1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die "Wurstlücke" vor Gericht

Erich Reimann dpa
19. Dezember 2017

Jahrelang bezahlten Kunden in Deutschland zu viel an der Wursttheke. Deswegen wurde das "Wurstkartell" auch schon verurteilt. Die Firmen zahlten aber nicht. Jetzt geht’s vor das Oberlandesgericht.

https://p.dw.com/p/2pcBF
Deutschland Symbolbild Wurstkartell
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Nach Überzeugung des Bundeskartellamtes mussten die Verbraucher wegen verbotener Preisabsprachen der Wursthersteller jahrelang zu viel für Aufschnitt bezahlen. Im Jahr 2014 verhängte die Wettbewerbsbehörde deswegen Bußgelder in Höhe von 338 Millionen Euro gegen 22 Wursthersteller und 33 verantwortliche Personen. Ab Dienstag beschäftigt das sogenannte "Wurstkartell" die Justiz noch einmal vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht.

Denn vier Wursthersteller haben Einspruch gegen die verhängten Millionenbußen eingelegt. Im Saal BZ 5 des Oberlandesgerichts wird einer der größten Kartellskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte neu aufgerollt werden. Ein Skandal nicht nur, weil möglicherweise Verbraucher über einen langen Zeitraum geschädigt wurden, sondern auch deshalb, weil es einer ganzen Reihe von beschuldigten Unternehmen durch eine Gesetzeslücke möglich war, den gegen sie verhängten Geldbußen zu entgehen.

"Preisabsprachen über viele Jahre"

Der Fall: Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts hatten sich 22 Wursthersteller jahrelang über ihre Preisforderungen in den Verhandlungen mit dem Lebensmittelhandel abgestimmt, um eine bessere Bezahlung durchsetzen zu können. Es ging um die Preise für Ware in den Frischetheken, als auch die Preise für verpackte Wurst in den Selbstbedienungstheken. "Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert", begründete Kartellamtspräsident Andreas Mundt 2014 die ungewöhnlich hohen Geldbußen.

Wegen einer bis vor kurzem bestehenden Regelungslücke, der sogenannten "Wurstlücke", konnte jedoch eine ganze Reihe von Firmen durch interne Umstrukturierungen den gegen sie verhängten Bußgeldern entgehen. Sie ließen dabei haftende Tochterunternehmen kurzerhand vom Markt verschwinden, die damit nicht mehr greifbar waren. Insgesamt mussten Verfahren mit einem Bußgeldvolumen von rund 238 Millionen Euro eingestellt werden.

Wurtswaren an der Wurtstheke
60 Kilo Wurst und Fleisch: Durchschnittskonsum der Deutschen pro Kopf im Jahr Bild: picture-alliance/dpa/S. Simon

Die "Wurstlücke"

Die nun in Düsseldorf beginnende Verhandlung betrifft deshalb nur die Wursthersteller Wiesenhof Geflügelwurst, Rügenwalder Mühle, Franz Wiltmann und Heidemark Mästerkreis sowie insgesamt fünf für diese Unternehmen verantwortlich handelnde Personen. Sie hatten Einspruch eingelegt gegen die Bescheide, mit denen Bußgelder in Höhe von insgesamt 22,6 Millionen Euro gegen sie verhängt worden waren. Insgesamt sind für das Verfahren bis Mai nächsten Jahres 40 Verhandlungstage terminiert.

Der Geschäftsführer von Wiltmann, Wolfgang Ingold, sagte der "Lebensmittel Zeitung", auch seinem Unternehmen sei von Beratern angeboten worden, die "Wurstlücke" zu nutzen. "Wir haben uns aber nichts vorzuwerfen und das will ich von einem Gericht bestätigt sehen."

Die Großen kommen davon?

Der Schritt vor Gericht ist nicht ohne Risiko. "Statistisch gesehen sind die meisten Kartellentscheidungen in der Vergangenheit von den Gerichten bestätigt worden", sagt der Kartellrechtler René Grafunder von der Wirtschaftskanzlei Dentons. Erst kürzlich erhöhte das Düsseldorfer Oberlandesgericht in einem ähnlichen Verfahren gegen Tapetenhersteller die vom Bundeskartellamt verhängten Bußgelder sogar noch einmal deutlich. 

Allerdings wirft die "Wurstlücke" einen Schatten über das Verfahren gegen Wiesenhof, Rügenwalder und Co. Der Kartellrechtler Grafunder jedenfalls meint: "Es sorgt für ein komisches Gefühl, dass kleine mittelständische Unternehmen Millionenbußen zahlen sollen, während ihre größeren Konkurrenten ohne Strafe davonkommen."