Ein Blick in deutsche Kochtöpfe
Saumagen, Kutteln und Maultaschen: Diese regionalen Spezialitäten aus der Pfalz und Schwaben klingen erst mal nicht lecker, doch der Eindruck täuscht. Deutschlands Südwesten hat kulinarisch viel zu bieten.
Die Küche in Deutschlands Regionen ist so unterschiedlich wie die Menschen, ihre Sprache und ihre Gewohnheiten. Die meisten Spezialitäten werden mit bestimmten Gegenden verbunden, wie beispielsweise der Saumagen mit der Pfalz und Spätzle und Maultaschen mit Schwaben. Was die Pfälzer Küche ausmacht, bringt Anette Ueberschaer, Inhaberin des Gasthauses Eselsburg in Mußbach in Neustadt an der Weinstraße, auf den Punkt:
„Deftig deftig kräftig; nahrhaft , macht glücklich. Und so ist eben auch die Pfälzer Küche.“
Zwar mag man es in allen deutschen Regionalküchen eher deftig, in der Pfalz aber ganz besonders. Keine Speisekarte ohne Schlachtplatte Schlachtplatte, -n (f.) ein Gericht, das im Wesentlichen aus verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten besteht , Saumagen Saumagen, - (m.) der mit verschiedenen Zutaten gefüllte Magen vom Schwein und Leberknödel Leberknödel, - (m.) ein Kloß, der aus zerquetschter Leber, Gewürzen und anderen Zutaten geformt wird . Ein Riesling Riesling, -e (m.) eine Weinsorte, die aus kleinen, sehr süßen gelben oder roten Trauben hergestellt wird hilft bei der Verdauung. Gemütliche Weinstuben, Kneipen und Biergärten gibt es viele in der Region. Aber keine ist so originell wie die Eselsburg in Mußbach, die Anette Ueberschaer von Maler und Gastronom Peter Wiedemann übernommen hat. Dessen Vater Fritz Wiedemann war Künstler und hatte hier sein Atelier:
„Die Grundmauern sind mehrere Jahrhunderte alt. Aber das, was Sie sehen, ist nicht älter als 40 Jahre, aufgebaut vom Fritz Wiedemann, einer der bedeutenden Künstler hier in der Pfalz, Bildhauer, Maler. Und das zieht sich hier eigentlich durch die ganze Eselsburg, egal, wo sie Ihren Blick hinwerfen: Sie werden immer Neues entdecken – selbst ich. Ich sag hier immer: Das ist so ’n Pfälzer Feng Shui. Wenn Sie hier reinkommen, Sie werden einfach umarmt von einer Gemütlichkeit, Sie fühlen sich sofort zu Hause.“
Die Mischung aus Kunstort und Kneipe wurde zur Institution, die Sohn Peter nach dem Tod von Fritz Wiedemann weiterführte. Alles scheint nach der chinesischen Harmonielehre Feng Shui gestaltet zu sein, der Mensch soll sich in den Räumen im Einklang mit seiner Umgebung fühlen, so Anette Ueberschaer:
„Nicht ehrfürchtig – nicht wie in einem Museum. Es hat Gebrauchsspuren, und es ist einfach ein Ort zum Wohlfühlen. Der Gaumen Gaumen, - (m.) hier: der Teil in der Mundhöhle, mit dem man schmeckt soll Freude haben und das Auge auch.“
Zwei Kilometer weiter im Winzer Winzer, - / Winzerin, -nen jemand, der beruflich Wein produziert und verkauft dorf Wachenheim rührt Klaus Hambel Kartoffeln, Fleisch und Gewürze zur bekanntesten Pfälzer Spezialität zusammen: Saumagen. Wie viele regionale Essen ist auch dieses Gericht eigentlich eine Resteverwertung, erklärt er:
