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Die Welt braucht eine neue Entwicklungsagenda

17. September 2010
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Themenbild Pro und Contra (Grafik: DW)
Bild: DW

Die zentralen Hindernisse für Entwicklung weltweit haben die Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) weder ausgeräumt noch verringert: Dass lokale Eliten Entwicklung für das ganze Land gar nicht wollen, weil dann zu viele denselben Kuchen teilen müssten. Dass in vielen Ländern Entwicklungspolitik heißt, dass Geld der Geber in teure Infrastruktur der Hauptstadt zu pumpen.

Die Entwicklungsziele verschleiern an vielen Stellen nur das eigentliche, das ungeminderte Desaster. Ist es wirklich ein Fortschritt, wenn alle Kinder in die Grundschule gehen, damit dann ein Lehrer 80 Kinder unterrichten muss? Die MDGs sind eine Mogelpackung, denn sie täuschen vor, dass eine quantitative Verbesserung zu mehr Entwicklung führt.

Man könnte viele Argumente gegen die MDGs anführen. Sie sind nicht wirklich messbar. Es ist nicht klar, mit welchen Konsequenzen schlechte Performer rechnen müssen. Kurz: Sie sind nichts weiter als unverbindliche Polit-Sprache, eine Kampagne eben. Was aber schlimmer ist: Sie stützen indirekt Systeme und Eliten, welche Entwicklung verhindern. In der Folge der MDG-Kampagne floss schlicht viel zu viel Geld in korrupte Systeme. Mit bizarren Effekten: Unser Steuergeld sichert heute 63 Ministern in der kamerunischen Regierung ein komfortables Auskommen.

Es gut zu meinen, ist nicht wirklich gut für die Ärmsten auf der Welt. Wir sollten die Kehrseite solch vereinfachender Kampagnen erkennen, die fatalen Effekte einer Gutmenschenrhetorik, welche auch die Entwicklungsziele kennzeichnet. Solche Vereinfachungen führen aufs falsche Gleis. Mit ihnen riskieren wir nicht zuletzt den Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit - spätestens dann, wenn die Geberstaaten ihre eigenen Pflichten nicht erledigen und 0,7 Prozent ihres Bruttonationalaufkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufwenden.

Eine solche Kampagne zementiert nicht zuletzt das Ungleichgewicht: Sie sorgt mit dafür, dass die einen in der Nehmerrolle verbleiben und die anderen in der Geberrolle. Und MDGs hin oder her: Die Ungleichheit weltweit wächst! Das vermeldet auch der Internationale Währungsfonds.

Was aber wäre die Alternative zu den Entwicklungszielen? Ein weit mühsamerer Prozess, in dem auch die Gebergemeinschaft eigene Pfründe aufgeben müsste: Endlich faire Wirtschafts- und Politiksysteme zu etablieren, zu deren Wettbewerb alle Zugang hätten.

Die MDGs benennen Mindestvoraussetzungen für ein besseres Leben. Sie beschreiben humanitäre Grundrechte und bringen sie auf einfache Ziele - Zugang zu Schule, Gesundheit, Arbeit. Aber sie sind keine Entwicklungsagenda im eigentlichen Sinne. Und für die ist es allerhöchste Zeit!

Autorin: Ute Schaeffer, Leiterin der Afrika-Programme der Deutschen Welle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz