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Echo-Preisverleihung: Nur der Umsatz zählt

Suzanne Cords
17. April 2018

Warum können Kollegah und Farid Bang mit antisemitischen Texten einen Echo gewinnen, fragen sich viele. Ganz einfach: Die Macher orientieren sich an Verkaufszahlen. Da hilft auch die 2017 eingeführte Reform nichts.

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Echo 2018 Helene Fischer und Luis Fonsi
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

In Großbritannien, dem Mutterland des Pop, wird der Mercury Prize an den kreativen Musikernachwuchs vergeben - in der Hoffnung, ihn bekannter zu machen. Auch bei den US-Grammys steht in den Statuten, dass "künstlerische Leistung, technische Kompetenz und musikalische Gesamtleistung" bei der Preisverleihung ausschlaggebend sind.

Nicht so beim Echo, der von der Deutschen Phono-Akademie, dem Kulturinstitut des Bundesverbandes Musikindustrie e. V., verliehen wird - und in dem sitzen große Plattenfirmen, die ihre eigenen Künstler gern in der vordersten Reihe sehen. Nominiert wird, wer am meisten verkauft, und Chancen auf den Echo haben nur Musiker, die ohnehin schon erfolgreich sind. In den offiziellen Richtlinien des Deutschen Musikpreises liest sich das so: "Bei der weit überwiegenden Anzahl der Preise werden die Nominierten dabei auf Grundlage der Offiziellen Deutschen Charts als Ausdruck der Wertschätzung durch den Endkunden ermittelt."

Kritik am Kommerz

Entsprechend monierte der Philosoph und Pop-Experte Jens-Christian Rabe kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung", dass das ganze Konstrukt der Echo-Verleihung "falsch" sei: "In der Kunst sind Preise üblicherweise Auszeichnungen für herausragende künstlerische Leistungen. Wenn also zum Beispiel in Deutschland jemand ein herausragendes Buch geschrieben oder einen besonders guten Film gedreht hat, dann bekommt er dafür deshalb womöglich den Deutschen Buchpreis oder den Deutschen Filmpreis." Exakt hier, so Rabe, sei das zentrale Missverständnis des Echo, das die Macher gerne in Kauf nehmen würden: "Der Echo prämiert den kommerziellen Erfolg eines Werkes, nicht jedoch künstlerische Qualität."

Echo Preisverleihung in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Eine Jury soll es richten 

Um der Kritik am Preisvergabe-Modus und dem Vorwurf der stumpfen Kommerzvergoldung entgegenzuwirken, entscheidet seit 2017 nicht mehr nur die Anzahl der verkauften Platten, sondern auch eine Fachjury. Die setzt sich aus Vertretern der Musikbranche zusammen, darunter laut Echo-Statuten "beispielsweise Händler, Verleger, Veranstalter oder Mitarbeiter der Musikindustrie und der Medienbranche". Im Klartext heißt das: Auch hier haben die großen Plattenlabel das Sagen.

Echo 2018  Helene Fischer
Bild: pictur-alliance/dpa/J. Carstensen

Das Votum der Fachjury fließt dann zu 50 Prozent in das Endergebnis ein. Allerdings dürfen die Juroren nicht irgendwelche Künstler, die sie musikalisch überzeugen, zum Sieger küren, stattdessen haben sie nur die Wahl unter den jeweils fünf Bestplatzierten in den Offiziellen Deutschen Charts. Wird man sich nicht einig, entscheidet der Echo-Beirat - der wiederum vom Vorstand benannt wird, der ebenfalls mit Plattenlabel-Bossen besetzt ist.

Ein Blick in die Liste der Jurymitglieder verrät darüber hinaus, dass sich dort auch Nominierte oder Preisträger der Vorjahre wiederfinden, stellte das Musikmagazin "Visions" fest. So saß die umstrittene Rockband Frei.Wild schon in der Jury für "Rock National", Xavier Naidoo war Juror in der Kategorie "Künstler Pop National" und Andrea Berg hatte die Expertise für Schlager/Volkstümliche Musik". Insofern ist die Reform der Preisverleihung eher ein Reförmchen oder, wie "die Süddeutsche Zeitung" schrieb, "nur ein Feigenblatt".

Immer wieder dieselben Gesichter auf der Bühne

Und so gewinnen alle Jahre wieder die üblichen Verdächtigen wie Schlagerstar Helene Fischer (insgesamt mit 17 Echos ausgezeichnet), Deutschrocker Campino mit seiner Band Die Toten Hosen oder Udo Lindenberg. Immer wieder schaffen es aber auch Musiker in die Charts wie Frei.Wild, die Böhsen Onkelz oder in diesem Jahr eben Kollegah und Farid Bang, deren Musik schon mehrfach auf dem Index stand. Die Nominierung der Rapper, die antisemitische und gewaltverherrlichende Texte vortragen, hatte schon im Vorfeld die Gemüter erhitzt. Die Echo-Verantwortlichen sahen sich daher gezwungen, einen Ethikrat einzuberufen. Der missbilligte zwar die Zeile "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen", entschied sich aber zugunsten der künstlerischen Freiheit gegen einen Ausschluss der Gangsta-Rapper. Und so nahm das Duo dank hervorragender Verkaufszahlen unter Buh-Rufen des Publikums einen Echo in der Kategorie "Hip-Hop National" mit nach Hause. Und das ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag in Israel."Antijüdische Vorurteile sind keine Kunst"

Echo 2018 Kollegah  und Farid Bang
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

"Makaber und beschämend" sei das, urteilte Peter Maffay, der selbst schon zahlreiche Echos abräumte. Und die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sprach empört von einem "verheerenden Zeichen", den wichtigsten deutschen Musikpreis an "vermeintliche Künstler" zu verleihen, die ein gesellschaftliches Klima bedienen, in dem Antisemitismus offenbar wieder normal sei. "Geschichtsvergessene Geschmacklosigkeiten und antijüdische Vorurteile sind keine Kunst, müssen geächtet und konsequent aus dem öffentlichen Raum verbannt werden."

Ähnlich harsche Proteste hatte es schon mal 2013 gegen die Südtiroler Deutschrockband Frei.Wild gegeben. Wegen deutschtümelnder Texte und Rechtslastigkeit wurde damals die Nominierung zurückgezogen. Ein Jahr später waren sie wegen hervorragender Verkaufszahlen wieder nominiert, lehnten aber ab. 2016 dann gewannen sie in der Kategorie "Rock Alternative national" dann doch den Echo. In ihrer Dankesrede stellte die Band fest, dass die Veranstalter "ihre Fehler korrigiert" hätten.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur