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Messner: "Wir brauchen ein Ministerium für Globale Entwicklung"

Carolyn Wißing13. Oktober 2013

Bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen geht es kaum um entwicklungspolitische Themen. Dirk Messner, Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, will dies ändern - und fordert ein neues Ressort.

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Dirk Messner ist Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, (DIE) in Bonn (Foto: Helle Jeppesen / DW)
Bild: DW/H. Jeppesen

DW: Herr Messner, Ihre Idee ist es, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in seiner jetzigen Form abzuschaffen und ein neues Ministerium für Globale Entwicklung aufzubauen. Warum gibt es denn überhaupt Bedarf dafür?

Dirk Messner: In den letzten 50 Jahren haben wir in der Entwicklungspolitik eine bestimmte Kultur eingeübt und Instrumente entwickelt. Diese zielten darauf ab, dass die Industrieländer die Entwicklungsländer dabei unterstützen, die Probleme in den Entwicklungsländern zu lösen. Das soll auch Teil des Auftrags bleiben. Aber es gibt andere wichtige Aufgaben: Was wir jetzt brauchen, sind Instrumente und Ansätze, mit denen wir globale Probleme gemeinsam mit den Entwicklungs- und Schwellenländern lösen können. Beispielsweise müssen wir das Klima und die internationalen Finanzmärkte stabilisieren. Das ist nicht mehr nur ein Nord-Süd-Transfer, sondern ein neuer, anderer Politikansatz.

Was spricht denn ihrer Meinung nach gegen eine Ausweitung der derzeitigen Kompetenzen und Handlungsfelder des BMZ?

Wir plädieren für eine Neugründung, denn sonst bliebe der alte Ansatz: Wir helfen armen Ländern. Wir wollen ein Entwicklungsministerium, das sich auch um globale Entwicklungsfragen in beide Richtungen kümmert – Veränderungen in den aufstrebenden Ländern und bei uns. Wir schlagen außerdem vor, dass sich das neue Ministerium auf drei Themenbereiche konzentriert und nicht alle Problemfelder der internationalen Politik bearbeitet. Das wäre eine Überforderung.

Die Bereiche, die in den nächsten zwei Jahrzehnten wirklich wichtig werden, sind zum einen Klima sowie Ressourcen im Energiebereich. Zweitens müssen wir gemeinsame Wissenschafts- und Technologiekooperationen dringend voranbringen. Und der dritte Bereich bleibt die Armutsbekämpfung.

Derzeit muss das Knowhow zu diesen Bereichen aus den unterschiedlichen Ministerien durch schwierige Koordinationsprozesse zusammengeführt werden. Wenn wir das zukünftig in einem Ministerium für globale Entwicklung bearbeiten würden, könnten wir Lernprozesse beschleunigen und hätten einen wirksameren politischen Hebel.

Sie haben in der Vergangenheit öfter betont, dass man den Fokus der Entwicklungszusammenarbeit mehr auf die Schwellenländer legen müsse. Kommt dann die Armutsbekämpfung nicht zu kurz?

Armutsbekämpfung bleibt eine wichtige Aufgabe, die auch eine von drei Säulen dieses Ministeriums bilden soll. Es gibt schließlich noch immer eine Milliarde Menschen weltweit, die in absoluter Armut leben. In den ärmsten Ländern der Welt leben heute allerdings nur noch 350 Millionen der ärmsten Menschen. Die anderen 650 Millionen armen Menschen leben in Schwellenländern. Dort sind die wirtschaftlichen Bedingungen bereits gegeben, um die Armut zu bekämpfen. Aber wir behandeln sie dennoch als seien sie klassische Fälle der Entwicklungspolitik und das gefällt diesen Ländern nicht mehr. China, Brasilien und Mexiko sind nicht Ghana, Somalia und Guatemala. Sie brauchen keine großen finanziellen Transfers. Wir sollten die Länder eher weiter darin unterstützen, etwa ihre Sozialpolitik und Bildungsprogramme zu entwickeln.

Nach der Bundestagswahl laufen jetzt gerade die Koalitionsverhandlungen. Gibt es aktuell die Chance dieses neue Ministerium einzurichten?

Ich hoffe wir können zumindest eine kleine Diskussion anstoßen. Wichtig wäre einerseits, dass die Kanzlerin dieses Thema für bedeutsam hält. Ohne ihre Unterstützung gibt es keine Chance, ein solches Ministerium zu kreieren. Grundsätzlich hat sie ein gutes Gespür für die Bedeutung globaler Systemrisiken. Wenn man jetzt noch einen Koalitionspartner hätte, der dieses Feld auch bedienen wollte, dann wäre das möglicherweise eine gute Chance.

Und welcher Koalitionspartner könnte das aus Ihrer Sicht sein?

Beide Konstellationen, die momentan diskutiert werden, könnten das ermöglichen. Bei den Sozialdemokraten wie auch bei den Grünen sind diese Fragen internationaler Kooperation hoch auf der Agenda. Man bräuchte aber eine starke Figur, die dieses Feld besonders attraktiv findet und sich bei den Verhandlungen am Koalitionstisch stark macht.

Im Augenblick muss man allerdings beobachten, dass das Thema Entwicklungspolitik in den Koalitionsverhandlungen fast keine Rolle spielt. All die drängenden Fragen zur Klima- und Energieproblematik werden in die zweite Reihe geschoben. Und das ist nicht angemessen, denn hier müssen in den nächsten Jahren wichtige Weichen gestellt werden.

Dirk Messner ist Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn, das unter anderem auch die Bundesregierung in entwicklungspolitischen Fragen berät.