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Glaube

„Du Narr!“

27. Januar 2017

Goldbarren als Lebensgarantie? Die Angst, seinen Wohlstand nicht sichern zu können, treibt viele um. Was es vor Gott bedeutet, reich zu sein, gerät dabei aus dem Blick, sieht Christine Hober von der katholischen Kirche.

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Goldbarren vermitteln Sicherheit auch in Krisenzeiten. Foto: Thorben Wengert/pixelio.de
Bild: pixelio/T. Wengert

Es ist das erste Mal im Neuen Jahr, dass wir unsere Freunde treffen. Wir freuen uns immer auf diese Abende – wir essen zusammen, es wird viel erzählt und gelacht. Die Themen sind selten anspruchsvoll: es geht um die kleinen Herausforderungen des Alltags oder um das Zusammenleben mit den gerade pubertierenden Kindern. Dieses Mal ist es anders – die Gesichter sind sorgenvoll, die Gesprächsthemen ernst. Es geht um die Zukunft. Das neue Jahr hat begonnen wie das alte Jahr zu Ende gegangen ist: Krieg, Terror, Mord, Betrug, Flucht, Vertreibung – und überall Menschen voll Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Dabei ist uns bewusst, wie privilegiert wir sind. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren. Wir leben gut – und so soll es auch bleiben!

Ähnlich dachte auch der reiche Mann aus einem Gleichnis Jesu im Lukas-Evangelium (12,13-21). Er hatte viel gearbeitet und es ging ihm sehr gut. Damit er weiter sorgenfrei leben konnte, entschloss er sich, seine Scheunen abzureißen und noch größere zu bauen, um dort seine ganzen Vorräte unterzubringen. „Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!“ Aus der Perspektive des wohlhabenden Mannes, der nur sein eigenes Leben im Blick hatte, scheint diese Entscheidung nachvollziehbar.

„Ein großer Vorrat, der für viele Jahre reicht“

Auf unsere Zeit übertragen würde der Mann aus dem Gleichnis wahrscheinlich keine größeren Scheunen für seine Vorräte bauen, sondern sein Vermögen in Immobilien und Aktien investieren. Er würde Versicherungen abschließen, um die Risiken des Lebens überschaubar zu halten. Zugegeben: Vorsorge zu treffen für schlechtere Zeiten, das ist sinnvoll, für eine verantwortungsbewusste Lebensplanung gar unerlässlich. Sogar die Bundesregierung rät – mit Blick auf die angespannte politische Lage – sich Vorräte für den Katastrophenfall anzulegen.

Die Anschaffung von Nahrungsmitteln und Wasser für den Krisenfall ist eine Sache – die, wie man am besten seinen Lebensstandard erhalten kann, eine andere. Heute Abend treibt uns die Frage um: Wie können wir unseren Besitz und unser Vermögen in einer Gesellschaft erhalten, deren Zukunft durch eine von Umbrüchen bedrohten Welt offensichtlich nicht mehr planbar scheint? Verschiedene Vorschläge machen die Runde. Alternative und krisensichere Zahlungsmittel seien Goldbarren. Auch Wodka sei inzwischen ein probates Mittel, um unbeschadet durch Krisenzeiten zu kommen. Eine Art flüssige Währung, die immer Konjunktur hat …

Goldbarren und Wodka als Lebensgarantie? Ist das nicht ein ähnlicher Trugschluss wie der Entschluss des reichen Mannes, größere Scheunen für seine Vorräte zu bauen und sich damit für alles gewappnet zu fühlen? Ganz offensichtlich hatte er dabei etwas übersehen, denn kaum hatte er für sich diesen Entschluss gefasst, da sprach Gott zu ihm: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?“

Vor Gott gelten andere Maßstäbe

Trotz aller Voraussicht und Planung: niemand kann die Überraschungen des nächsten Tages vorhersehen. Gott hat dem reichen Mann den Spiegel vorgehalten: Vergesse den Tod nicht! Das gilt auch für uns. Bei allen wichtigen Überlegungen zur Vorsorge dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, dass es keine absolute Sicherheit und keine Garantie für das Leben gibt. Wer den unvorhersehbaren Tod ausblendet, der nimmt das Geschenk des Lebens nicht wirklich wahr. Wer den Tod vergisst, fragt nicht nach dem Sinn des Lebens. Der reiche Mann in diesem einfachen Gleichnis steht beispielhaft dafür. Er machte sich selbst zum Maßstab seines Lebens. Die Welt, die Wirklichkeit und vor allem Gott selbst spielten in seinen planenden Gedanken keine Rolle.

Doch vor Gott gelten andere Maßstäbe als die selbstgenügsame Sorge um den Erhalt des eigenen Wohlstands. Reichtum bei Gott heißt, die Perspektive zu wechseln – eine Perspektive, die die Interessen aller in den Blick nimmt. Ein solcher Perspektivwechsel kann befreien, weil er die Herrschaft der Selbstbezogenheit aufzulösen vermag.

Dr. Christine Hober
Bild: privat

Christine Hober, Dr. theol., arbeitet als Lektorin und Autorin. Sie lebt in Bonn, ist verheiratet und hat zwei Kinder.