1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Diskussion um Urnengang im Kosovo

Filip Slavkovic23. Oktober 2004

Bei den Parlamentswahlen im Kosovo ist bis zuletzt unsicher, wie viele der dort lebenden Serben zu den Urnen gehen werden: Die serbische Minderheit streitet sich über einen Wahlboykott. Auch Belgrad macht Stimmung.

https://p.dw.com/p/5kD6
'Hör' nicht hin, wähle': Aufruf in PristinaBild: AP

Rund die Hälfte der 180.000 wahlberechtigten Serben sind über den ganzen Kosovo verstreut, die andere Hälfte lebt noch immer als Flüchtlinge in Serbien und Montenegro. Dass fünf Jahre nach Kriegsende nicht mehr von ihnen in ihre Häuser zurückkehren konnten, ist eines der Hauptargumente derjenigen, die einen Boykott der Parlamentswahl am Samstag (23.10.2004) befürworten. Und dann natürlich das Thema Sicherheit: Mitte März attackierten albanische Extremisten serbischen Siedlungen, steckten rund 800 Häuser und mehr als 30 Kirchen in Brand, 19 Menschen kamen dabei ums Leben. Unter der UN-Verwaltung und der Militärpräsenz der NATO gebe es keine Sicherheit, keine Menschenrechte und keine Perspektive - das beklagen nicht nur die kosovarischen Serben, sondern auch die serbische Regierung in Belgrad.

Anti-Wahl-Koalition

Und so hat das Kabinett von Ministerpräsident Vojislav Kostunica, unterstützt durch die Orthodoxe Kirche, beschlossen, den Volksgenossen in der Provinz die Wahlteilnahme nicht zu empfehlen. Die Serben im Norden des Kosovo, wo sie die Bevölkerungsmehrheit stellen, haben dies als Aufruf zum aktiven Wahlboykott verstanden. Dort gibt es eine so genannte Anti-Wahl-Koalition. Bei den ersten Nachkriegswahlen vor drei Jahren habe man auf die Versprechen der UN-Verwaltung noch gehört. Doch dass die Teilnahme am Versöhnungsprozess den Serben mehr Sicherheit und Rechte geben würde - das habe sich nicht erfüllt, begründet die bisherige Parlamentarierin Rada Trajkovic ihr Engagement bei der Anti-Wahl-Koalition.

Hoffnung auf Dezentralisierung

Diese Meinung teilt auch Oliver Ivanovic. Er ist stellvertretender Parlamentssprecher und führt die "Serbische Liste für Kosovo und Metohija" an - eine von zwei Bürgervereinigungen, die für die serbische Gemeinde zur Wahl antreten. Die Liste hat sich jedoch für die Teilnahme und gegen den Wahlboykott entschieden, als vor zwei Wochen der serbische Präsident Boris Tadic in Belgrad die Kosovo-Serben dazu aufrief. Man könne am Ende nichts gewinnen, wenn man sich gegenüber dem Westen trotzig zeige, sagt Ivanovic. Außerdem hoffe man, dass die seit Monaten angekündigte Dezentralisierung des Kosovo zu einer serbischen Selbstverwaltung führen werde. Spätestens 90 Tage nach der Bildung einer neuen Regierung müsse die Dezentralisierung durchgeführt werden, sagt Ivanovic. "Das heißt, dass man die Aufgaben der neu formierten Gemeinden klar definieren muss und dass mindestens zwei dieser Gemeinden auf mehrheitlich serbischem Gebiet sein müssen." Wenn es nicht dazu komme, werde seine Vereinigung ihre Mandate zurückgeben, warnt Ivanovic.

EU-Chefdiplomat Javier Solana sagte Mitte Oktober, man sei durchaus bereit, mehr Verantwortung auf die Gemeinden zu übertragen, auch dort, wo mehrheitlich Serben leben. Mehr Verantwortung könne es im Bereich der Polizei, der Justiz und des Gesundheits- und Schulwesens geben.

Verantwortung des Westens

Der Berliner Balkan-Experte Dusan Reljic warnt den Westen davor, den kooperationswilligen Teil der Serben im Stich zu lassen. "In den nächsten Wochen wird der Westen die ersten Schritte unternehmen müssen, um die Gemeinde-Selbstverwaltung im Kosovo zu stärken", sagt Reljic.

Das - da sind sich Reljic und Ivanovic sicher - werde vor allem den Serben zu gute kommen, die in Enklaven im Süden und im Zentral-Kosovo leben. Deshalb rechnen sie dort mit einer regen Wahlteilnahme. Die größere Gemeinde im Norden werde sich eher des Urnengangs enthalten. Per Gesetz sind den Serben ohnehin zehn der insgesamt 120 Sitze im Parlament garantiert.