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Dr. Heiner Wolters: "Ein relativ sicherer Eingriff"

10. März 2012

Weil Organe in Deutschland knapp sind, werden sogar Nieren von über 80-Jährigen transplantiert. Selbst chronisch kranke Spender können helfen, wie der Mediziner Heiner Wolters erläutert.

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Eine frisch implantierte Niere wird vom Blut des Empfängers durchströmt (Foto: AP)
Organtransplantation in JenaBild: picture-alliance/dpa

DW.DE: Herr Wolters, welche Organe eignen sich für eine Transplantation?

Generell werden Transplantationen der Organe im Brustraum durchgeführt, also Herz- und Lungentransplantationen. Im Bauchraum können Leber, Nieren, Dünndarm und Bauchspeicheldrüsen verpflanzt werden.

Bei welchen Organen gibt es noch Schwierigkeiten?

Rein technisch gesehen sind Transplantationen heute relativ sicher durchführbar. Probleme bereitet noch immer die Abstoßung. Das bedeutet, dass der Körper des Patienten das Organ nicht annimmt. Das kommt insbesondere beim Dünndarm vor. Bei Leber und Niere gibt es weniger Komplikationen.

Inwieweit kann man schon vor der Transplantation ausschließen, dass ein Organ vom Körper abgestoßen wird?

Ausschließen kann man Abstoßungsreaktionen leider nie. Besonders aber bei der Lebendspende - also wenn beispielsweise Angehörige eine Niere spenden - kann man Gewebetypisierungen durchführen und Antikörper messen, die sich gegen das potenzielle Organ richten. Manchmal lässt sich durch solche Messungen erkennen, dass Probleme mit Abstoßungskrisen hochwahrscheinlich sind. Das lässt sich dann durch entsprechende Vorbehandlungen beherrschen.

Priv.-Doz. Dr. med. Heiner H. Wolters, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Allg. u. Viszeralchirurgie (Bild: UK Münster)
Dr. Heiner WoltersBild: Universitätsklinik Münster

Kann man generell sagen, dass Organe von Angehörigen leichter angenommen werden als die von fremden Personen?

Nein, es lässt sich nicht generell sagen, dass Organe von blutsverwandten Personen besser funktionieren als die von nicht-blutsverwandten Personen. Eine wichtigere Rolle spielt die Zeit zwischen der Organentnahme und der Transplantation. Die ist bei der Lebendspende sehr kurz. Bei Totspenden ist die Transportzeit immer länger und dadurch gibt es Probleme mit der Funktionsrate.

Wie schnell muss ein Organ verpflanzt werden?

Das ist von Organ zu Organ unterschiedlich. Bei Herz und Lunge sind es vier bis sechs Stunden, die zwischen Entnahme und Transplantation vergehen dürfen, bei den Bauchorganen wie der Niere ist das auch noch nach bis zu 24 Stunden möglich. Bei der Leber sind es zehn bis zwölf Stunden, die Bauchspeicheldrüse sollte innerhalb von acht bis zehn Stunden transplantiert werden, und beim sehr empfindlichen Dünndarm versuchen wir, Zeiten von bis zu sechs Stunden zwischen Entnahme und Transplantation einzuhalten.

Wie sehr sind die Rettungssanitäter, die an den Unfallorten eintreffen, für diese Problematik sensibilisiert?

Die Rettungssanitäter haben damit nicht sehr viel zu tun. Denn prinzipiell ist die Organspende in Deutschland nur möglich, wenn jemand am Hirntod verstorben ist. Das heißt, es findet immer erst eine ganz normale Therapie im Krankenhaus statt - auch bei Patienten, die vielleicht sehr schlechte Aussichten haben.

Erst, wenn auf einer Intensivstation diagnostiziert wird, dass sich der Patient nicht mehr erholen wird - und das kann man sehr sicher feststellen - stellt sich die Frage der Organspende. Eine entsprechende Ausbildung der Ersthelfer steht damit nicht im Vordergrund, da die Organspende erst auf der Intensivstation stattfindet.

Gibt es eine Altersobergrenze für Spender?

Generell eigentlich nicht mehr. Vor ein paar Jahren wurde für das Herz noch eine Grenze bei etwa 50 Jahren gezogen, bei Leber und Niere bei 60 Jahren. Mittlerweile sind die Grenzen sehr fließend, weil wir viel zu wenige Spenderorgane haben. Manchmal, insbesondere bei lebensbedrohlichen Erkrankungen des Herzens oder der Leber, werden teilweise auch sehr alte Organe transplantiert - auch von über 80-Jährigen.

Sind chronisch kranke Spender ausgeschlossen?

Das hängt davon ab, welche chronische Erkrankung oder ob eine Medikamenteneinnahme vorliegt. Wenn jemand zum Beispiel Bluthochdruck hat, ist das sicher kein Ausschlusskriterium für eine Organspende. Wenn jemand eine Krebserkrankung hatte, die behandelt werden musste, ist das schon sehr grenzwertig.

Die Fragen stellte Tobias Oelmaier
Redaktion: Judith Hartl

Priv. Doz. Dr. Heiner Wolters ist Transplantationsmediziner an der Universitätsklinik Münster. Das dortige Transplantatonszentrum ist eines der größten in Deutschland mit jährlich mehreren tausend Organübertragungen.

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Zahlen und Fakten

- Fast 12.000 schwerkranke Menschen warten in Deutschland auf eine Organspende

- Viele von ihnen warten umsonst. Nur für etwa jeden Dritten findet sich ein passendes Organ

- Etwa 4000 Organtransplantationen führen Spezialkliniken in Deutschland jedes Jahr durch. Diese Organe stammen von rund 1200 Spendern. Spendern können mehrere Organe entnommen werden

- Mehr als die Hälfte aller Operationen sind Nierentransplantationen - über 2000 pro Jahr. Am zweithäufigsten wird die Leber transplantiert.

Eine junge Frau zeigt einen Organspenderausweis (Bild: dpa)
Kann leben retten: OrganspendeausweisBild: Picture-Alliance /dpa

- Seltener werden Herz und Lunge übertragen. Jeweils zwischen 300 und 400 Patienten erhalten ein solches Organ. Noch seltener sind Transplantationen der Bauchspeicheldrüse.

- Auch der Dünndarm kann transplantiert werden. Das wird nötig, wenn Menschen unter dem sogenannten Kurzdarmsyndrom leiden - einer Erkrankung, die zu einer Schädigung der Leber und Niere führen kann.