„Bei der Hausschlachtung Haus|schlachtung, - (f.) das Schlachten von Tieren auf dem eigenen Hof oder Grundstück hat man Pellkartoffeln Pellkartoffel, -n (f.) eine gekochte Kartoffel, deren Haut abgezogen, gepellt, wird gehabt vom Mittagessen, man hat Wellfleisch Wellfleisch, - (n.) das gekochte Bauchfleisch eines Schweines; auch: Kesselfleisch gehabt vom Mittagessen und natürlich Schweinemett Mett, - (n.) gehacktes Schweinefleisch von der Bratwurstfüllung. Und diese drei Komponenten Komponente, -n (f.) der Bestandteil; die Zutat sind eigentlich die klassische Zutaten vom Saumagen.“
So wie früher wird der Saumagen natürlich nicht mehr hergestellt. Bei exakt 72 Grad verbringt er vier Stunden im Ofen, damit der Inhalt schonend gart und saftig bleibt. Jahrelang hat Klaus Hambel mit seinem Vater experimentiert, um die ideale Mischung der Zutaten zu finden. Saumagen wurde in der Region schon lange zubereitet, aber bekannt wurde die traditionelle Pfälzer Spezialität erst durch den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl. Der ließ das deftige Gericht auch bei Staatempfängen auf den Tisch bringen und verhalf ihm so sogar zu internationalem Ruhm. Begibt man sich von der Pfalz etwas weiter südöstlich, landet man in Schwaben. Den Menschen hier sagt man nach, sie seien geizig und äußerst pingelig pingelig pedantisch; übergenau; kleinlich . Sie selbst behaupten von sich, alles zu können – außer Hochdeutsch. Kulinarisch kulinarisch bezogen auf gutes Essen bekannt geworden sind sie unter anderem durch ihre Spätzle und die „Herrgottsbscheißerle“. Helmut Kress, Inhaber der Weinstube Göhner in Tübingens Altstadt, klärt auf:
„Also Maultaschen gibt’s normal auf ’n Freitag, und wir sagen ja hier im Schwäbischen auch ‚Herrgottsbscheißerle‘, weil man auf ’n Karfreitag Karfreitag, - (m.) der Freitag vor Ostern: der Tag, an dem der Kreuzigung Jesu Christi gedacht wird ja kein Fleisch essen darf. Und da hat man dann das Hackfleisch Hackfleisch, - (n.) rohes Fleisch, das mit einem Küchengerät in so kleine Stücke gehackt wird, dass eine weiche Masse entsteht eingepackt in Nudelteig, und somit konnte der Herrgott nicht sehen, was man isst.“
Aber Maultaschen sind weit mehr als eine listige listig raffiniert, schlau Art, religiöse Regeln zu brechen und den Herrgott zu bescheißen, zu betrügen. Maultaschen sind eine schwäbische Institution und natürlich der Renner Renner, - (m.) umgangssprachlich für: eine Sache, die sehr erfolgreich und beliebt ist auf der Speisekarte von Helmut Kress. Dabei wandelt etwas ab|wandeln etwas leicht verändern er das traditionelle Rezept etwas ab etwas ab|wandeln etwas leicht verändern :
„Die Maultasche wird zubereitet mit Rinderhack, Schweinehack, dann kommt rein Spinat Spinat, - (m., nur Singular) grünes Blattgemüse , dann Brot und Gewürze – Salz, Pfeffer, bissel Muskat Muskat (m., nur Singular) ein geriebenes Gewürz aus der Muskatnuss, einem Samen in Nussform , Petersilie Petersilie (f., nur Singular) eine Pflanze mit dunkelgrünen, glatten oder krausen Blättern, die zum Würzen verwendet wird . Und wir machen sie selber nicht mit Spinat, weil Spinat hat nicht so viel Eigengeschmack. Wir nehmen Lauch Lauch, e- (m.) ein Gemüse mit einem langen weißen Stängel und grünen Blättern, das wie eine Zwiebel schmeckt; auch: Porree , ganz feingeschnittener Lauch, dann schmeckt die Maultasche ’n bisserl deftiger.“
