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IWF wieder gefragt

30. September 2009

Totgesagte leben länger: Lange war der Internationale Währungsfonds von einem Bedeutungsverlust gekennzeichnet. Aber wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise wird der IWF wieder stärker gebraucht. <i>Von Karl Zawadzky</i>

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Symbolbild IWF (Foto: dpa)
Zurück im Geschäft: der IWFBild: picture-alliance/dpa

"Der IWF ist zurück im Geschäft", sagt sein geschäftsführender Direktor, der ehemalige französische Finanzminister Dominique Strauss-Kahn. Im Zuge der Krise sind bereits mehr als 100 Milliarden Dollar an Krediten an Staaten mit akuten Zahlungsbilanzkrisen vergeben worden. Zu den ersten Empfängern zählte Island, dessen Volkswirtschaft im Zuge der Bankenkrise zu kollabieren drohte. Mexiko bekam mit 47 Milliarden Dollar den bislang größten Beistandskredit zugesagt, Polen 20,5 Milliarden Dollar. Danach folgten Weißrussland, Lettland, Ungarn, Pakistan, Serbien und die Ukraine. Aber auch die Türkei, Rumänien, die Mongolei und Bulgarien haben sich mit Hilferufen an den Internationalen Währungsfonds gewandt. Weitere Staaten werden folgen.

Bittere Medizin

IWF-Direktor Strauss-Kahn (Foto: dpa)
IWF-Direktor Strauss-Kahn: Zusammenarbeit ist hilfreichBild: picture-alliance/ dpa

IWF-Direktor Strauss-Kahn hat festgestellt: "Das Stigma, das die Verhandlungen mit dem IWF früher so erschwert hat, ist vorbei. Die Erkenntnis setzt sich durch, dass die Zusammenarbeit mit dem IWF hilfreich ist für die Mitgliedsländer." Danach sah es lange Zeit nicht aus. Der Währungsfonds saß auf liquiden Reservemitteln von 250 Milliarden Dollar und auf einer Goldreserve von 3200 Tonnen sowie einem hochkarätigen Stab von Mitarbeitern.

Aber niemand klopfte in der Zentrale in Washington um finanziellen Beistand und wirtschaftspolitischen Rat an, denn die IWF-Medizin war für den Empfänger zumeist bitter. Die IWF-Experten knüpften die Vergabe von Beistandskrediten an rigorose Auflagen aus dem neoliberalen Instrumentenkasten. Denn der IWF verlangte regelmäßig den Abbau von Haushaltsdefiziten und Subventionen, höhere Leitzinsen und niedrigere Sozialleistungen. In einigen Ländern kamen die Regierungen, die den Ratschlägen des IWF folgten, durch Hungerrevolten ärmster Bevölkerungskreise unter Druck.

In vielen Entwicklungsländern verhasst

In weiten Teilen der Dritten Welt war der IWF als Knüppel der reichen Industriestaaten verhasst. Sich von ihm abzuwenden, fiel vor allem den Schwellenländern in den Jahren des weltweiten Wirtschaftsbooms leicht. Sie waren zu Zeiten des vielen und billigen Geldes bei Finanzkrisen nicht auf IWF-Kredite angewiesen, sondern konnten sich das Geld an den internationalen Kapitalmärkten ebenso billig und ohne die verhassten Auflagen besorgen. Auch vergaben einige Staaten mit hohen Rohstoffeinnahmen - etwa Venezuela - aus politischen Gründen Kredite in Konkurrenz zum IWF. Im Ergebnis geriet der IWF in eine arge Bedeutungskrise und in schwere Finanznot, denn sein Rat wurde immer weniger in Anspruch genommen. Außerdem fehlten die Zinseinnahmen für die Finanzierung des aufgeblähten Apparats.

