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Politik

Trumps Vereidigung: Unerwartetes kommt

Michael Knigge mky
20. Januar 2017

Experten für Präsidentschaftsrhetorik sind ratlos: Was ist von Donald Trumps Vereidigungsrede zu erwarten? Nur darin sind sie sich sicher: Dass diese Rede noch lange in Erinnerung bleibt - nicht unbedingt wegen Trump.

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USA | Vorbereitungen für Trumps Inauguration in Washington
Bild: REUTERS/B. Snyder

Vereidigungsreden sind die traditionsreichsten, straff strukturiertesten und allgemein sehr fest vorgeschriebenen Beiträge zur US-amerikanischen Redekunst. Wer denkt, sie sind dem künftigen US-Präsidenten ein Gräuel im Vergleich zu seinem eigenen Verhalten am Rednerpult während und nach seinem gesamten Wahlkampf, der liegt richtig.

Denn Donald Trump vermied vorgeschriebene Reden und bevorzugte es stattdessen, auf seinen Kundgebungen spontan Bemerkungen zu machen oder feuerte lieber schroffe Salven über Twitter ab.

Bruch mit der politischen Tradition

"Trumps bisherige Rednerleistungen suggerieren, dass er von den Konventionen der Präsidentschaftsreden entweder nichts weiß oder sich nicht dafür interessiert, weder als Kandidat noch in der derzeitigen Vereidigungssituation", sagte Paul Stob, der zur US-amerikanischen Rhetoriktradition an der Vanderbilt Universität forscht.

Stobs Kollegin Jennifer Mercieca, eine Expertin für politische Rhetorik an der Texas A&M Universität, argumentiert anders: Trump missachte nicht nur willentlich politische Rednertradition - er habe sein politisches Ansehen darauf aufgebaut mit den Konventionen zu brechen.

"Er hat während seiner gesamten Kampagne behauptet, dass er sagt, was er denkt, nicht was ihm vorgegeben wurde, per Umfragen getestet oder von Politikberatern geschrieben wurde", analysiert sie per E-Mail. "Dieser Anspruch auf Authentizität ist sein Beweis kein korrupter Politiker zu sein."

Präsidiale Grundvoraussetzungen

Auch wenn diese Vorgehensweise für Trump während dem Wahlkampf funktioniert haben mag, wird sie bei der Vereidigung ein Problem für ihn werden, schreibt Mercieca weiter. "Wie  soll jemand, der behauptet, dass improvisierte Reden das einzig Wahre seien, eine vorgeschriebene Rede halten? Und: Wie soll jemand überhaupt eine improvisierte Vereidigungsrede halten?"

Um eine erfolgreiche Vereidigungsrede zu halten, sagen die Experten, müsste Präsident Trump mindestens drei Grundvoraussetzungen erfüllen: Die US-Amerikaner als ein Volk beschreiben, dass bestimmte Werte vertritt, seine politischen Prinzipien überzeugend erklären und zeigen, dass er verstanden hat, was es heißt, die Präsidialmacht übertragen zu bekommen, mitsamt ihren Einschränkungen. Und er müsste darstellen, dass  er gewillt ist, die Verfassung zu wahren und zu verteidigen.

"Bislang hatte Trump Schwierigkeiten, eine Vision des Landes als das eines geeinten Volkes zu vermitteln", schreibt Mercieca. "Er hatte Schwierigkeiten, US-amerikanische Werte deutlich zu machen und er hatte Probleme, die US-Amerikaner zu überzeugen, dass er das Amt des Präsidenten begreift und sich an die Einschränkungen der Verfassung hält."

"Keine Ahnung, was passieren wird"

Nach Trumps bisherigem Verhalten, ist es unmöglich, vorherzusehen, was er in seiner Antrittsrede sagen oder tun wird. "Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, was passieren wird", sagt Stob. "Ich erwarte das Unerwartete." Mercieca fügt hinzu: "Trump lässt die Leute gerne im Ungewissen, also wird es vielleicht etwas Interessantes oder Überraschendes in der Rede geben."

Beide Experten sind sich jedoch einig, dass es für Trump schwierig werden wird, das von seinem Team gesetzte Ziel zu erreichen: Das Land zu vereinen.

Einigkeit ist kaum vorhanden

"Trumps Aufforderungen zu Einigkeit werden jenen Amerikanern falsch vorkommen, die sich an seine Attacken auf Präsident Obama für seine Geburtsurkunde erinnern und alle anderen Angriffe während seines Wahlkampfes und seit seinem Wahlsieg", sagt Mercieca. "Es wird wirklich schwer für ihn werden, das zu meistern", stimmt Stob zu.

Doch auch unabhängig von der Antrittsrede Donald Trumps wird der 20. Januar 2017 lange Zeit in Erinnerung bleiben.

Trump will USA als Präsident vereinen

Ein historischer Moment

"Er wird von dauerhafter Bedeutung sein, weil es eine bemerkenswerte Zeit in der politischen Geschichte der USA ist", führte Stob aus. "Ich denke nicht, dass diese Rede für ihren Inhalt oder ihre Rhetorik bekannt sein wird, sondern weil sie für einen eigenartigen Machtwechsel steht."

"Ich denke der Moment selbst ist historisch wichtig, aber ich bin mir nicht sicher, ob Trump als Ursache oder Auswirkung dessen gesehen werden wird", sagt Mercieca. "Ich sehe es als den Moment, der den Zwiespalt dieses Landes offenbart, in welche Richtung es sich verändern will."