Durch die Blume | Alltagsdeutsch – Podcast | DW | 01.01.1970
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Alltagsdeutsch – Podcast

Durch die Blume

Im Garten ein Farbtupfer, in Papier gewickelt ein Zeichen der Sympathie: die Blume. Ob mit oder ohne – ob unverblümt oder durch die Blume gesagt –, seit jeher haben Blumen auch in unserer Sprache einen festen Platz.

Musik:
Robert Schumann, Du bist wie eine Blume

"Du bist wie eine Blume, so hold und schön und rein..."

Sprecher:
Blumen haben in der Kultur, und somit auch in der Sprache, seit jeher wichtige Bedeutungen. Entsprechend ihrer Form und Farbe sind nahezu alle zu wichtigen Symbolträgern geworden, die jedoch in den verschiedenen Kulturkreisen durchaus auch differieren können. Allgemein gilt die Blume als schön und fein, im übertragenen Sinne auch als gut und edel. So besingt Robert Schumann seine Geliebte vergleichend als Blume:

Musik:
"Du bist wie eine Blume..."

Sprecher:
Unter der Vielzahl symbolträchtiger Blumen sind die Lilie und die Rose die bekanntesten und aussagekräftigsten. Beide haben ihre spezielle Bedeutung – sind in Teilaspekten aber durchaus auch identisch. Bei den Römern war die Lilie der Göttin Juno geweiht und galt als Sinnbild der Hoffnung. In der christlich geprägten Kunst dient sie als Zeichen der Reinheit und Unschuld. Wir finden sie als Attribut der Jungfrau Maria und auch bei der Darstellung von Märtyrern und Heiligen. Die geknickte Lilie, die ihre stolze Haltung verloren hat, wurde später – wie die gebrochene Rose – ein Symbol für den Verlust der Unschuld. Diese indirekte Darstellung gibt es auch in der Literatur, zum Beispiel bei in Friedrich Schillers "Kindsmörderin". Dort fragt die Verurteilte:

Zitat:
Friedrich Schiller, Die Kindsmörderin

"Henker, kannst du keine Lilie knicken?"

Sprecher:
Deutlicher wird der Symbolgehalt der gebrochenen Rose als Verlust jungfräulicher Unschuld in Goethes "Heideröslein":

Zitat:
Goethe, Heideröslein

"Sah ein Knab' ein Röslein steh'n,
Röslein auf der Heiden.
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu seh'n,
Sah's mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden."

Sprecher:
Neben den mit der Lilie gemeinsamen Attributen der Schönheit und Unschuld ist die Rose Sinnbild und Unterpfand der Liebe. Die Römer ordnen sie der Liebesgöttin Venus, die Griechen der Göttin der Liebe, Aphrodite, zu. Der Sage nach wird Aphrodite aus dem Schaum des Meeres geboren, inmitten eines weißen Rosenstrauchs. Die rote Rose wird wenig später symbolträchtig. Es wird berichtet, dass Aphrodite ihren Ehemann Ares mit Adonis betrog. Auf dem Weg zu ihrem sterbenden Geliebten trat die Göttin in die Dornen einer weißen Rose. Ihr Blut färbte die weißen Rosenblätter rot. So erhielten die beiden Farben der Rose ihre unterschiedliche Bedeutung: Die weiße Rose steht für die Reinheit der Liebe, die rote Rose ist Sinnbild für Begierde und Leidenschaft.

Sprecherin:
Nahezu jeder Blume kommt eine symbolische Bedeutung zu. Die Namen einiger Blumen verweisen auf ihre angenommene oder gewünschte Wirkung, zum Beispiel Männertreu, Vergissmeinnicht und Rührmichnichtan. In vielen Sinnsprüchen – seit Generationen in Poesiealben verewigt – werden den Blumen Eigenschaften zugeschrieben, die auch dem Menschen als Maxime dienen sollen:

Zitat:
"Rosen, Tulpen, Nelken,
alle drei verwelken.
Nur die eine Blume nicht,
die da heißt: Vergissmeinnicht."

