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Wahlen nach Erdogans Willen?

1. November 2015

In gespannter Atmosphäre hat in der Türkei die Parlamentswahl begonnen. In den mehrheitlich kurdischen Gebieten öffneten die Wahllokale unter starkem Polizeischutz. Schafft Erdogans AKP diesmal die absolute Mehrheit?

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Recep Tayyip Erdogan (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Zum zweiten Mal innerhalb von nur knapp fünf Monaten dürfen die rund 56,6 Millionen stimmberechtigten Türken über die Zusammensetzung ihres Parlaments abstimmen. Im Osten des Landes öffneten die Wahllokale um 7.00 Uhr Ortszeit (5.00 Uhr MEZ), im Rest der Türkei eine Stunde später. Insbesondere in der mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt Diyarbakir wie auch im gesamten Osten der Türkei überwachen viele Sicherheitskräfte den Ablauf der Wahl. Angesichts der Spannungen und der Kämpfe mit kurdischen Rebellen im Südosten des Landes sind fast 400.000 Polizisten landesweit im Einsatz, um die Abstimmung abzusichern.

Erdogans geplatzter Präsidial-Traum

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Neuwahl ausgerufen, als nach der Abstimmung am 7. Juni keine Regierungskoalition zustande kam. Bei der Wahl war seine islamisch-konservative AKP zwar mit Abstand stärkste Kraft geworden, hatte aber mit 40,9 Prozent der Stimmen erstmals seit der Übernahme der Regierung im Jahr 2002 die absolute Mehrheit der Sitze verfehlt. Die prokurdische Partei HDP zog erstmals in die Volksvertretung ein. Ihr unerwartet gutes Abschneiden kostete die AKP die absolute Mehrheit.

Wahl in der Türkei: Opposition braucht Mut

Erdogan hofft bei der vorgezogenen Parlamentswahl nun wieder auf eine absolute Mehrheit für die AKP, um seine Präsidialbefugnisse auszuweiten. Er rief die Wähler erneut zu einem Votum für eine Ein-Parteien-Regierung auf. Umfragen vor der Wahl vom Sonntag sagen allerdings ein ähnliches Ergebnis wie im Juni voraus. Eine künftige Alleinregierung der AKP ist demnach erneut unwahrscheinlich. Alle Umfragen sehen die pro-kurdische HDP erneut oberhalb der 10-Prozent-Hürde. Auch die säkulare CHP und die ultranationalistische MHP dürften erneut im Parlament vertreten sein.

Keine Koalition mit der HDP

Sollte wieder eine Koalition nötig werden, dann könnte die AKP ein solches Bündnis entweder mit den säkularen Kemalisten der CHP oder der ultranationalistischen MHP anstreben. Mit der pro-kurdischen HDP aber will die AKP auf keinen Fall koalieren. Die Wahllokale schließen um 15.00 Uhr MEZ. Erste Ergebnisse werden nicht vor 19.00 Uhr MEZ erwartet.

Die Türkei ist seit Monaten politisch tief gespalten. Seit der Abstimmung im Juni war der Konflikt der Regierung mit kurdischen Rebellen im Süden und Osten des Landes blutig eskaliert. Zudem gab es mehrere Anschläge, für die die Regierung die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verantwortlich macht. Vor allem der Anschlag auf eine kurdische Friedensdemonstration in Ankara am 10. Oktober mit 102 Toten hat das Land tief erschüttert. Beobachter befürchten, dass die vorgezogene Parlamentswahl die Spannungen und die Gewalt nicht wird beenden können.

Presse unter wachsendem Druck

Die Spannungen im Land nahmen auch zu, weil die Regierung in jüngster Zeit immer stärker gegen Kritiker in den Medien, in der Justiz oder in anderen Teilen der Zivilgesellschaft vorging. Die "Bild"-Zeitung berichtet, die Europäische Union wolle vermutlich nächste Woche einen sehr kritischen Bericht zur Lage der Bürgerrechte und der Demokratie in der Türkei veröffentlichen.

Polizisten umstellen die regierungskritischen Fernsehsender Kanaltürk und Bugun TV (Foto: rtr)
Polizei-Einsatz gegen Medien: Zwei regierungskritische Fernsehsender wurden unter Staatsaufsicht gestelltBild: Reuters/M. Sezer

Auch wirtschaftlich steht die Türkei durch ein verlangsamtes Wachstum unter Druck. Außerdem ist der Krieg im Nachbarland Syrien stark zu spüren. Mehr als 2 Millionen syrische Flüchtlinge haben in der Türkei bereits Zuflucht gesucht.

cw/ml (dpa, afp)