Die Wiener Kaffeehauskultur
Wien hat viele Sehenswürdigkeiten und die traditionsreichen Kaffeehäuser überall in der Stadt gehören definitiv dazu. Begonnen hat alles im 17. Jahrhundert – mit ein paar Säcken voller Bohnen und einem Spion.
Wer Wien besucht und auf einen Kaffee einkehren ein|kehren im Restaurant oder Café essen möchte, hat die Qual der Wahl die Qual der Wahl haben umgangssprachlich für: das Problem haben, dass man sich entscheiden muss , denn in Österreichs Hauptstadt gibt es mehr als 900 Kaffeehäuser. Die Wiener haben das Kaffeetrinken zum Lebensgefühl gemacht und zu einer Kultur erhoben, die seit Jahrhunderten gepflegt wird. Seit November 2011 gehört diese einzigartige Kaffeehauskultur sogar zum nationalen immateriellen Kulturerbe immaterielles Kulturerbe (n., nur Singular) die Traditionen in einer Kultur, z. B. Feste, Musik, Handwerkstechniken der UNESCO UNESCO (f., nur Singular) englische Abkürzung für die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur , und Touristen* können eine „Tour de Café“ buchen etwas buchen sich für etwas gegen eine Gebühr anmelden (z.B. eine Aktivität oder ein Ausflug) , um die ganz besondere Atmosphäre vor Ort zu erleben.
Der Legende nach haben die Wiener das leckere Gebräu Gebräu, -e (n., selten im Plural) Getränk eigentlich den Türken zu verdanken. Die belagerten jemanden belagern hier: mit Soldaten vor einer Stadt stehen, um sie zu erobern die Stadt im Jahr 1683, wurden aber vernichtend geschlagen. Bei ihrer Flucht ließen sie zahlreiche Säcke mit Kaffeebohnen zurück. Auf den Geschmack gebracht hat die Wiener dann ein Spion des Kaiserhofes namens Johannes Theodat. Für seine Verdienste Verdienst, -e (m.) hier: die besondere Leistung erhielt er vom Kaiser persönlich die Erlaubnis, ein Kaffeehaus zu eröffnen, um das „türkische Getränk“ auszuschenken etwas aus|schenken ein (meist alkoholisches) Getränk in ein Glas gießen .
Und so eröffnete er 1685 das erste Kaffeehaus der Stadt. Was Wiener Kaffeehauskultur heute ausmacht, lässt sich am besten vor Ort erkunden – so wie im Café Landtmann. Dort trifft man sicher auf Stammgäste Stammgast, Stammgäste (m.) jemand, der immer wieder etwas (z. B. eine Kneipe, ein Restaurant, einen Club) als Gast besucht wie Stefan, der in einen Satz packt, warum er regelmäßig kommt:
„Also ich reduzier’ mich nicht auf die Dienstleistung. Da könnt’ ich gleich zum Automaten gehen.“
Stefan, ein gepflegter gepflegt hier: so, dass jemand sehr auf seine äußere Erscheinung achtet Mann im dunklen Anzug, Einstecktuch Einstecktuch, -tücher (n.) ein Tuch, das man schön gefaltet in die Brusttasche seines Anzugs steckt und Krawatte sind farblich aufeinander abgestimmt, kommt schon seit Jahrzehnten ins Café Landtmann. Meist sitzt er an einem Tisch am Fenster, liest Zeitung und beobachtet die anderen Gäste. Besonders gern lässt er sich vom Ober Daniel bedienen, nicht ohne einen kurzen Plausch oder ein „Tratschl“, wie der Wiener sagt. Denn die Atmosphäre ist für Stefan sehr wichtig. Er kommt nicht nur, um schnell einen Kaffee zu trinken. Den könnte er ja, wie er sagt, auch an einem Automaten ziehen sich an einem Automaten etwas ziehen sich gegen Bezahlung etwas aus einem Automaten herausholen (z. B. Kaffee, Zigaretten) . Caféhaus-Chef Berndt Querfeld kennt die Vorlieben seiner Gäste:
„Wir haben Stammgäste, die brauchen das. Die Ansprache, dass sie jeder begrüßt. Und dafür kommen sie ins Kaffeehaus. Also das sind dann die, die sich nicht unbedingt verstecken, die wir natürlich auch haben. Die kommen hier auf einen kleinen Braunen, den kaufen sie sich, und dann sind die hinter der Zeitung nicht zu sehen und sitzen so zwei Stunden, und nach dem Zeitungslesen zahlen sie – und das war’s.“
Manche Gäste kommen, um zu plaudern, andere wollen bei einem kleinen Braunen, einer kleinen Tasse starken Kaffees, zu der in einem Kännchen Kaffeeobers Kaffeeobers (n.) ungesüßte Sahne für Kaffee serviert wird, nichts anderes als in Ruhe ihre Zeitung lesen. Das Kaffeehaus Kramers am Wiener Graben war 1720 das erste, das kostenlos Zeitungen auslegte – oder auflegte, wie man in Österreich sagt. Literaten, Künstler, Professoren oder Studenten lasen so Nachrichten aus aller Welt. Der Schriftsteller Stefan Zweig nannte das Kaffeehaus die beste Bildungsstätte seiner Jugend. Denn, so weiß Berndt Querfeld:
„Zeitungen waren teuer, der Zugang zu Tageszeitungen war auch wenigen vorbehalten. Und die Kaffeesieder haben begonnen, die Zeitungen im Kaffeehaus aufzulegen und zu teilen und schafften sich damals beim interessierten Publikum einen Wettbewerbsvorteil. Und das ist bis heute Teil der Kaffeehauskultur. Wie schafft man das, sich das zu leisten? Na ja, jeder der nach Wien kommt, wird draufkommen, dass vielleicht die Schale Kaffee ein wenig teurer ist als woanders. Da wird es eingepreist.“
