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Neue Blase?

20. Juli 2011

Sie sind zurückgekehrt, die Dotcom-Firmen. Unternehmen wie LinkedIn, Pandora, Twitter oder Facebook drängen an die Börse - mit abenteuerlichen Bewertungen. Droht eine neue Dotcom-Blase?

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Logos von Internet-Firmen (Montage: DW)

Die teils luftigen Bewertungen der Dotcom-Firmen wecken Erinnerungen an die Jahrtausendwende, als die damalige Internetblase mit einem gewaltigen Knall platzte und die USA in die Rezession trieb. Droht jetzt die nächste Krise? Es klingt wie zu besten Zeiten der Internet-Euphorie Ende der 90er Jahre.

Die Schatten von Jugendlichen mit einem Laptop sind vor dem Schriftzug des sozialen Internet-Netzwerks Facebook zu sehen (Foto: dpa)
Soll 100 Milliarden Dollar wert sein: facebookBild: picture alliance/dpa

Das Onlineradio Pandora, das keinen Cent Gewinn abwirft, wurde stürmisch an der New Yorker Börse und von den Kommentatoren begrüßt. Die Aktie von LinkedIn verdoppelte sich zum Börsendebut innerhalb weniger Stunden. Es sei verrückt hier, beschrieb die Moderatorin vom Fernsehsender ABC den Börsengang des Karrierenetzwerks LinkedIn. Unweigerlich zieht die Wall Street Vergleiche zum letzten Dotcom-Boom, der in einem gewaltigen Knall zur Jahrtausenwende platzte.

Nur ein knappes Dutzend

Scott Kessler, Internetexperte von Standard&Poor's, war damals dabei: "Da gab es Unternehmen, die überhaupt kein Geschäftsmodell hatten. Wir reden hier über Hunderte Firmen. Wir wissen ja, wie das endete." Das ist allerdings auch ein großer Unterschied zu der momentanen Entwicklung. Bisher sind es nicht Hunderte, sondern ein knappes Dutzend von Dotcom- und Social Media-Untenehmen, die es an die Börse zieht. Und die Neulinge haben sowohl Geschäftsmodelle als auch finanzkräftige Investoren im Hintergrund.

Browserspiel Farmville auf Facebook (Foto: picture-alliance / dpa)
Zynga, Herausgeber des Spiels "Farmville", soll zehn Milliarden wert seinBild: picture-alliance/ dpa

Die Zahlen klingen auf den ersten Blick beeindruckend. Das Onlineradio Pandora wird weltweit von über 90 Millionen Kunden eingeschaltet. Das Problem ist nur: Das Unternehmen erzielt keinen Gewinn - und das wird sich auf absehbare Zeit vermutlich auch nicht ändern. Rechtfertigt das dann eine Marktbewertung von rund drei Milliarden US-Dollar?

Phantasiezahlen

Erst kürzlich beantragte Zynga den Börsengang. Das Unternehmen ist für Onlinespiele wie Farmville bekannt. Im letzten Jahr schrieb Zynga immerhin einen Gewinn von rund 90 Millionen Dollar. Nach dem Börsendebüt, das für Herbst erwartet wird, dürfte Zynga eine Marktbewertung von rund zehn Milliarden erreichen.

Facebook zählt weltweit über 750 Millionen registrierte User. Das ist beeindruckend. Doch bei Facebook erwartet die Branche bei einem Börsengang Anfang kommenden Jahres einen Marktwert von 100 bis 200 Milliarden. Zum Vergleich: Hewlett Packard, der größte PC-Hersteller der Welt, bringt es derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 70 Milliarden US-Dollar.

Reid Hoffmann, Gründer von LinkedIn (Foto: dapd)
Verrückter Börsenstart: Reid Hoffmann, Gründer von LinkedInBild: AP

Bo Peabody gründete Ende der 90er Jahre selbst eine Netzwerkplattform. Noch heute investiert er ausschließlich in Internetfirmen. Aber bei sozialen Netzwerken kann er das Erfolgsmodell nicht erkennen - und lässt die Finger davon: "Bei Social-Media-Firmen handelt es sich nicht wirklich um Mediengeschäfte. Sondern: Menschen reden und kommunizieren miteinander. Es ist nicht leicht, damit Geld zu verdienen. Telefongesellschaften etwa verlangen für die Gespräche oder Leitungen Gebühren. Social-Media-Firmen versuchen, über Werbung Profit zu machen. Aber es ist schwer, Werbung mitten in diese Gespräche zu platzieren."

Hände weg von Social Media?

Scott Kessler glaubt nach wie vor an die Erfolgsaussichten von Technologieunternehmen. Allerdings bedeutet das seiner Meinung nach nicht, in die neuen Sternchen zu investieren. Es gebe Parallelen zur Dotcom-Blase, aber: "Ein großer Teil der Technologieunternehmen, und das gilt vor allem für die Etablierten, hat die attraktivste Bewertung seit mehreren Jahrzehnten." Damit spielt Kessler vor allem auf die Aktienkurse von Unternehmen wie Google oder Yahoo an, die seiner Meinung nach kräftig unterbewertet sind und bei dem Hype um Facebook und Co. voreilig abgeschrieben werden.

Um eine ähnliche Krise wie vor rund zehn Jahren auszulösen, müssten viel mehr und viel undurchsichtigere Internetfirmen an die Börse kommen. Für den Moment kann Entwarnung gegeben werden. Das heißt aber nicht, dass es eine gute und risikolose Idee ist, auf Aktien wie Pandora, Facebook, Groupon, Twitter oder Zynga zu setzen.

Autor: Jens Korte, New York
Redaktion: Rolf Wenkel