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Wie wir morgen von A nach B kommen

Klaus Esterluss
4. März 2019

Wenn es nach dem Sozialforscher Andreas Knie geht, werden wir in Zukunft elektrisch unterwegs sein, keine eigenen Autos mehr haben und das Fliegen drastisch einschränken. Ein Gespräch über die Zukunft.

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Ein Auto steht in einer Hausauffahrt, es wird über einen Stecker aufgeladen
Heile Welt? Wie sieht die mobile Zukunft in Großstädten aus?Bild: picture-alliance/dpa/S. Harms

Der Sozialwissenschaftler Andreas Knie forscht am Wissenschaftszentrum Berlin daran, wie wir in Zukunft von A nach B kommen. Er selbst hat kein Auto mehr und erwartet von der Digitalisierung unserer Umwelt, dass immer mehr Menschen aufs Autofahren verzichten können, weil ihnen immer das Verkehrsmittel zur Verfügung steht, das sie gerade brauchen, elektrisch betrieben natürlich. Wenn wir es mit dem Klimawandel ernst meinen, sagt er, dann müssen wir das Fliegen drastisch einschränken. Mit Widerstand dagegen muss man rechnen - aber durchsetzbar wäre es, wenn man es nur versuchen würde.

DW: Je mehr Menschen in Städten leben, desto voller werden auch die Straßen. Wie kriegt man es hin, dass der Verkehr grün wird und die Menschen trotzdem überall hinkommen?

Andreas Knie: Der berühmte Stadtforscher und Architekt Le Corbusier hat gesagt: Eine Stadt ist immer eine Stunde groß. Wenn Städte funktionieren sollen, müssen sie sich an ihren Funktionen messen. Eine der wichtigsten Funktionen ist, dass man von A nach B kommt. Und da haben die meisten Probleme. Gerade die Megastädte in Südamerika und Afrika, Asien. Die europäischen Städte sind da eigentlich noch ganz gut unterwegs, erst einmal, weil sie nicht so ganz groß sind. Und zweitens, weil sie eine gute Infrastruktur-Basis haben, ein stabiles öffentliches Nahverkehrssystem mit vielen schienengebundenen Systemen. Und sie haben die Automobilwelle mitgemacht.

Ein Mann steht in einem Büro, im Hintergrund ein Fester und eine Betonwand
Das Auto war einmal ein Versprechen auf Freiheit, sagt Andreas Knie. Das Versprechen ist heute ein anderes.Bild: DW/K. Esterluß

Also ist die Mischung aus beidem, Straßenverkehr und Schiene, die Zukunft?

Die Kombination von verschiedenen Verkehrsmitteln, die für einen Menschen so intuitiv nutzbar sind, dass er nichts Privates mehr vorhalten muss, ist vielleicht die Zauberformel. Ich muss mich in den Verkehr einchecken können, in das, was ich gerade brauche. Ob ich gefahren werden will, ob ich selber fahren will, ob ich mit Kindern unterwegs bin oder Gepäck habe. Ich muss das ganz bequem machen können, ohne dass ich dafür ein eigenes Verkehrsmittel haben muss, das dann dumm im öffentlichen Raum steht.

Noch fahren die Leute aber lieber selbst, oder? Wir sind hier in Berlin, da gibt es täglich Staus und in jedem Auto sitzt nur eine Person.

Das Auto war ja ein Versprechen auf Freiheit. Und wir haben das ausgekostet. Wie wären wir denn sonst nach Frankreich oder Italien gekommen, ohne eigenes Auto? Dieses eigene Auto war tatsächlich der verlängerte private Raum. Ich hatte kein eigenes Zimmer, aber ein eigenes Auto. Aber das hat sich völlig verändert. Wir haben mittlerweile so viele Autos, dass Autos ihren exklusiven Charakter verloren haben. Jetzt finden wir die Lösung, dass nicht mehr fünf Leute mit fünf Autos morgens in die Stadt fahren, sondern dass davon vielleicht drei Leute in einem Auto fahren. Wir müssen das nur mit digitalen Plattformen vermitteln.

Blick auf einen Parkplatz mit diversen Elektroautos, die geladen werden
Damit der öffentliche Verkehr in der Zukunft ankommen kann, muss er erforscht werden. Das passiert unter anderem hier, am Wissenschaftszentrum Berlin.Bild: DW/K. Esterluß

Aber soweit sind wir noch nicht, oder?

Doch, in der Stadt selbst ist das schon angekommen. Uber ist ja ein gutes Beispiel, und die ganzen Sammeldienste, die explodieren ja, nicht nur im Angebot, sondern auch in der Nachfrage. Das Problem sind die Pendler, denn die sind ja in Routinen eingebunden. Man will ja über den Verkehr nicht nachdenken. Also, man steht morgens auf, es muss was mit den Kinder organisiert werden, das findet in der Regel immer zur selben Zeit statt. Das Auto steht vor der Tür, da will ich nicht noch nachgucken, ob ich noch irgendwen mitnehmen muss. Darum macht man das nicht. Aber in der neuen Welt kriegt man auf seinem Smartphone gezeigt, wo man noch hinfahren, oder wo man selber noch einsteigen kann.

