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Wie im Kalten Krieg

Ludger Schadomsky23. November 2007

Seit dem 11. November wird die Ausstrahlung des Amharischen Programms der Deutschen Welle gejammt, das heißt, durch den Einsatz von Störsendern vorsätzlich behindert. Was steckt dahinter?

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Kurzwellensender der Deutschen Welle, Quelle: DW
Kurzwellensender der Deutschen WelleBild: DW
Karte von Äthiopien
Bild: AP GraphicsBank/DW

Schon früh hatten Kurzwellen-Hörer im Zielgebiet in E-Mails, per SMS und Telefon-Anrufen die für das Jamming typischen mechanischen Störgeräusche, die sich deutlich von atmosphärischen Interferenzen unterscheiden, gemeldet. Messungen in Bonn ergaben dann Gewissheit: DW-Amharisch, das wöchentlich etwa 20 Prozent der erwachsenen Äthiopier erreicht und damit das meistgehörte Auslandsprogramm in dem ostafrikanischen Land ist, ist Ziel einer groß angelegten und teuren Pressezensur-Kampagne.

Explosiver Zeitpunkt

Der Zeitpunkt ist aus zweierlei Hinsicht pikant: Zum einen hatte erst in der vergangenen Woche der Weltbankbericht Afrika ausgewiesen, dass Äthiopien den geringsten Stromverbrauch südlich der Sahara hat. Äthiopier wird es vermutlich ärgern zu erfahren, dass dieser Strom nicht für die Wirtschaftsentwicklung, sondern für den energie-intensiven Betrieb von Störsendern verwendet wird.

Schwerer wirkt aber der Verdacht, dass die Sabotage zu einem Zeitpunkt erfolgt, da nicht nur UN-Generalsekretär Ban Ki Moon seiner Sorge vor einer möglichen neuen Kriegsrunde zwischen den verfeindeten Nachbarn Äthiopien und Eritrea Ausdruck verleiht. Die Rhetorik aus Addis und Asmara hat sich im Vorfeld der Markierung der umstrittenen Grenze am 30. November verschärft. Beobachter befürchten, dass es zu einem Szenario wie 1998 kommen könnte: Damals hatte ein unbedeutender Zwischenfall an der gemeinsamen Grenze einen verlustreichen zweijährigen Krieg ausgelöst.

Kalter Krieg nach Sonnenschein-Politik

Äthiopiens Premierminister Zenawi Meles, Quelle: DW
Äthiopiens Premierminister Zenawi MelesBild: AP Photo

Seit der Berichterstattung über die umstrittenen Wahlen in Äthiopien im Mai 2005, in deren Verlauf 135 Menschen den Tod fanden und Zehntausende verhaftet wurden, macht die äthiopische Regierung gegen die Berichterstattung der Deutschen Welle in der Landessprache Amharisch mobil.

Auf Marktplätzen in der Provinz wurden Dörfler zur Unterschrift unter eine Petition genötigt, die an den Deutschen Bundestag geschickt wurde. Regierungsstellen sind angewiesen, Interview-Anfragen der Deutschen Welle abzuschlagen.

Die Arbeit der Korrespondenten vor Ort wird massiv behindert, Pressekonferenzen von Premier Meles Zenawi finden unter Ausschluss der DW statt. Zwei Besuche von DW-Intendant Erik Bettermann in Äthiopien und die Intervention des deutschen Botschafters hatten zuletzt eine vorsichtige Sonnenscheinpolitik eingeleitet, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Regierungskoalition von Premierminister Meles unter erheblichem innenpolitischen Druck steht.

Rolle Chinas unklar

Umso überraschend ist der Rückgriff auf die Techniken des Kalten Krieges, wo das Jammen missliebiger Radiostationen am geostrategisch wichtigen Horn von Afrika zum Alltag gehörte. Die Behauptung in äthiopischen Internetforen, dass China in großem Umfang die notwendigen technischen Geräte geliefert habe, ist bislang reine Spekulation. Tatsache ist jedoch, dass China nicht zuletzt aufgrund der Öl-Vorkommen in der Ogaden-Region eine gesteigerte Präsenz in Äthiopien zeigt.

Auf der "Achse des Bösen"

Ludger Schadomsky, Leiter des Amharischen Programms der DW
Ludger Schadomsky, Leiter des Amharischen Programms der DW

Tatsache ist auch, dass die nominell freie Presselandschaft Äthiopiens massiver Zensur unterworfen ist – wie überhaupt das Horn die wohl derzeit schwierigste Region für Pressefreiheit ist: Das zeigen der Tod von inzwischen acht Journalisten sowie die Schließung dreier Radiostationen in Somalia und die brutalen Repressionen gegenüber Journalisten in Eritrea, das mit Nordkorea und Turkmenistan heute die "Achse des Bösen" in Sachen Medienzensur bildet.

Um so wichtiger ist eine unabhängige Medienstimme in der Region, wie es die Deutsche Welle seit vielen Jahren darstellt. Vorerst ist diese Stimme aber zum Schweigen gebracht.