Der Fakt, dass die Kaffeesieder, der amtliche Begriff für Kaffeehausbesitzer, Zeitungen anschaffen und kostenlos zur Verfügung stellen, ist im Preis für die Tasse Kaffee berücksichtigt. Er ist eingepreist. So kostet etwa der kleine Braune im Landtmanns um die 3,80 Euro, die Wiener Melange Wiener Melange (f.) Kaffee, der aus einem Teil Kaffee, einem Teil Milch und Milchschaum besteht kommt auf 5,90 Euro. Der ‚Eintrittspreis‘ für die Wiener Kaffeehauskultur ist nicht billig. Dafür gibt es nationale und internationale Zeitungen, einen gesprächsbereiten Ober, der auch so genannt werden möchte, illustre illuster vornehm, glanzvoll, elegant Gäste und das Glas Wasser zum Kaffee umsonst. Auch letzteres hat eine Geschichte, wie Kaffeesieder Berndt Querfeld erzählt:
„In Wien haben wir ein extrem gutes Wasser mittlerweile, das war nicht immer so. Und aufgrund der unsauberen Brunnen haben die Kaffeehäuser sich irgendwie genötigt gefühlt sich genötigt fühlen sich unter Druck gesetzt fühlen; sich verpflichtet fühlen , den Gästen die Sauberkeit des Wassers zu zeigen. Und das Glas Wasser zum Kaffee soll dem Gast zeigen: Mit diesem reinen Wasser kochen wir Kaffee.“
Kaiser Franz Joseph I. ist es zu verdanken, dass seit 1873 klares Hochquellwasser Hochquellwasser (n., nur Singular) hier: Wasser, das aus Quellen im Hochgebirge (aus dem Rax- und dem Schneeberggebiet im Nordosten Österreichs) kommt aus den Alpen durch die Wiener Wasserleitungen fließt. Das wohlschmeckende Wasser wird weiterhin zum Kaffee gereicht, stilvoll auf einem kleinen Silbertablett. Doch während die Besucher seines Kaffeehauses normalerweise alle Zeit der Welt haben alle Zeit der Welt haben umgangssprachlich für: sehr viel Zeit haben , werden sie an einem bestimmten Punkt doch ungeduldig, erzählt Berndt Querfeld:
„Im Kaffeehaus hat vieles Zeit. Es ist nicht so, dass hinter jedem Gast ein Ober steht. Und dann passieren schon so Geschichten: Wenn ein Gast zweieinhalb Stunden sitzt bei ’ner kleinen Konsumation und wenn’s ums Zahlen geht, dann ist er fast schon auf der Flucht. Ja, dann ist da jede Minute, die der Ober nicht kommt, schon eine Minute zu viel.“
Die unzähligen Wiener Kaffeehäuser sind ein Touristenmagnet Touristenmagnet, -e (m.) etwas (zum Beispiel eine Sehenswürdigkeit), das viele Touristen anlockt – genau wie die Staatsoper, der Stephansdom oder die Sängerknaben Wiener Sängerknaben (f., nur Plural) eine Gruppe von etwa 100 Jungen im Alter von 10 bis 14 Jahren, die auf vier Wiener Chöre aufgeteilt sind . Sie bewegen sich zwischen Tradition und Moderne, von mondän mondän sehr elegant; so, dass jemand die Eleganz deutlich zeigt bis morbid morbid hier: so, dass etwas den Reiz des Verfalls hat . Manche sind leicht angestaubt angestaubt hier umgangssprachlich für: nicht mehr ganz modern mit viel Plüsch Plüsch, -e (m.; meist nur Singular) ein dicker, weicher Stoff im Inneren, andere modern, fast schon nüchtern nüchtern hier: sachlich, ohne überflüssige Dinge . Bei der riesigen Auswahl dürfte sicher für jeden Geschmack was dabei sein. Genauso wie bei den vielen Kaffees, die auf der Karte stehen: Außer dem kleinen Braunen und der Wiener Melange gibt’s noch den großen Braunen großer Brauner (m.) ein Kaffee mit der doppelten Menge Pulver und sehr wenig Milch oder Kaffeesahne, die separat in einem Kännchen serviert wird , Mokka Mokka, -s (m.) ein starker schwarzer Kaffee ohne Milch und Zucker , das Kleine Schalerl Gold Kleines Schalerl Gold (n.) österreichisch für: ein starker Kaffee mit heißer Milch und einer dünnen Haube aus Milchschaum , Verkehrten Kaffee Verkehrter Kaffee (m.) ein Kaffee, der überwiegend aus Milch und Milchschaum mit nur ganz wenig schwarzem Kaffee besteht , Kapuziner Kapuziner,- (m.) ein Kaffee, der mit ein paar Tropfen Schlagsahne verfeinert wird , Fiaker Fiaker, - (m.) ein sehr starker Kaffee mit viel Zucker und etwas Schnaps oder Rum , den Einspänner Einspänner, - (m.) ein starker Kaffee, der mit Schlagsahne bedeckt ist und traditionell in einer Glastasse mit Henkel serviert wird , Kosakenkaffee Kosakenkaffee (m.) ein starker Kaffee mit flüssigem Zucker und Alkohol (Rotwein und Wodka) – um nur einige wenige der vielen, vielen Wiener beziehungsweise österreichischen Kaffeespezialitäten zu nennen. Wer alle mal durchprobiert, wird sicher auch seinen ganz persönlichen Lieblingskaffee entdecken.
