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Die Tür geht einen Spalt auf

17. Februar 2002

Papst Johannes Paul II hat überraschend die teilweise Öffnung der Geheimarchive über die Beziehungen zwischen dem Vatikan und NS-Deutschland zwischen 1922 und 1939 angekündigt.

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Seine Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus ist umstritten: Papst Pius XII.Bild: AP

Hintergrund ist der Streit um Papst Pius XII, der selig gesprochen werden soll. Eugenio Pacelli, wie Pius XII mit bürgerlichem Namen hieß, war vor seiner Papstwahl im Jahr 1939 vatikanischer Botschafter in Berlin und München. Historiker werfen ihm vor, die Judenverfolgung nie offen verurteilt zu haben. Vertreter der katholischen Kirche behaupten dagegen, Papst Pius XII habe im Geheimen Juden geholfen und spektakuläre Auftritte vermieden, um keinen Vorwand für Repressalien zu liefern.

Der Vatikan weigerte sich bisher hartnäckig, seine Archive aus dieser Zeit der Forschung zu öffnen. So entstand unter Wissenschaftlern der Eindruck, dass sich in den Vatikan-Archiven kompromittierendes Material verbirgt.

Im Vorjahr war der Versuch gescheitert, die Haltung der katholischen Kirche zum Holocaust von einer jüdisch-katholischen Historikerkommission untersuchen zu lassen. Die drei jüdischen Wissenschaftler hatten sich aus der Kommission zurückgezogen, weil sie nicht den Zugang zu allen relevanten Akten gewährleistet sahen.

Zeit nach 1939 ist brisanter

Ein Teil der Akten soll nun ab 2003 für Historiker zugänglich sein. Zur Öffnung kommen 430 Mappen aus der Nuntiatur in München und 100 Mappen aus der Nuntiatur in Berlin, jeweils aus den Jahren 1922 bis 1930. Aus dem Archiv des Staatssekretariats sollen weitere 110 Mappen über Deutschland in den Jahren 1922 bis 1939, der Amtszeit von Pius XI folgen. Für die weitaus spannenderen Jahren ab 1939 – das Pontifikat von Pius XII dauerte von 1939 bis 1958 – soll ein ähnliches Verfahren angewandt und die Deutschland-Akten im voraus freigegeben werden.

Radius für Forschung begrenzt

Italienische Historiker warnten vor übertriebenen Erwartungen: Die Dokumente bis 1939 würden zwar zusätzliche Details über die Haltung des Vatikans zum Nationalsozialismus zu Tage fördern, die wesentlichen Quellen seien in Deutschland aber bereits veröffentlicht worden, sagte der Kirchenhistoriker Giovanni Miccoli.

Auch der Vatikan selbst baut zu großen Hoffnungen vor: Gewisse Schwierigkeiten für Wissenschaftler seien unvermeidlich, da sie ihre Forschungen nicht über einen zeitlich und geographisch begrenzten Bereich ausweiten könnten. Elan Steinberg vom Jüdischen Weltkongress (WJC) nannte den Schritt nicht weitgehend genug.

Das Amen für den Stellvertreter?

In Deutschland wurde die Diskussion um Pius XII mit Rolf Hochhuths Stück "Der Stellvertreter" aus dem Jahr 1963 bekannt. Auf der Berlinale läuft gegenwärtig der neue Film "Amen" des Regisseurs Constantin Costa-Gavras nach dem Stück "Der Stellvertreter". Die zeitliche Nähe zur Uraufführung der Hochhuth-Verfilmung sei aber reiner Zufall, versicherte man in Rom. (jf)