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Donald Trump - der unterschätzte Kandidat

Michael Knigge / wd16. September 2015

Donald Trumps unorthodoxe Präsidentschaftskandidatur wurde seit ihrer Ankündigung von Medien und Experten bespöttelt. Auf Trump - inzwischen Spitzenreiter der Republikaner - lohnt sich aber ein zweiter Blick.

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USA Donald Trump am Rednerpult im Präsidentschaftswahlkampf (Foto: Christopher Gregory/Getty Images)
Bild: Getty Images/C. Gregory

Trump als Clown zu verspotten, wie es die Medien machen oder als "windigen Geschäftsmann, dessen politische Aussagen nur Geschwafel" sind, wie es der republikanische Mitbewerber um das Präsidentenamt, Lindsay Graham tat, ist verständlich; vor allem in Grahams Fall, weil Trump die Mobilfunknummer des Senators in einer Live-TV-Sendung hinausposaunte und ihn obendrein als "Idioten" bezeichnete.

Trumps andauernde, empörende Ausfälle gegen Immigranten, Frauen, Kriegsveteranen und gegen jeden und alles, womit er nicht einverstanden ist, haben seine Wählbarkeit und seine Eignung als Präsidentschaftskandidat ernsthaft in Zweifel gezogen.

Das aktuelle Titelbild der New York Daily News zeigt Trump mit Clownsmaske (Foto: New York Daily)
Trumps Kampagne wurde lächerlich gemacht - trotzdem stieg er in Umfragen aufBild: New York Daily News 17.09.2015

Trump, der noch nie ein Wahlamt bekleidete, spielte schon früher häufiger öffentlich mit dem Gedanken, als Präsidentschaftskandidat anzutreten, tat es aber letztlich nie. Die erste republikanische Vorwahl ist zwar noch Monate entfernt und die Abneigung, ihn oder seine Kandidatur ernst zu nehmen, ist verständlich und erklärbar. Trotzdem ist es falsch, ihn als reine Witzfigur abzutun.

Erstens: Dieses Mal - so sagen Experten - nimmt Trump seine Kampagne ernst. "Um seine Präsidentschaftskandidatur zu verfolgen, hat Trump bereits einige wichtige Geschäftsbeziehungen geopfert, inklusive seiner erfolgreichen Fernsehsendung," sagt Barry Burden, der Leiter des Wahlforschungs-Zentrums an der Universität von Wisconsin-Madison. "Er sollte als Kandidat ernst genommen werden, der antritt, um zu gewinnen. Es ist vielleicht eine ungewöhnliche Kampagne, aber sie ist echt."

Trump meint es ernst

Auch Jeffrey Berry, Politikwissenschaftler an der Tufts Universität, ist überzeugt, Trump meine es absolut ernst: "Er glaubt wirklich, er werde ein großartiger Präsident".

Zweitens: Trumps persönlicher Reichtum macht ihn - anders als alle anderen Kandidaten der Republikaner oder der Demokraten - bei der Finanzierung seiner Kandidatur völlig unabhängig von fremden Geldgebern. Ganz gleich, ob er in den Umfragen weiter ganz vorne liegt oder nicht - über das Schicksal seiner Kandidatur entscheidet Trump allein.

Seine finanzielle Unabhängigkeit macht ihn auch zum attraktiven Kandidaten für viele Wähler, die vom zunehmenden Einfluss von Unternehmen oder anderen Interessen im Wahlprozess desillusioniert sind.

Und drittens: Mit Trump rückte die Anti-Einwanderungs-Rhetorik vom rechten Rand der republikanischen Partei in deren Mitte. Der Kandidat der Mitte, Jeb Bush, verheiratet mit einer in Mexiko geborenen Frau, der selbst Spanisch spricht und Befürworter einer umfassenden Reform des Einwanderungsgesetzes ist, verwendete kürzlich den abwertenden Begriff "Anchorbabies" für die Kinder illegaler Einwanderer in den USA. (In den USA erhalten dort geborene Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft; Anm. d. Red.) Das Beispiel zeigt, wie sehr sich andere republikanische Präsidentschaftskandidaten Trumps Rhetorik anpassen.

"Er hat die Republikaner damit in eine Zwickmühle gebracht", sagt der erfahrene demokratische Stratege Bob Shrum. Er meint, Trumps Rhetorik in Sachen Einwanderer habe die traditionellen Probleme der Republikaner mit dern lateinamerikanischen Wählern verschärft.

Darüberhinaus spricht Trumps seltsame Mischung aus unverhohlenem Populismus, Wüten gegen Intellektuelle und rüder Sprache die sich benachteiligt fühlenden, mehrheitlich weißen männlichen Wähler an. Kein anderer Mainstream-Kandidat würde das je so wagen. Viele Experten, so Shrum, haben die Auswirkungen der Tea-Party-Bewegung auf die Republikaner und ihre Stimmung falsch eingeschätzt. Shrum hat die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, John Kerry und Al Gore in ihren Wahlkampagnen beraten.

Unterschiedliche Standards

Das alles heißt nicht, dass Trump die republikanische Nominierung gewinnen – oder gar Präsident werden wird. "Der Wahlkampf wird sich rasch anders entwickeln, wenn sich das Feld um Trump verkleinert", sagt Burden. "An diesem Punkt wird er gezwungen sein, mit Themen ernsthafter umzugehen und das könnte ihn dann aus dem Rennen werfen."

Symbolbild USA Wahlkampf 2012 Symbole der Parteien Republikaner und Demokraten (Foto: gknec Fotolia)
Trump als unabhängiger Kandidat könnte den Republikanern schadenBild: Fotolia/gknec

Aber selbst, wenn sein Stern schließlich zu verblassen beginnt, hat Trump bereits einen größeren Einfluss auf die politische Debatte in den USA als irgendein anderer Kandidat der Republikaner.

Und schließlich könnte sich Trump entscheiden, als unabhängiger Kandidat anzutreten, sollte er bei der Nominierung der Republikaner durchfallen, meint Shrum. Obwohl er das bisher abgelehnt hat und dadurch den Demokraten den Sieg bescheren könnte.