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Die Schöpfung bewahren – die Nothelfer Eustachius und Ägidius

9. August 2014

Die katholische Tradition kennt die 14 Nothelfer: Heilige, die den Menschen beistehen sollen. Dieser Beistand ist heute keineswegs überholt, so jedenfalls die Meinung von P. Heribert Arens von der katholischen Kirche.

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Hirsch im Wald
Bild: imago/blickwinkel

Von zwei heiligen Nothelfern möchte ich heute erzählen, die bei uns in Vierzehnheiligen in Oberfranken, wo ich leben und wirken darf, verehrt werden. Eustachius und Ägidius sind ihre Namen.

Eustachius ist der heilige Jäger. Er war Soldat im Heer des römischen Kaisers Trajan. Doch seine Leidenschaft war das Jagen. Einmal verfolgte er einen Hirsch bis tief in den Wald, als er plötzlich im Geweih des Hirschen ein strahlendes Kreuz sah. Er legte seine Waffe, die er schon im Anschlag hatte, beiseite. Da war ihm etwas Göttliches aufgeschienen in diesem Hirsch. Darum wird Eustachius in der Kunst mit einem Hirschen dargestellt, und im Geweih leuchtet ein strahlendes Kreuz.

Das Kreuz im Geweih ist mir eine Erinnerung daran, dass dieser Hirsch ein Geschöpf Gottes ist – so wie jedes Tier ein Geschöpf Gottes ist. Franziskus von Assisi hat das begriffen. Er nennt jedes Tier Bruder oder Schwester: Bruder Hirsch, Schwester Wildsau, Bruder Hase. Als Geschöpf Gottes hat jedes Tier seine Würde.

Dieser Würde entspricht nicht, was ein deutsches Volkslied singt: „Ein Jäger aus Kurpfalz, der reitet durch den Grünen Wald uns schießt das Wild daher, gleich wie es ihm gefällt. Halli, Hallo, gar lustig ist die Jägerei allhier auf grüner Heid.“ Und dieser Würde entspricht es auch nicht, wenn wir singen: „Auf, auf, zum fröhlichen Jagen“

Jagen ist immer mit ein bisschen Traurigkeit verbunden: Ich töte als Jäger ein Geschöpf. Ich muss es vielleicht sogar töten, um mich zu ernähren oder auch um den Bestand zu hegen. Von einem Indianerstamm wird erzählt: bevor sie ein Tier töten, das ihnen zur Nahrung dienen soll, entschuldigen sie sich bei dem Tier. Das ist ein Ausdruck des Respekts vor der Würde des Tieres.

Wir müssen ja nicht alle Vegetarier werden. Aber solange ein Tier lebt, soll es seiner Würde gemäß behandelt werden. Da ist Jagen aus Lust am Schießen und Töten fehl am Platz. Voraussetzung für den Jäger ist die Ehrfurcht vor und die Verantwortung für das Geschöpf Gottes.

Von einem zweiten heiligen Nothelfer möchte ich erzählen: dem Einsiedler Ägidius. Er lebte im Wald. Dort entdeckte er eine Hirschkuh, die von einem Pfeil verwundet war. Er pflegte das Tier gesund. Zum Dank dafür, so schließt die Legende, ernährte sie ihn mit ihrer Milch.

Das klingt zunächst nach einer schönen und frommen Legende – und das ist sie ja auch. Aber es liegt ein überraschender, hochaktueller Sinn in dieser Legende: Die Hirschkuh ist Teil der Schöpfung Gottes, konkreter: sie ist Teil von Gottes verwundeter Schöpfung. Diese Verwundung kommt nicht vom Schöpfer. Sie ist menschengemacht. Der Mensch ist täglich dabei, Gottes Schöpfung Wunden zuzufügen.

Das beginnt beim Abholzen des Regenwaldes, das die Weltökologie durcheinanderbringt und den letzten Menschenaffen ihren Lebensraum nimmt. Das geht weiter mit dem Primat der Wirtschaftlichkeit vor der Gesundheit der Schöpfung. So werden in unerträglichem Maß täglich Treibhausgase ausgestoßen, die das Klima verändern. Die Erderwärmung wird in Kauf genommen und damit die Zunahme von Klimakatastrophen wie Hochwassern und zerstörerische Hurrikans und Tornados. Die Menschen in den Dürreregionen dieser Erde zahlen einen hohen Preis für den Profit vieler Industrienationen.

Auch beuten Menschen die Schätze dieser Erde aus um einen hohen Preis – den kommende Generationen bezahlen müssen. Da bekommt die Botschaft der verwundeten Hirschkuh des heiligen Ägidius eine überraschende Aktualität. Sie sagt uns: Erhalte die Schöpfung – er pflegte sie gesund, und die Schöpfung ernährt dich – sie ernährte ihn mit ihrer Milch. Dabei darf ich nicht nur an mich selber denken. Mich wird die Schöpfung schon noch ernähren. Aber unsere Kinder und Kindeskinder möchten ja auch noch auf dieser Erde leben. Ob sie das noch können, ist eine Frage auch an mich und meinen Lebensstil.

Ich finde, Eustachius und Ägidius sind zwei hochaktuelle Heilige aus der Reihe der vierzehn Nothelfer. Sie helfen mir, der Schöpfung und dem Schöpfer Respekt zu zollen.

Zum Autor:

Pater Heribert Arens OFM Geismar Kloster Hülfensberg
P. Heribert Arens ofmBild: Heribert Arens

P. Heribert Arens ist Franziskaner und lebt im Franziskanerkloster Vierzehnheiligen in Oberfranken. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher, insbesondere zu Predigt und Spiritualität. Außerdem ist er Mitarbeiter bei der Zeitschrift „Der Prediger und Katechet“ und Mitglied im Kuratorium für den Deutschen Predigtpreis.