Einmal zubereitet halten sie für mehrere Tage. Schließlich wird in Schwaben nichts verschwendet und weggeworfen, erst recht keine Maultaschen. Und da gibt es klare Regeln: Am ersten Tag werden die Maultaschen mit Kartoffelsalat gegessen, am zweiten ohne und am dritten werden sie häufig mit Ei überbacken. Schwaben haben aber auch noch andere Hausmannskost-Klassiker Klassiker, - (m.) hier: etwas, das auch nach langer Zeit noch sehr bekannt und beliebt ist/oft genutzt wird zu bieten. Hier gibt es Gerichte, die im Norden Deutschlands kaum zu finden sind, zum Beispiel Rindermagen – früher als ordinär ordinär gewöhnlich, minderwertig verpönt verpönt verrufen, von anderen für schlecht erachtet , heute eine von Gourmets Gourmet, -s (m., aus dem Französischen) jemand, dem gutes Essen sehr wichtig ist; der Feinschmecker geschätzte Delikatesse:
„Innereien sind im Schwäbischen sehr wichtig. Also die Schwaben essen sehr gern Innereien, wie jetzt saure Kutteln Kuttel, -n (f., meist Plural) ein essbares Stück vom Magen oder Darm des Rindes . Da werden die Kutteln in Streifen geschnitten und auch wieder mit Tomaten und Zwiebel, Nelken Nelke, -n (f.) hier: die als Gewürz verwendete, getrocknete Blüte eines tropischen Baumes , Lorbeerblättern Lorbeerblatt, -blätter (n.) das Blatt eines Baumes, das meist getrocknet als Gewürz verwendet wird aufgekocht etwas auf|kochen etwas Flüssiges so lange erhitzen, bis es kocht – und Rotwein. Schon mal wichtig: Wein dabei.“
Denn der Wein gibt die besondere Geschmacksnote Geschmacksnote, -n (f.) ein Merkmal, das bei einer Speise oder einem Getränk das Besondere ausmacht . Ein Gericht, das in der Aufzählung schwäbischer Gerichte nicht vergessen werden sollte, meint Helmut Kress, ist ein altes Soldatengericht, das einen ausgesprochen klangvollen Namen trägt:
„Gaisburger Marsch: Der Name kommt schon mal daher, weil früher in Stuttgart gibt’s ’n Stadtteil Gaisburg. Und da mussten die Soldaten immer hin marschieren zum Essen, und da gab’s immer donnerstags oder freitags den Gaisburger Marsch, und da hat man immer die ganzen Reste – Kartoffeln, Spätzle, Gemüse, was man so hatte, in die Brühe Brühe, -n (f.) eine Suppe, die aus Fleisch, Knochen, Gemüse und Wasser gekocht wird getan als Eintopf Eintopf, Eintöpfe (m.) ein Gericht, das aus mehreren Zutaten (z.B. Gemüse, Kartoffeln, Fleisch) besteht, die zusammen in einem Topf gekocht werden , und hat ein Saitenwürstle Saitenwürstle, - (n.) schwäbisch für: eine dünne Wurst aus Schweinefleisch dazugegeben. Das war der ursprüngliche Gaisburger Marsch. So ’n Resteessen.“
Aber auch bei traditionellen Gerichten muss man, so der Tübinger Gastronom Herbert Rösch, inzwischen mit der Zeit gehen mit der Zeit gehen fortschrittlich sein, neue Entwicklungen mitmachen :
„Die Leute wollen einfach nicht nur das Klassische, sondern die wollen schon die Veränderung, jahreszeitlich aufgepeppt etwas auf|peppen umgangssprachlich für: etwas so gestalten, dass es eine bessere Wirkung hat . Einfach modern, kreativ – ja, das sind so die Dinge, die man heute einfach leisten muss.“
Kleine Veränderungen halten die traditionellen, regionalen Spezialitäten problemlos aus. Schließlich hat jede Köchin und jeder Koch sein eigenes Rezept – Hauptsache, es schmeckt.
