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Die wirtschaftlichen Spätfolgen der Attentate

11. November 2016

Ein Jahr nach den Pariser Attentaten kommen noch immer weniger Touristen nach Frankreich als vorher. Die französische Wirtschaft bekommt das zu spüren. Lisa Louis aus Paris.

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Frankreich Trauer nach Terroranschlägen in Paris
Bild: picture-alliance/dpa/M. Christians

Wirtschaftliche Spätfolgen der Attentate von Paris

Seit 20 Jahren führt François Pasteau das kleine Restaurant "L'Epi Dupin" im Süden von Paris. Fast von Anfang an waren Touristen ein wichtiger Bestandteil seiner Kundschaft. Sie sorgten für rund ein Fünftel seines Umsatzes. Bis zu den Attentaten vom 13. November 2015, bei denen Terroristen 130 Menschen töteten. Danach blieben die Touristen auf einmal weg - aus Angst vor neuen Anschlag erschreckend", sagt er. "Als Unternehmer hat man doch Angestellte, die man bezahlen, und Fixkosten, die man decken muss. Ich musste aufpassen, dass mein Unternehmen nicht in die roten Zahlen rutscht." So hat der Küchenmeister Investitionen in neues Material auf Eis gelegt. Als einer seiner Angestellten kurze Zeit später kündigte, hat er die Stelle nicht wieder besetzt.

Franzosen gleichen Umsatzeinbruch nicht aus

Auch die Franzosen waren nach dem 13. November erst einmal so geschockt, dass viele abends zuhause blieben. Doch nur wenige Wochen nach den Attentaten gingen sie wieder aus. Sogar etwas mehr als vorher, wie Mark Watkins erklärt. Er ist Gründer von Coach Omnium, einer Pariser Beratungsfirma in Sachen Tourismus. "Das ist ein bekanntes psychologisches Phänomen", sagt er. "Nach so einem Moment der Blockade kaufen die Menschen auf einmal mehr in Geschäften ein und gehen öfter ins Restaurant. Sie überkompensieren so die Unterbrechung."

François Pasteau Paris
François Pasteau in seinem Restaurant L'Epi Dupin im Süden von Paris.Bild: DW/P. Sentenac

Auch Pasteau hat seitdem etwas mehr französische Kunden als vorher. Und dennoch - den Umsatzeinbruch durch die wegbleibenden ausländischen Besucher kann er damit nicht ausgleichen. "Touristen gönnen sich immer etwas, zum Beispiel eine schöne Flasche Wein. Schließlich sind sie ja im Urlaub", sagt er. "Französische Kunden hingegen geben im Alltag weniger aus - auch, weil es der französischen Wirtschaft gerade nicht so gut geht und sie deshalb einfach nicht so viel Geld haben."

Nicht nur Paris ist betroffen

Wie Pasteau leiden viele französische Geschäftsleuten - vor allem in Paris und an der Côte d'Azur. Dort, in der Stadt Nizza, fuhr ein Attentäter während der diesjährigen Feiern zum 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, einen Lastwagen in die Menschenmenge und tötete 84 Menschen.

Laut Schätzungen hat Frankreichs Wirtschaft mehrere Milliarden Euro Umsatz als Folge der ausbleibenden Touristen verloren. Betroffen sind Restaurantbesitzer, Hoteliers und Reiseveranstalter, so Claude Boulle, Präsident des Pariser Handelsverbandes Alliance du Commerce. "Dass es weniger Touristen in der Stadt gibt, bekommen auch zum Beispiel Taxifahrer, Apotheker oder Supermärkte zu spüren", meint er. Sein Verband verlangt deshalb von der Regierung, dass sie Touristen einen größeren Anteil der Mehrwertsteuer erstattet. "Das wäre eine konkrete Maßnahme, die Touristen nach Paris zurückholen könnte."

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Paris am 6. August: Nur mini-kleine Warteschlange vor dem Louvre. Bild: Getty Images/AFP/A. Jocard

Maßnahmen, um die Touristen zurückzuholen, hat bisher nicht nur die Regierung ergriffen. Sie will mehr als 40 Millionen Euro in zusätzliche Sicherheit und eine Werbekampagne für das Land investieren. Auch die Region Île-de-France will aktiv werden und plant unter anderem einen City-Pass für alle öffentlichen Verkehrsmittel und wichtige Touristenattraktionen. Die Stadt Paris hat ihre eigene Kampagne aufgesetzt. "Seit Juni haben wir zwei Millionen Euro investiert", sagt Jean-François Martins, stellvertretender Pariser Bürgermeister, unter anderem für Tourismus zuständig. "Wir haben Reiseveranstalter in der ganzen Welt aufgesucht und Journalisten nach Paris eingeladen, damit sie sehen, dass das Leben hier so weitergeht wie zuvor. Wir haben auch extra einen Film über Paris gedreht."

Rund zehn Prozent weniger Besucher seien dieses Jahr nach Paris gekommen laut der Stadtregierung. Doch diesen Einbruch wird die Stadt schließlich wieder ausgleichen können, meint Martins - wenn auch unter einer Bedingung. "Es gibt keine Zauberformel in Sachen Tourismus, und es wird ein bisschen dauern, bis wir unseren Ruf und das Vertrauen in Paris wieder aufgebaut haben", sagt er. "Aber ich denke, in neun Monaten werden wir wieder so viele Besucher wie früher haben. Natürlich nur, wenn es keine neuen Attacken gibt."

Pasteau setzt auf Mundpropaganda

Dass Werbekampagnen die Touristen zurück nach Frankreich bringen können, bezweifelt allerdings Tourismusexperte Watkins. "Das ist, als ob man eine Leinwand vor das Elend hält und darauf einen schönen Film abspielt", sagt er. "Jeder weiß doch, dass die Situation dahinter sich nicht grundlegend geändert hat." Für ihn heißt es daher nur abwarten und hoffen, dass nicht wieder ein Attentat Frankreich erschüttert. Dann, so schätzt Watkins, sollte sich die Zahl der Touristen in etwa einem Jahr wieder auf das Niveau von vor den Attacken eingependelt haben.

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Polizeischutz vor der Notre Dame Kathedrale in Paris im September.Bild: picture alliance/AP Photo/C. Ena

Restaurantbesitzer Pasteau tut indes das Seinige, um die ausländische Klientel wieder in sein Restaurant zu locken. "Ich habe schon immer viel auf Mundpropaganda gesetzt", sagt er. "Die Touristen sind doch selbst die besten Botschafter. Und wenn ich welche in meinem Restaurant sehe, dann versuche ich, mich besonders gut um sie zu kümmern." Schließlich seien sie es, die dann nach Hause führen, und ihren Freunden von ihrer schönen Reise erzählen könnten. Aber auch diese Strategie wird wohl wenn, dann erst auf längere Sicht Früchte tragen.