Die Wiener Kaffeehauskultur
ein|kehren — im Restaurant oder Café essen
die Qual der Wahl haben — umgangssprachlich für: das Problem haben, dass man sich entscheiden muss
immaterielles Kulturerbe (n., nur Singular) — die Traditionen in einer Kultur, z. B. Feste, Musik, Handwerkstechniken
UNESCO (f., nur Singular) — englische Abkürzung für die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur
etwas buchen — sich für etwas gegen eine Gebühr anmelden (z.B. eine Aktivität oder ein Ausflug)
Gebräu, -e (n., selten im Plural) — Getränk
jemanden belagern — hier: mit Soldaten vor einer Stadt stehen, um sie zu erobern
Verdienst, -e (m.) — hier: die besondere Leistung
etwas aus|schenken — ein (meist alkoholisches) Getränk in ein Glas gießen
Stammgast, Stammgäste (m.) — jemand, der immer wieder etwas (z. B. eine Kneipe, ein Restaurant, einen Club) als Gast besucht
gepflegt — hier: so, dass jemand sehr auf seine äußere Erscheinung achtet
Einstecktuch, -tücher (n.) — ein Tuch, das man schön gefaltet in die Brusttasche seines Anzugs steckt
sich an einem Automaten etwas ziehen — sich gegen Bezahlung etwas aus einem Automaten herausholen (z. B. Kaffee, Zigaretten)
Kaffeeobers (n.) — ungesüßte Sahne für Kaffee
Wiener Melange (f.) — Kaffee, der aus einem Teil Kaffee, einem Teil Milch und Milchschaum besteht
illuster — vornehm, glanzvoll, elegant
sich genötigt fühlen — sich unter Druck gesetzt fühlen; sich verpflichtet fühlen
Hochquellwasser (n., nur Singular) — hier: Wasser, das aus Quellen im Hochgebirge (aus dem Rax- und dem Schneeberggebiet im Nordosten Österreichs) kommt
alle Zeit der Welt haben — umgangssprachlich für: sehr viel Zeit haben
Touristenmagnet, -e (m.) — etwas (zum Beispiel eine Sehenswürdigkeit), das viele Touristen anlockt
Wiener Sängerknaben (f., nur Plural) — eine Gruppe von etwa 100 Jungen im Alter von 10 bis 14 Jahren, die auf vier Wiener Chöre aufgeteilt sind
mondän — sehr elegant; so, dass jemand die Eleganz deutlich zeigt
morbid — hier: so, dass etwas den Reiz des Verfalls hat
angestaubt — hier umgangssprachlich für: nicht mehr ganz modern
Plüsch, -e (m.; meist nur Singular) — ein dicker, weicher Stoff
nüchtern — hier: sachlich, ohne überflüssige Dinge
großer Brauner (m.) — ein Kaffee mit der doppelten Menge Pulver und sehr wenig Milch oder Kaffeesahne, die separat in einem Kännchen serviert wird
Mokka, -s (m.) — ein starker schwarzer Kaffee ohne Milch und Zucker
Kleines Schalerl Gold (n.) — österreichisch für: ein starker Kaffee mit heißer Milch und einer dünnen Haube aus Milchschaum
Verkehrter Kaffee (m.) — ein Kaffee, der überwiegend aus Milch und Milchschaum mit nur ganz wenig schwarzem Kaffee besteht
Kapuziner,- (m.) — ein Kaffee, der mit ein paar Tropfen Schlagsahne verfeinert wird
Fiaker, - (m.) — ein sehr starker Kaffee mit viel Zucker und etwas Schnaps oder Rum
Einspänner, - (m.) — ein starker Kaffee, der mit Schlagsahne bedeckt ist und traditionell in einer Glastasse mit Henkel serviert wird
Kosakenkaffee (m.) — ein starker Kaffee mit flüssigem Zucker und Alkohol (Rotwein und Wodka)