Goldbarren (Foto: AP)
Der IWF wird sich von einem Teil seiner Goldreserven trennenBild: AP

Betrugen die ausstehenden Kredite des IWF 2003 noch 100 Milliarden Dollar, so machten sie im Februar 2008 nur noch 15,6 Milliarden Dollar aus. Entsprechend sanken die Zinseinnahmen, mit denen der IWF seinen Apparat bezahlt. Das Defizit im IWF-Etat stieg auf 400 Millionen Dollar pro Jahr. Als Reaktion darauf ist neben allgemeinen Einsparungen die Verkleinerung des Stabes von 2600 Mitarbeitern um 300 bis 400 Mitarbeiter und der Verkauf von 403 Tonnen Gold beschlossen worden. Der IWF will sich von einem Achtel seiner Goldreserve trennen, die Einnahmen aus dem Verkauf in Wertpapiere anlegen und zur Vergabe neuer Darlehen an Entwicklungsländer verwenden. Außerdem nimmt der IWF bei Zentralbanken Kredite auf, zum Beispiel im September 15 Milliarden Euro bei der Deutschen Bundesbank.

Rat und Geld wieder gefragt

Gebäude des IWF in Washington (Foto: dpa)
Anlaufstelle für finanziellen Beistand: IWF-Zentrale in WashingtonBild: picture-alliance/dpa

Denn mit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ist das traditionelle Geschäft wieder in Gang gekommen. Der IWF ist gefragt - und zwar mit Geld und, wenn es denn sein muss, auch mit Rat. Großen Schwellenländern sowie rohstoffreichen Entwicklungsländern sind die Exporterlöse weggebrochen, viele Staaten in Osteuropa haben im Boom der letzten Jahre hohe Leistungsbilanzdefizite angehäuft. Währungskrisen und Staatsbankrotte drohen - und zwar in einem Ausmaß, das die finanziellen Möglichkeiten des Währungsfonds übersteigt. Deshalb haben die Staats- und Regierungschefs der großen Industrie- und Schwellenländer auf dem G20-Gipfel Anfang April in London eine drastische Aufstockung der Finanzmittel des Währungsfonds beschlossen - von bislang 250 Milliarden Dollar auf kurzfristig 500 Milliarden Dollar und mittelfristig 750 Milliarden Dollar. Am Ende sollen dem IWF sogar 1000 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen. Damit ist der IWF wieder handlungsfähig.

Von der kurzfristigen Kapitalerhöhung haben die Staaten der Europäischen Union 125 Milliarden Euro übernommen, davon Deutschland 25 Milliarden Euro. China beteiligt sich mit 40 Milliarden Dollar. Brasilien, Anfang der neunziger Jahre in chronischen Zahlungsbilanznöten und notorischer Großkunde des IWF, steuert 4,5 Milliarden Dollar bei. Ganz uneigennützig ist das nicht. So wie der IWF mit seinen Beistandskrediten Auflagen verbindet, so verlangen die Schwellenländer institutionelle Reformen des IWF. Vor allem geht es ihnen um höhere Kapitalanteile und mehr Stimmrechte. Zwar hat es erste Reformen gegeben, aber im Grunde bestimmen im IWF immer noch die alten Industriestaaten, was dazu führt, dass das kleine Belgien höhere Stimmrechte hat als das große China. Das wird sich ändern.

IWF Gewinner der Krise

Mit der besseren Finanzausstattung des IWF können Löcher in den Staatshaushalten und Leistungsbilanzen gestopft werden, die durch den Rückgang von Exporten, durch die Rückzahlung von Krediten und durch ausbleibende private Kapitalzuflüsse entstehen. Die Türkei zum Beispiel muss im laufenden Jahr ausländische Kredite in Höhe von 50 Milliarden Dollar zurückzahlen. Da das dafür benötigte Geld auf den internationalen Kapitalmärkten nicht aufzutreiben ist, bleibt nur der Gang zum IWF. Ähnlich sieht es bei einer ganzen Reihe von osteuropäischen Staaten aus.

Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hat dem IWF eine so nicht erwartete Renaissance verschafft. Wenn alle anderen Mittel versagen, ist der Internationale Währungsfonds wieder gefragt. Er zählt zu den Gewinnern der Krise. Das betrifft nicht nur die Kreditvergabe, sondern auch Überwachung und Beratung. Wenn nämlich tatsächlich die Finanzmärkte stärker als bislang überwacht werden sollen, wie das auf dem G20-Gipfel in London beschlossen und auf dem Weltfinanzgipfel in Pittsburgh bekräftigt worden ist, dann muss dies nach weltweit einheitlichen Standards geschehen und international koordiniert werden. Dafür ist keine andere Organisation so geeignet wie der Internationale Währungsfonds.

Autor: Karl Zawadzky

Redaktion: Monika Lohmüller