Die russische Avantgarde und die Quadratur der Kunst
Die Kunstschule in Witebsk war ein Inkubator für neue Ideen. Von Chagall über Lissitzky bis Malewitsch - sie alle waren Teil einer neuen Künstlergeneration. Das Centre Pompidou würdigt sie in einer Ausstellung.
Wegbereiter der Moderne
Es war der Beginn des Suprematismus, den Malewitsch begründete und zum Nullpunkt der Malerei erklärte. Anlässlich der Ausstellung "Chagall, Lissitzky, Malewitsch. Die russische Avantgarde in Witebsk" im Centre Pompidou haben wir einen Blick auf sein Werk geworfen...
Kämpfer für eine neue Kunst
Kasimir Malewitsch wurde 1879 in Kiew geboren und starb 1935 in Leningrad. Er gilt nicht nur als Wegbereiter des Kubismus, sondern auch als Erfinder des Suprematismus. Die Utopie eines neuen Menschen zog sich durch alle Lebensbereiche: Malewitsch schuf Architekturmodelle, arbeitete als Lehrer und entwarf Kostüme für eine futuristische Oper. Über allem stand die Suche nach der Gegenstandslosigkeit.
Französischer Einfluss
Der Weg in die Abstraktion verläuft in Etappen. Anfangs ist Malewitsch vom französischen Impressionismus beeinflusst: Die Landschaft mit dem rosafarbenen Haus könnte auch von Monet oder Cézanne stammen. Das Gemälde ist aus dem Jahr 1911. Damals galt Moskau als Paris des Ostens.
Avantgarde im Aufbruch
In den 1910er Jahren schließt sich Malewitsch verschiedenen Avantgardebewegungen an: Dem Neoprimitivismus folgend - der Name drückt die Begeisterung für primitive Formen aus - malt er folkloristische Motive: Bauern mit Sense und Arbeiter im Wald. Doch allmählich ist der Weg in die Abstraktion erkennbar: Dieses Gemälde heißt "Mädchenkopf" und beschreibt schon den Übergang zum nächsten "-ismus"...
Kubofuturismus
Beim Kubofuturismus werden Erfahrungen und Elemente des Kubismus und des Futurismus miteinander verschmolzen. Malewitsch zerlegt gegenständliche Motive in zylindrische Formelemente. Das Gemälde "Leben im Grand Hotel" malt er 1913. Der Kubofuturismus war ein Schritt in Richtung des von Malewitsch begründeten Suprematismus.
Moderne Ikonen
Von der russischen Volkskunst übernimmt Malewitsch die geometrischen Formen und auch die Farbsymbolik. Dabei greift er meist auf die sieben Farben der Ikonenmalerei zurück: Schwarz, Weiß, Gelb, Blau, Rot, Grün und Rosa. In der Ikonenmalerei stehen die Farben Schwarz und Weiß für den Anfang und das Ende, zwischen denen sich das Leben des gesamten Kosmos entwickelt.
Gegenstandslosigkeit als höchstes Gut
Der Höhepunkt der Reduktion ist das "Schwarze Quadrat auf weißem Grund" aus dem Jahr 1915. Für Malewitsch ist es eine moderne Ikone. Das Schwarze Quadrat darf die Tretjakow Galerie in Moskau aus konservatorischen Gründen nicht mehr verlassen. Das Schwarz bildet einen starken Kontrast zum weißen Grund und übt eine suggestive Wirkung aus.
Handschrift des Malers
Malewitschs suprematistischen Bildern sieht man immer an, dass sie mit der Hand - und nicht etwa mit der Schablone - gemalt wurden. Ob Kreuze oder schwebende Linien auf weißem Hintergrund: Die Formen haben eine stark gemalte Präsenz. Damit bewahrt Malewitsch den individuellen und authentischen Charakter seiner Kunstwerke.
Kunsterziehung
Die Utopie eines neuen Menschen ist bei Malewitsch allgegenwärtig: Er ist nicht nur Künstler, sondern auch Theoretiker und Lehrer. In den 1920er Jahren kommt er über Warschau nach Berlin und verbreitet seine Manifeste auf Deutsch. Die "Organische Kunstkultur" entsteht in dieser Zeit. Darin sind auch die von ihm präferierten Farben seiner Werke zu erkennen.