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Gesetzt den Fall, es wäre so, welche Art von Fahrzeugen nutzen wir?

Wir sind in einer Kombination von klassischen, großen Fahrzeugen unterwegs, die von Hub zu Hub fahren. Das sind Verkehrsknotenpunkte, die meistens über Schienen miteinander verbunden sind, entweder innerhalb von Städten oder zwischen Städten, oder von außen in Städte hinein. Das klappt in Deutschland, Österreich oder Schweiz sehr gut. Natürlich werden alle diese Verkehrsmittel, über die wir da nachdenken, nicht mehr mit Verbrennungsmotoren betrieben, sondern sind alle elektrisch.

Smart City - wie Digitalisierung die Städte verändert

Die Zukunft ist also elektrisch? Selbst, wenn wir über zusätzliche Ressourcen sprechen, über Batterien, die gebaut werden müssen, seltene Metalle?

Das Bewegen von A nach B kostet Ressourcen. Natürlich müssen die Fahrzeuge produziert werden und natürlich muss der Brennstoff irgendwie organisiert werden. Was wir im Moment sehen, ist die Batterietechnologie für Strecken von 50 - 70 Kilometern und Brennstoffzellen für die Langstrecken. Aber auch die werden Ressourcen brauchen. Man muss das immer im Vergleich zu dem sehen, was wir haben. Auch ein Verbrennungsmotor braucht sehr viele Ressourcen und ein Katalysator hat eine unglaubliche Menge von feinsten Metallen, über die niemand spricht. Aber jeder fängt an zu gucken, wenn es um Batterien geht.

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Das erste Auto der Welt war ja elektrisch, soweit ich weiß. Haben wir uns damals falsch entschieden?

Wir hatten drei Antriebstechnologien. Da waren die Dampfmaschinen, das waren große Monstren. Dann hatte man den Verbrennungsmotor, oder Explosionsmotor, der aber vielen nicht geheuer war, weil man nicht sicher wusste, ob er nicht doch explodiert. Und das Dritte war das elektrische Auto. Und, was man heute kaum nachvollziehen kann, man hatte eigentlich keine Verwendung für diese Automobile. Das war eigentlich nur etwas für den Rennsport. Da war der fossile Brennstoff am besten geeignet. Und weil wir von 1890 bis 1914 nur diese Verwendung hatten, haben sich die Motoren so entwickelt und waren Stand der Technik. Die Elektromobilität ist in Nischen versunken. Die Post ist lange Zeit elektrisch gefahren. In England wurden Milchflaschen ausgefahren. Da haben wir in der Tat vieles verschlafen.

Blick auf ein Flugzeug der Gesellschaft Ryanair, Spiegelung in einer Pfütze am Boden
Wenn wir wirklich etwas für das Klima tun wollen, müssen wir das Fliegen drastisch einschränken, sagt Andreas KnieBild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Fliegen wir in Zukunft noch so viel wie heute?

Wenn wir irgendwas in Richtung Klimaschutz tun wollen, können wir uns Fliegen eigentlich nicht mehr erlauben. Bezogen auf Deutschland kommen wir sehr schnell darauf, dass innerdeutsche Flüge eigentlich Quatsch sind. Wir haben die Alternativen, die Bahn vor allen Dingen. Ein Problem ist eher der europäische und transatlantische Flugverkehr. Den wird man nicht abstellen können. Aber den kann man begrenzen. Unser Vorschlag ist, dass man pro Jahr dreimal hin-und zurückfliegen kann. Wer mit den 3 Flugreisen nicht auskommt, muss sich vielleicht bei den Leuten, die nie fliegen, diese Option besorgen. Da wäre dann ein Markt, wie ein Optionshandel. Die Debatte, wie viel Verkehr wir uns leisten können, wird auch in den nächsten Jahren die Agenda beherrschen.

Wie lange wird es noch bis zu einer Verkehrswende dauern?

Das kann man nicht sagen, weil es ein Tipping Point ist. Die Technologien sind da. Nehmen wir mal das Beispiel Flugverbot. Sagen wir, am 1. März wird bekannt gegeben, dass ab dem 1. März des nächsten Jahres keine Flüge mehr erlaubt sind. Meine Prognose wäre, dass es wunderbar klappen würde. Man hätte sich darauf eingestellt und würde dann sehen, dass es geht. Ratzfatz wird das überall adaptiert und dann hätte man schon mal eine große Menge an klimaschädlichen Gasen weniger.