Sprecher:
Während die Tulpe nach einem Streit die Versöhnung herbeiführen soll, gilt die Nelke als Sinnbild der Freundschaft. Dem kleinen, zarten Vergissmeinnicht wurde früher neben dem Treuecharakter eine prophetische Kraft zugesprochen. Ein Walpurgisnacht-Orakel versprach eine bevorstehende Hochzeit, wenn zwei Vergissmeinnicht-Pflanzen zusammengewachsen waren. Auch heute noch spielt die Sprache der Blumen eine Rolle, weiß Anke Willberg, die sich mit ihrer "Agentur für zeitgemäße Umgangsformen" selbständig gemacht hat.

Anke Willberg:
"Es gibt ja diese Weisheit: Blumen sagen mehr als 1000 Worte. Es gibt ja eben die Sprache der Blume: Ich kann mich bedanken, ich kann jemandem eine Freude machen, und da haben eben ja auch die verschiedensten Blüten 'ne bestimmte Aussagekraft. Und sonst auch gibt es also verschiedenste Symbolik für Blüten: ein Veilchen für die geheime Liebe oder 'ne Wicke für Zärtlichkeit, Flieder für Zartheit. Also, es gibt da ganz verschiedene Symbolik, derer man sich auch bewusst sein sollte, wenn man jemandem Blumen schenkt. Denn sonst kann auch so ein Geschenk ganz falsch ankommen."

Sprecher:
Der Ausdruck Blumen sagen mehr als 1000 Worte oder auch der aus der Reklame bekannte Slogan Lasst Blumen sprechen stellt bewusst wieder die alte Beziehung zur Blumensprache her, die das Wort ersetzt und doch die Gefühle zum Ausdruck bringt. Man kann einen Sachverhalt auch ironisch kommentieren und sagen: Vielen Dank für die Blumen! Mit dieser Wendung gibt man seinem Gesprächspartner zum Ausdruck, dass man eine indirekt geäußerte Zurechtweisung oder Kritik verstanden hat. Anke Willberg gibt zu bedenken, dass der ursprüngliche Symbolgehalt bestimmter Blumen heute dem Schenkenden wie dem Beschenkten nicht mehr unbedingt bekannt ist und deshalb zu Irritationen führen kann. Das Veilchen assoziiert ursprünglich nicht Liebe, sondern Bescheidenheit. Es wurde gern mit jungen Mädchen verglichen, die diese Eigenschaft besitzen. Im übertragenen Sinne kann man jemandem ein Veilchen überreichen, indem man ihm ein Veilchen, das heißt ein blaues Auge, schlägt. Man kann übrigens auch blau, also betrunken, wie ein Veilchen sein. Weniger geläufig ist die Redewendung Riechen wie ein Veilchen. Ein beschönend-umschreibender Vergleich für etwas, das stinkt. Die Wicke gilt als eine einfache und schlichte Blume, die für Zärtlichkeit stehen kann, aber auch für etwas Geringfügiges. Schon im Mittelhochdeutschen bedeutet Wicke etwas Wertloses, etwas Geringes. Vielleicht, weil an der Wickenschote Samen hängen, die nicht verwertbar sind. Bis heute geläufig ist die Redewendung in die Wicken gehen, wenn etwas verlorengegangen oder entzweigegangen ist. In Gerhard Hauptmanns "Rose Bernd" heißt es:

Zitat:
Gerhard Hauptmann, Rose Bernd

"D'r Bräutigam is nahe ... Aber de Braut gieht d'rweil ei de Wick'n."

Sprecherin:
Neben dieser Blumensprache, die jeder Blume eine bestimmte Bedeutung beimisst, kann man auch im übertragenen Sinne von einem Sprachstil sprechen, der auf das Bild der Blume zurückzuführen ist. In ihren Kursen erklärt Anke Willberg den Teilnehmern unter anderem, in welchen Situationen eine indirekte Sprache angebracht ist.

