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Doping - ein Gesellschaftsproblem?

Benjamin Wüst24. November 2008

Doping - die Schattenseite des Sportes oder ein Gesellschaftsproblem? Dietmar Mieth, Professor für Ethik an der Universität Tübingen, im Interview.

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Uni-Professor in Tübingen, Moral- und Ethik-Experte und Theologe: Dietmar MiethBild: picture-alliance / ZB

Deutsche Welle: Herr Professor Mieth, brauchen wir Goldmedaillen?

Professor Dietmar Mieth: Ich würde sagen: Ja, wir brauchen Goldmedaillen. Aber ich sage auch: Nein, nicht um jeden Preis. Moral ist der Preis des Fortschrittes, hat einmal mein Kollege Ottfried Höffe gesagt, dem stimme ich zu. Das heißt zum Beispiel, dass wir heute schon sagen: Wir wollen nicht alle Methoden übernehmen, die zum Beispiel in den Ostblockstaaten entwickelt wurden, um Athleten hervorzubringen, die Goldmedaillen erreichen. Das Schicksal dieser Individuen war dem Staat egal, weil sie mehr einen symbolischen Wert, einen internationalen Marktwert hatten. Ich denke schon, dass wir so aufgestellt sind, dass wir nicht sagen: Goldmedaillen um jeden Preis. Aber wir müssen uns trotzdem fragen: Welche Preise zahlen wir denn für den Erfolg?

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Medaillen um jeden Preis?Bild: picture-alliance/ dpa

DW: Auf dem Sport wird sehr viel herumgedroschen, gerade wegen der Dopingproblematik. Eigentlich ist der Sport nur ein Spiegel der Gesellschaft. Warum soll es im Sport anders zugehen, als sonst überall? Kinder, die wild sind, werden mit Medikamenten ruhig gestellt, Studenten nehmen Mittel, um in Klausuren die Ruhe zu bewahren. Unsere Gesellschaft dopt. Ist es dann gerechtfertigt, dem Sport einen Vorwurf zu machen?

Mieth: Doping im Sport ist nichts anderes als die abschüssige Bahn der Normalitäten unserer Gesellschaft. Natürlich kann man auch sagen, dass die Frage des Erfolgs, rückwirkend die Seele belastet. Das Menschen zu diesen Mitteln greifen zeigt eben auch, dass Erfolgsbesessenheit krank machen kann. Es geht um die selbstheilenden Kräfte der Gesellschaft und nicht einfach nur um den Sport. Es geht letztlich darum, langfristig und geduldig Maßnahmen zu ergreifen, damit es eben nicht zu dieser dopenden Gesellschaft kommt. Ich denke man kann auch Prüfungen so gestalten, dass die Studierenden nicht zu Mitteln greifen, weil sie Angst haben zu versagen.

DW: Also müssten wir auch den Sport umgestalten. Müssen wir unsere Ansprüche an die Sportler herabsetzen?

Mieth: Ich denke, dass wir die Versagensängste, als Motivation für Doping beachten sollten. Die Leute investieren ja ihr Leben. Ich denke schon, dass das Risiko groß ist, wenn man alles auf die Karte Sport setzt. Es ist daher sinnvoll, wenn man in der Sportförderung zugleich auch Bildungsförderung mitverankert, sodass die Leute hinterher auch noch etwas anderes machen können, als Sport zu treiben.

DW: Karriere, Karriere, Karriere. Erfolge und Titel müssen her. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Im Sport ist das nicht anders. Müssen wir dahin kommen, dass wir auch einen fünften Platz richtig feiern und nicht sagen: Der Zweite ist schon der erste Verlierer?

Mieth: Den fünften Platz zu ehren fängt damit an, dass die Medien Geschichten darüber schreiben. Das ist durchaus nicht gegen Leistung, denn auch als Fünfter hat man etwas geleistet. Wir sollten also Geschichten über solche Sportler schreiben, die nicht immer im Rampenlicht stehen. Das kann man verstärken, diese leisen Töne sollten wird in den Medien lauter machen, dass ist schon ein großes Anliegen.

DW: Es ist immer einfach zu sagen, was alles schief läuft. Sie haben auch Maßnahmen zur Verbesserung genannt. Sie haben einen Anti-Doping-Führerschein vorgeschlagen. Wie soll der aussehen?

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Mieth: Eine wichtige Maßnahme ist, dass sich die Moral auch mit nichtmoralischen Kräften verbündet. Ich denke im Sponsoring zeigt sich, dass der Sponsor nicht bereit ist, alles zu unterstützen, was seine Produktwerte erniedrigt, weil der Sport nicht mehr für die angestrebten Werte steht. Es ist wichtig zu sehen, dass auch in unserer Wirtschaftswelt Erfolg nicht um jeden Preis vermarktet werden kann. Marktgerechtigkeit und Moralgerechtigkeit kann man vielleicht in ein Bündnis bringen. Der Anti-Doping-Führerschein ist von mir wie ein Stein in den Teich geworfen worden, um Kreise zu ziehen. Ich habe den Eindruck, die notwendige Information, angefangen beim Athleten und auch beim Trainer, ist nicht so gegeben, wie sie erforderlich ist. Das schließt nicht nur wissenschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen, sondern auch moralische Fragen ein. Es fehlt offenbar einfach eine gewisse Volksbildung, die erforderlich ist. Ein Führerschein für den Athleten, den Trainer, den Funktionär oder auch für Ärzte, das wäre eine sinnvolle Sache.

DW: Herr Professor Mieth, vielen Dank für das Gespräch.