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Die Wahl danach

Vladimir Essipov29. März 2004

Der erste Versuch einer Parlamentswahl hatte in Georgien zu einer Revolution geführt. Nun hofft der neue Staatschef auf breite Zustimmung, um seine Machtbasis zu stärken.

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Bild: AP

Georgien zählt nur knapp fünf Millionen Einwohner. Seine strategische Bedeutung aber ist nicht zu unterschätzen, denn in dem Land kreuzen sich die wirtschaftspolitischen Interessen von Russland und den
USA. So soll über das georgische Territorium eine neue Pipeline für Erdöl-Exporte aus der Kaspischen Region in Richtung Westen führen. Zudem betrachtet Russland das Land als traditionelle Einfluss-Sphäre.

Am Sonntag (28.3.2004) wählt Georgien ein neues Parlament. Zum zweiten Mal in den vergangenen fünf Monaten, denn die Parlamentswahl Anfang November 2003 wurde zum großen Teil für ungültig erklärt und muss nun wiederholt werden. Wer bereits ein Direktmandat gewonnen hatte, behält dieses. Entschieden wird über die Verteilung von 150 Sitzen, die über Parteilisten vergeben werden. Klarer Favorit ist die Partei des neuen und westlich orientierten Präsidenten Michail Saakaschwili, die "Nationale Bewegung".

Oppositionsführer Michail Saakaschwili in Georgien
Michail SaakaschwiliBild: AP

Michail Saakaschwili wurde Anfang Januar 2004 mit einer überwältigenden Mehrheit von 96 Prozent zum Präsidenten gewählt. Der junge Staatschef und seine Partei sind sehr populär. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates befürchtet deshalb sogar, dass bei der Wahl ein Ein-Parteien-Parlament entstehen könnte.

Der Sieger der "Rosenrevolution"

Eigentlich sollten die Georgier schon im November 2003 ein neues Parlament gewählt haben. Doch nach Auszählung der Wahlzettel und Bekanntgabe der Ergebnisse gingen die Wähler aus Protest auf die Straße. Zu groß waren die Zweifel an den Ergebnissen. Zu laut wurde der Vorwurf der Fälschung zugunsten der damaligen Regierungspartei von Präsident Eduard Schewardnadse.

Was als Protest gegen Wahlfälschungen begann, endete als friedliche Revolution. Die Opposition forderte immer lauter den Rücktritt von Schewardnadse und ein Ende des korrupten Regimes. Auf dem Höhepunkt der Proteste stürmten die Demonstranten das Parlamentsgebäude in Tbilisi - just zu dem Zeitpunkt, als Präsident Schewardnadse zu den Abgeordneten sprach. Zwar konnte der Staatschef das Gebäude unter dem Schutz seiner Leibwächter unbeschadet verlassen, doch seine Tage im höchsten Amt waren gezählt.

Wenige Tage später trat Schewardnadse als georgischer Präsident zurück. Nachfolger wurde der 36-jährige Michail Saakaschwili. Saakaschwili war auch Anführer der Proteste gegen Schewardnadse, die seitdem als "Rosenrevolution" bezeichnet werden.

Der zweite Versuch

Die neue Führung des Landes legte den Termin für die Wiederholung der Parlamentswahl nur wenige Monate später fest. Für den Wahlkampf anderer Parteien blieb nicht viel Zeit - wovon vor allem das Lager der neuen Staatsführung profitieren dürfte. Sie hat gute Chancen, viele Wählerstimmen zu gewinnen und dann auch das Parlament mehrheitlich mit ihren Anhängern zu besetzen.

Dieser doch sehr wahrscheinliche Wahlausgang dürfte die Machtbasis Saakaschwilis weiter stärken - ein Politiker, der nach eigenem Bekunden neben dem Kampf gegen Korruption auch die Integration Georgiens in die europäische Gemeinschaft vorantreiben will: "Georgien ist in seinem Kern ein europäisches Land. Und natürlich streben wir danach, uns in die europäischen Strukturen zu integrieren."

Grenzen der neuen Demokratie

Doch ausgerechnet aus Europa kommt nun Kritik an den Umständen der Vorbereitung der Wahl. Eine Delegation der
Parlamentarischen Versammlung des Europarates erklärte, man sei darüber besorgt, dass die Wahlkommission nicht ausgewogen besetzt sei, sondern fest in Hand der Regierungspartei. Die Parlamentarische Versammlung glaube, so heißt es spitz in der Erklärung, "dass immer
noch undemokratisch ist, was zu jener Zeit undemokratisch war" - eine klare Anspielung auf die Verhältnisse unter Schewardnadse, dem Amtsvorgänger Saakaschwilis.

Fünf politische Blöcke aus insgesamt 47 Parteien stehen zur Wahl. Aber die wenigsten haben eine Chance, ins Parlament einzuziehen - allein schon, weil die Hürde für den Einzug ins Parlament von fünf auf sieben Prozent angehoben wurde. Dies erschwert natürlich die Wahlaussichten der zersplitterten Opposition.

Die Delegation des Europarats bemängelte in ihrem Bericht zudem, dass das Wahlverfahren kompliziert sei und in einigen Punkten dem Prinzip des Wahlgeheimnisses widerspreche. Der Europarat hat daher 40 Wahlbeobachter entsandt.