Anke Willberg:
"Wenn es um Kritik geht, sollte man immer die offene Sprache wählen. Da ist es also nicht schön, wenn ich jetzt meinetwegen mit einem Kollegen ein Büro teile, und dieser Kollege riecht nach Schweiß. Dann könnte ich durch die Blume sagen: Hör zu, Herr Meyer, ich hab' Ihnen auf Ihren Schreibtisch ein Deo gestellt. Sprich: du stinkst, heißt das durch die Blume. Kommt nicht gut an. Bei so einem Thema würde ich immer das offene, ehrliche Gespräch wählen. Das ist ein ganz brisantes Thema, und unter vier Augen ihm die Situation darstellen. Wie ich mich fühle, eventuell ist es ihm noch gar nicht aufgefallen. Dann würde er auch die Blumensprache auch gar nicht verstehen, mit dem Deo. Also, das ist ein Punkt, bei Kritik sollte man immer ehrlich, offen und sehr einfühlsam sein."

Sprecher:
Die Redensart etwas durch die Blume sagen meint, etwas nicht mit gewöhnlichen Worten, sondern verhüllend und umschreibend auszudrücken. Völlig in Vergessenheit geraten ist der Ursprung dieser Redewendung: Früher war es in der Schweiz und in Deutschland bei der Brautwerbung üblich, dass das Mädchen dem Freier eine Kornblume überreichte, wenn es ihn abweisen wollte. Dann sagte die Umworbene ihrem Freier durch die Blume, was sie sich auszusprechen scheute. Die Redewendung eine blumige Sprache verwenden oder mit blumigen Worten reden zielt auf eine gezierte Ausdrucksweise. Schon im Altertum wurde das lateinische Wort "flosculus" – das Wort für "Blümchen" – zur Bezeichnung des Zierrats in der Rede gebraucht. Im 17. Jahrhundert wird das lateinische Wort zu Floskel eingedeutscht und meint von nun an eine inhaltslose Worthülse. Gotthold Ephraim Lessing verwendet verblümte Rede noch in gutem Sinne. Der Reformator Martin Luther jedoch kannte dafür schon eine negative Nebenbedeutung. Heute versteht man unter einer verblümten Rede den Versuch, eine missliche Lage durch positive Formulierungen schönzureden. Wer jemandem etwas unverblümt sagt, teilt ihm dagegen die zumeist negative Wahrheit ohne Umschweife, also direkt mit. Unter vier Augen heißt "ohne Zeugen". Spricht man mit jemandem über eine persönliche oder heikle Angelegenheit, die keinesfalls bekannt werden soll, sagt man es unter vier Augen.

Sprecherin:
Auch Anke Willberg muss die Sprache auf das Verhalten ihrer Kunden abstimmen. Nicht selten hat sie mit Menschen zu tun, die irrtümlicherweise zunächst glauben, in ihren Umgangsformen auf dem Laufenden zu sein. Diesen Kursteilnehmern muss sie klar zu erkennen geben, dass auch sie bestimmte Benimmregeln nicht kennen.

Anke Willberg:
"Die merken selber in den Seminaren, ach, ist ja doch sehr viel, was ich gar nicht so wusste, dass ich da gar nicht so Tacheles reden muss. Ist auch jetzt nicht meine Art. Ich erzähle, und jeder soll auch für sich wissen, wann er sein Wissen dann anwendet. Ich geb' die ganze Information, aber jeder Teilnehmer ist selbst verantwortlich für das, was er jetzt gelernt hat und wie er es nun in bestimmten Situationen anwendet, so dass ich also, ja, kein Tacheles rede."

Sprecher:
Tacheles
redet man mit jemandem, dem man offen und unverblümt die Meinung sagt. Das Wort Tacheles kommt aus dem Jiddischen und bedeutet "Ziel" oder "Zweck". Wahrscheinlich ist der Ausdruck in Journalistenkreisen entstanden. Literarisch belegt ist er erstmalig bei dem Schriftsteller Gustav Freytag.

Sprecherin:
Anke Willberg hat die Erfahrung gemacht, dass man gutes Benehmen zwar auch noch im höheren Alter lernen kann, es jedoch besser ist, bestimmte Umgangsformen bereits im Kindesalter vermittelt zu bekommen.

Anke Willberg:
"Es ist schon einfacher, wenn so 'n gewisses Verständnis da ist. Also, die gute Kinderstube, wie sie auch genannt wird, die bringt einem schon wirklich sehr viel. Das wird in die Wiege mit gelegt, das ist so selbstverständlich für mich. Aber gerade meine Generation, viele sind auch sehr antiautoritär erzogen worden. Umgangsformen waren nicht wichtig. Und viele kommen jetzt grad zu mir und sagen: Ich hab es nicht mitbekommen, bitte bring mir Umgangsformen bei, und gerade wenn man den Willen hat zu lernen, kann man die sehr wohl auch noch heute lernen."