Ein Blick in deutsche Kochtöpfe
deftig — kräftig; nahrhaft
Schlachtplatte, -n (f.) — ein Gericht, das im Wesentlichen aus verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten besteht
Saumagen, - (m.) — der mit verschiedenen Zutaten gefüllte Magen vom Schwein
Leberknödel, - (m.) — ein Kloß, der aus zerquetschter Leber, Gewürzen und anderen Zutaten geformt wird
Riesling, -e (m.) — eine Weinsorte, die aus kleinen, sehr süßen gelben oder roten Trauben hergestellt wird
Gaumen, - (m.) — hier: der Teil in der Mundhöhle, mit dem man schmeckt
Winzer, - / Winzerin, -nen — jemand, der beruflich Wein produziert und verkauft
Haus|schlachtung, - (f.) — das Schlachten von Tieren auf dem eigenen Hof oder Grundstück
Pellkartoffel, -n (f.) — eine gekochte Kartoffel, deren Haut abgezogen, gepellt, wird
Wellfleisch, - (n.) — das gekochte Bauchfleisch eines Schweines; auch: Kesselfleisch
Mett, - (n.) — gehacktes Schweinefleisch
Komponente, -n (f.) — der Bestandteil; die Zutat
pingelig — pedantisch; übergenau; kleinlich
kulinarisch — bezogen auf gutes Essen
Karfreitag, - (m.) — der Freitag vor Ostern: der Tag, an dem der Kreuzigung Jesu Christi gedacht wird
Hackfleisch, - (n.) — rohes Fleisch, das mit einem Küchengerät in so kleine Stücke gehackt wird, dass eine weiche Masse entsteht
listig — raffiniert, schlau
Renner, - (m.) — umgangssprachlich für: eine Sache, die sehr erfolgreich und beliebt ist
etwas ab|wandeln — etwas leicht verändern
Spinat, - (m., nur Singular) — grünes Blattgemüse
Muskat (m., nur Singular) — ein geriebenes Gewürz aus der Muskatnuss, einem Samen in Nussform
Petersilie (f., nur Singular) — eine Pflanze mit dunkelgrünen, glatten oder krausen Blättern, die zum Würzen verwendet wird
Lauch, e- (m.) — ein Gemüse mit einem langen weißen Stängel und grünen Blättern, das wie eine Zwiebel schmeckt; auch: Porree
Klassiker, - (m.) — hier: etwas, das auch nach langer Zeit noch sehr bekannt und beliebt ist/oft genutzt wird
ordinär — gewöhnlich, minderwertig
verpönt — verrufen, von anderen für schlecht erachtet
Gourmet, -s (m., aus dem Französischen) — jemand, dem gutes Essen sehr wichtig ist; der Feinschmecker
Kuttel, -n (f., meist Plural) — ein essbares Stück vom Magen oder Darm des Rindes
Nelke, -n (f.) — hier: die als Gewürz verwendete, getrocknete Blüte eines tropischen Baumes
Lorbeerblatt, -blätter (n.) — das Blatt eines Baumes, das meist getrocknet als Gewürz verwendet wird
etwas auf|kochen — etwas Flüssiges so lange erhitzen, bis es kocht
Geschmacksnote, -n (f.) — ein Merkmal, das bei einer Speise oder einem Getränk das Besondere ausmacht
Brühe, -n (f.) — eine Suppe, die aus Fleisch, Knochen, Gemüse und Wasser gekocht wird
Eintopf, Eintöpfe (m.) — ein Gericht, das aus mehreren Zutaten (z.B. Gemüse, Kartoffeln, Fleisch) besteht, die zusammen in einem Topf gekocht werden
Saitenwürstle, - (n.) — schwäbisch für: eine dünne Wurst aus Schweinefleisch
mit der Zeit gehen — fortschrittlich sein, neue Entwicklungen mitmachen
etwas auf|peppen — umgangssprachlich für: etwas so gestalten, dass es eine bessere Wirkung hat