach konnten sie sich vor den Flammen retten, die aus den Fenstern schlugen. Durch Glück wurde niemand getötet. Die Polizei war lange Zeit nicht in der Lage, die Randalierer wirksam zu stoppen. Dafür erhielten die Angreifer von den immer zahlreicher werdenden Schaulustigen Applaus.

Rostock entschuldigt sich

Anlässlich des Jahrestags entschuldigten sich die demokratischen Parteien und die Rostocker Bürgerschaft bei den Opfern. In einer Erklärung heißt es, die Behörden von Bund, Land und der Hansestadt hätten versagt. Auch nach den Ereignissen hätten die betroffenen Migranten und Asylsuchenden nicht die notwendige Solidarität aus der Gesellschaft erhalten.

Unter dem Motto "Das Problem heißt Rassismus" zogen am Samstag Tausende Menschen durch die Rostocker Innenstadt. Später versammelten sie sich vor dem "Sonnenblumenhaus". Die Polizei sprach von rund 4500 Teilnehmern vornehmlich aus dem linken Spektrum. Die Organisatoren bezifferten die Zahl der Demonstranten mit 6500, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist seien.

Als Konsequenz forderte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering ein Verbot der rechtsextremen NPD. "Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei, die gegen Ausländer hetzt und die Demokratie und Freiheit bedroht. Eine solche Partei gehört verboten", schreibt der SPD-Politiker in einem Beitrag für die "Bild am Sonntag".

wl/uh/ml/pg (dpa, afp)