Sprecher:
Wer eine gute Erziehung erhielt, hatte eine gute Kinderstube. Die Wendung stammt aus dem 19. Jahrhundert, als es noch fest umrissene Bürgertugenden gab. Mit dieser Redensart wurden vor allem die Vorstellungen von artig, folgsam, gehorsam und höflich verbunden. Da diese Tugenden inzwischen nicht mehr unbedingt zeitgemäß sind, hat auch die Redensart an Bedeutung verloren. Geläufig dagegen ist noch immer die verneinende Form. Benimmt sich jemand ausgesprochen schlecht, hat er keine gute Kinderstube. Kennzeichnen einen Menschen spezielle, ihm eigene Verhaltensweisen oder besondere Fähigkeiten, die stets positiver Natur sind, sagt man, sie seien ihm in die Wiege gelegt worden. Will man sein Kind mit positiven Eigenschaften und Verhaltensweise ausstatten, muss man sie ihm in die Wiege legen, das heißt, so früh wie möglich mit einer solchen Erziehung beginnen.

Sprecherin:
In Benimmkursen vermittelt Anke Willberg auch, wie man zu Tisch richtig mit Messer und Gabel umgeht. Zum Erproben der Manieren treffen sich die Teilnehmer in einem Restaurant. Vor dem Essen wird auch die Begrüßung des Gastgebers nachgespielt. So sollte der Gast Blumen niemals in eingewickeltem Papier überreichen – das ist jedenfalls in Deutschland Brauch. Wer hier bereits etwas falsch macht, kann beim Gastgeber wohl keinen Blumentopf mehr gewinnen.

Sprecher:
Wenn man bei jemandem keinen Blumentopf mehr gewinnen kann, ist kein Erfolg zu erzielen. Vielleicht spielt die Redewendung darauf an, dass ein Blumentopf – im Gegensatz zum üppigen Blumenstrauß – eher bescheiden wirkt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Wendung auf die Würfelbuden der Jahrmärkte zurückgeht, wie die vollständigere berlinerische Form der Redensart beweist:

Zitat:
"Du kannst doch bei mir keenen Blumentopp jewinnen, und wenn du 19 trudelst."

Sprecher:
Ähnlich wie die Wicke gilt übrigens auch die Primel als eine äußerst einfache und bescheidene Blume. Deshalb spricht man davon, dass man eingehen könnte wie eine Primel, wenn man sich zum Beispiel in einer Umgebung nicht wohlfühlt. Vielleicht spielt diese Redewendung auf das kümmerliche Aussehen einer vertrockneten Primel an, die man vergessen hat zu gießen.

Sprecherin:
Mit den Blumen scheint es jedenfalls wie mit den Menschen zu sein: Jede einzelne hat ihren eigenen Charakter, und mit nahezu jeder Blume verbinden sich sprichwörtliche Redensarten. Durch die Blume gesagt könnte man es auch so ausdrücken: Die Blumensprache treibt manchmal üppige Blüten. Das heißt, wie eine Blume ständig neue Blüten produziert, so ist es auch mit den Redewendungen: Eine Erklärung zieht sofort eine andere nach sich. Hoffen wir also, dass unsere Ausführungen nicht allzu wunderliche Blüten getrieben haben.


Fragen zum Text

Welche Blume steht sinnbildlich für die Freundschaft?

1. die Nelke
2. die Wicke
3. die Lilie

Jemand, der im übertragenen Sinne ein Veilchen hat, …
1. stinkt
2. ist betrunken
3. hat ein blaues Auge

Jemand, der etwas unverblümt ausspricht, redet…
1. unter vier Augen
2. Tacheles
3. in Floskeln


Arbeitsauftrag:
Stellen Sie (gedanklich) einen Blumenstrauß zusammen, so, wie er Ihnen am besten gefallen würde, und beschreiben Sie die verwendeten Blumen möglichst genau.

Audio und Video zum Thema